Fenster schließen  |  Fenster drucken

Über kaum eine Berufsgruppe werden traditionell so viele Witze gemacht wie über Statistiker. Winston Churchill hat sich ebenso über sie erheitert wie der große Spötter George Bernard Shaw. Ist es da verwunderlich, dass Statistiker immer dann, wenn sie mal richtig ernst genommen werden, förmlich aufblühen und die Gunst der Stunde genießen?

Der Präsident des Statistischen Bundesamtes Johann Hahlen pustet so jedes Jahr seine Lungen freudig durch, wenn er "sein" statistisches Jahrbuch vorstellt, dessen Zahlen er leider immer genauso interpretiert wie es der momentane politische Mainstream gerne hört. Wir altern "dramatisch", die Bevölkerung schrumpft unaufhörlich, mehr als eine Millionen Pflegebedürftige werden uns im Jahre 2050 zur Last fallen. Kein Wunder, dass die sozialen Sicherungssysteme bedroht sind und die rastlos um unser Wohl bemühten Politiker vor lauter Kummer nicht mehr in den Schlaf kommen.

Dass ausgerechnet der Präsident des Statistischen Bundesamtes immer wieder von neuem glatten Blödsinn erzählen könnte, diese Annahme wäre angesichts soviel inkarnierter Kompetenz wohl blanke Häresie. Und doch ist es so:

Hahlen vergißt mitzuteilen, daß von den bisherigen 10 "koordinierten Bevölkerungsprognosen" - so heißen diese Dinger - noch keine gestimmt hat. Die Bevölkerung ist immer gewachsen und nie geschrumpft.

Ebenso vergißt er mitzuteilen, dass die angeblich so fürchterliche Schrumpfung der deutschen Bevölkerung im Jahre 2050 (!) auf 75 Mio. Einwohner (mittlere Variante) vom Resultat her gerade einmal 2,7 Mio. Einwohner weniger ausmacht als 1985 (60,9 Mio. Einwohner alte Bundesrepublik, 16,9 Mio "DDR") in Deutschland lebten und dass die Bevölkerungsdichte auf den Quadratkilometer dann immer noch eine der höchsten der Welt wäre.

Weiter fehlt der banale Hinweis, dass die "dramatische" Alterung das logische Resultat der geburtenstarken Jahrgänge der sechziger Jahre ist, denn wer geboren ist, wird nun auch mal alt und muß schließlich sterben. Sobald die geburtenschwachen Jahrgänge die Alterspopulation bestimmen, wird dies völlig anders sein und die Zahl der alten Menschen wird drastisch sinken.

All dies wäre noch verzeihlich, wenn nicht auch Hahlen einen Denkfehler machen würde, der zunächst nur auf einem semantischen Mißverständnis zu beruhen scheint, sich aber in der gesamten Diskussion um unsere (angeblich nicht mehr finanzierbaren) sozialen Sicherungssysteme fatal auswirkt: Die Verwechslung von "erwerbsfähig" mit "erwerbstätig". Erwerbsfähig im demographischen Sinne ist jeder Mensch zwischen 18 und 65, erwerbstätig oder gar sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist er damit noch lange nicht. So haben wir zur Zeit (und auch in Zukunft!) überhaupt keinen Mangel an erwerbsfähigen Menschen, aber einen beträchtlichen Mangel an (Steuer und Abgaben leistenden) Erwerbstätigen.

Wäre die rein biologische Betrachtungsweise richtig, müßten alle Entwicklungs- und Schwellenländer mit ihren phantastischen Geburtenzahlen und prächtigen Alterspyramiden glänzend finanzierte soziale Sicherungssysteme haben. Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, entlarvt die ganze Lächerlichkeit der Demographielüge, der sich inzwischen alle Politiker virtuos bedienen und für die ein hoch bezahlter Beamter sachwidrig und kontrafaktisch einmal pro Jahr neue Munition liefert….

http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&…
 
aus der Diskussion: Die Demographielüge
Autor (Datum des Eintrages): Helm6  (17.03.06 00:15:35)
Beitrag: 1 von 28 (ID:20751047)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE