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Österreich wird zum Geldversteck

VON JOSEF URSCHITZ UND CHRISTINE DOMFORTH (Die Presse) 18.01.2006

"Zasterfahndung": Deutsche haben schon mehr als 50 Milliarden Euro nach Österreich in Sicherheit gebracht.
"Hartz-IV-Flüchtlinge": Immer öfter retten Arbeitslose ihr Erspartes vor dem Zugriff deutscher Sozialämter über die Grenze.


Wien. Deutsche Bundesbürger reagieren auf die Einführung "gläserner" Konten im Vorjahr nun offenbar mit einer Kapitalflucht ungeahnten Ausmaßes. Und immer öfter sind es nicht mehr große Vermögen, die über die Grenze in die Schweiz, nach Liechtenstein, Luxemburg oder Österreich in Sicherheit gebracht werden: Banken in Vorarlberg, Tirol, Salzburg oder Oberösterreich registrieren eine rasant steigende Zahl so genannter "Hartz-IV-Flüchtlinge", die mit ein paar Tausend Euro in der Tasche über die Grenze kommen.



Der Hintergrund: Seit dem Inkrafttreten des "Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit" im April vorigen Jahres können in Deutschland nicht nur Finanzbehörden, sondern auch Sozialämter und die Arbeitsagentur Konten abrufen, ohne dass auch nur irgendein Verdacht gegen den Kontoinhaber besteht. Für Langzeitarbeitslose kann das unangenehme Folgen haben, denn seit dem Inkrafttreten der Hartz-IV-Regelungen muss erst ein Großteil des privaten Vermögens (einschließlich angesparter Altersvorsorge) aufgebraucht werden, bevor staatliche Leistungen zu fließen beginnen.


Hatten in der ersten Phase im Vorjahr eher schweizerische und liechtensteinische Banken profitiert, so schwappt der Geldsegen der "Hartz-IV-Flüchtlinge" nun überwiegend auf österreichische Institute über.


Das Bankgeschäft ist diskret, weshalb exakte Zahlen schwer zu bekommen sind. Aber das, was jetzt bekannt wurde, ist imposant genug: Allein der Genossenschaftsverband Bayern schätzt, dass aus seinen Mitgliedsbanken im Vorjahr zwei Milliarden Euro nach Österreich abgeflossen sind.


Laut Nationalbank lagen zuletzt 11,8 Milliarden Euro deutschen Geldes auf österreichischen Einlagen-Konten. Dazu kommt eine vermutlich noch höhere Summe auf Wertpapierdepots. Allein bei den Banken in den Tiroler Zollausschlussgebieten Kleinwalsertal und Jungholz, wo praktisch ausschließlich Deutsche Konten unterhalten, liegen rund acht Milliarden Euro - und die Beträge sind zuletzt kräftig gestiegen. Insgesamt dürften 50 Milliarden oder mehr in Österreich liegen.


Bevor im vorigen Herbst "Hartz-IV-Flüchtlinge" heimische Schalterhallen gestürmt haben, sind bereits wohlhabendere Deutsche vor den gläsernen Konten geflüchtet. Die legen ihr Geld aber nicht auf Sparbücher, sondern kaufen Wertpapiere. Und über die exakten Summen, die Deutsche auf österreichischen Wertpapierkonten gebunkert haben, gibt es keine offizielle Statistiken.


Die heimischen Banker glauben jedenfalls nicht, dass der Zufluss bald austrocknen könnte: "Jeder Bericht in Deutschland über die sogenannte Zasterfahndung bringt uns neue Kunden", sagte ein Banker zur "Presse".
 
aus der Diskussion: Zasterfahndung
Autor (Datum des Eintrages): Sep  (17.01.06 23:03:13)
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