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Also zunächst wäre es ja mal schön, wenn wir den vollständigen Text von Hipps Äußerung hätten. Möglicherweise ist wieder mal was komplett aus dem Zusammenhang gerissen, und alle regen sich auf - soll ja schon vorgekommen sein...

Zum zweiten hat ein mir nahestehender Verwandter in den letzten Monaten mehrere, sicherlich sehr kostspielige Operationen durchgemacht. Der Verwandte ist über 80, arbeitet nicht mehr, wirtschaftlich also uninteressant und liegt uns - versicherungstechnisch gesehen - allen auf der Tasche. Die Operationen hat er sehr gut überstanden, ich hoffe, dass er uns noch viele Jahre auf der Tasche liegt. Soviel zum Privaten...

Aber wenn ich das ganze Private mal ausblende, ist uns allen doch hoffentlich klar, dass die medizinische Versorgung, so, wie sie momentan abläuft und finanziert wird, nicht mehr auf Dauer aufrechterhalten werden kann. Immer weniger Junge zahlen für immer mehr Alte. Hierbei spielt es nur nebensächlich eine Rolle, dass viele der Alten den Jungen einen eigentlich sehr guten Start ins Leben gegeben haben. Nur leider wird das ganze Konstrukt unserer Gesellschaft, wenn es um Finanzierung geht, immer noch viel zu sehr direkt oder indirekt auf den Generationenvertrag gestützt, der aber einfach eine mausetote Leiche mangels Masse ist. Eigentlich weiß es jeder, nur Konsequenzen daraus möchte keiner ziehen.

Die Alten wollen nichts abgeben, sie haben ja gearbeitet und Kinder großgezogen, und so ist der Standpunkt auch gut begründet, die Mittleren haben einen ganz guten Start gehabt, spüren aber zunehmende Abgabelast und Arbeitslosigkeit, die Jungen sind froh, wenn sie überhaupt noch einen Job bekommen und fragen sich, wie sie später ihr Leben finanzieren sollen. Jede der Gruppen hat gute Argumente, Sorgen und Nöte, doch der Ruck, dass man, nicht auf einmal, aber wenigstens doch konsequent Reformen angeht, dieser Ruck, an den traut sich keiner ran, denn fairerweise wäre es für alle schmerzhaft, und das möchte sich keiner, der ja gewählt werden muß, antun.

Dieses Zögern führt dazu, dass Äußerungen wie von Hipp in nicht allzu naher Zukunft nicht nur Gedankenspiele sind, sondern dass sie irgendwann automatisch bittere finanzielle Notwendigkeit sind, weil es einfach keiner mehr zahlen kann! Wie schon gesagt, ich will auch keine Selektion nach Alter oder Heftigkeit einer Krankheit, wenn aber irgendwann einfach kein Geld da ist, dann brauchen wir 'ne Menge Samariter... Insofern können wir uns alle über die Verbindung von Wirtschaft und Gesundheit ärgern, aber vom Ärgern allein geht's auch nicht weiter... Leider kostet auch Moral etwas, auch wenn mich diese Erkenntnis selber schmerzt.

Aber mal ein kleiner Ansatz: Krebsvorsorge wird von vielen Krankenkassen nicht mehr in einem effektiven Maß bezahlt, entweder buttert man aus Eigeninteresse zu, oder man handelt auf Risiko. Ist dann der Krebs da, wird es unwahrscheinlich teuer. Ich habe kein Rechenbeispiel, aber es ist fraglich, ob vernünftige Vorsorgeuntersuchungen nicht preiswerter wären als die Behandlungen in ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Doch auch hier läuft die Doktrin: Was interessieren mich die Ausgaben von morgen?
 
aus der Diskussion: \"Die Alten sterben lassen\" Unternehmer Hipp spricht aus, was sich andere noch nicht trauen
Autor (Datum des Eintrages): mausschubser  (03.04.06 15:29:11)
Beitrag: 65 von 98 (ID:21054064)
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