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Fallobst in Kalifornien

Ein Apple macht noch keine Krise

Von Ludwig Siegele

So schnell ist bisher kaum ein Unternehmen vom Himmel zur Hölle gefahren. Vor ein paar Wochen standen Apple-Fans noch Schlange in New York, um eine Rede des Firmenchefs Steve Jobs zu hören, unbestritten die größte Attraktion der Techno-Branche. Jetzt, nachdem er vergangene Woche überraschend vor Absatzproblemen warnte, liefen ihm an der Wall Street die Investoren davon. Innerhalb weniger Stunden stürzte der Kurs der Apple-Aktie um über fünfzig Prozent ab, fast neun Milliarden Dollar Börsenwert lösten sich in Luft auf.
Die Stampede auf der Wall Street, eine der größten in der Finanzgeschichte, wirft Fragen auf: Hat die Kultfirma aus dem Silicon Valley sich ihr Comeback verdorben, bevor es begonnen hat? Oder wurde Apple das erste prominente Opfer einer Krise in der Computerbranche? Und was hieße dies für die viel gepriesene New Economy?
Ohne Steve Jobs wäre Apple keine unabhängige Firma mehr. Der Gründer, der erst vor drei Jahren als Retter zu Apple zurückgekehrt war, hat in dem chronisch chaotischen Unternehmen aufgeräumt, wenn auch um den Preis einer Schreckensherrschaft. Aber die Absatzprobleme deuten auf eine Schwäche in seiner Strategie: Der Erfolg in den vergangenen beiden Jahren hatte vor allem einen Grund - Apple verkaufte seine teuren neuen Computer vornehmlich an die alte Fangemeinde.
Jetzt ist die treue Altkundschaft "abgemolken", wie Börsenanalysten schadenfroh feststellen. Und es ist unklar, woher das Wachstum kommen soll. Die Konkurrenten Compaq, Dell und Hewlett Packard bieten außer PCs auch andere Produkte an: kleine Handcomputer, leistungsfähige Netzrechner, Dienste im Internet. Apple dagegen baut nur immer schönere und schnellere Maschinen.
Die legendäre Firma könnte Gelassenheit demonstrieren, lägen ihre Absatzprobleme einfach nur im Trend der gesamten Computerindustrie, erschwerte nur der hohe Dollar den Export und störte allein der hohe Ölpreis die Konsumfreude. Immerhin haben kürzlich auch SCI Systems, der größte Auftragshersteller für PCs, und der Chiphersteller Intel die Gewinnerwartungen gedämpft, weil die Kunden in Europa nicht mehr wie gewohnt zugriffen. Der Rest der Branche aber wundert sich: Flaute - welche Flaute? Marktforscher können bisher kaum eine Nachfrageschwäche ausmachen. Der PC-Markt soll in diesem Jahr sogar um ein Sechstel wachsen - und wer davon nicht profitiert, hat wohl etwas falsch gemacht.
Dennoch haben die schlechten Zahlen bei Apple, Intel und anderen eine neue Debatte um die New Economy und die Zukunft der Computerbranche ausgelöst. Business Week, das Zentralorgan der neuen Ökonomie, sieht bereits eine "Internet-Depression" heraufziehen.
Depression? Das ist übertrieben - schon wieder so ein Hype, nur dieses Mal mit umgekehrten Vorzeichen. Die Wahrheit ist schlichter - und weitreichender. Internet und andere Technik haben die Wirtschaft flüssiger und flüchtiger gemacht. Was hoch schwappt, wird auch tief stürzen - easy.com, easy.go, so heißt das im Technodeutsch. Wer über die explodierenden Kurse jubelte, darf sich jetzt über den Absturz aus geringem Anlass nicht grämen. In der New Economy kann auch eine große und verehrte Firma tief fallen.
Genauer denn je müssen die Anleger unterscheiden: zwischen kurzer Mode und langer Welle. Welches Unternehmen nutzt die Chancen des Internet tatsächlich, und wer vermag nur für eine kurze Zeit zu blenden? Die Frage stellt sich nicht bloß bei Apple.
 
aus der Diskussion: Börsenguru`s
Autor (Datum des Eintrages): Bischoff  (05.10.00 19:23:54)
Beitrag: 60 von 150 (ID:2000362)
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