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Erstmal was zum Begriff der Menschenwürde:
http://de.wikipedia.org/wiki/Menschenw%C3%BCrde
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Wuerde.jpg

Artikel 1, Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Der Begriff der Menschenwürde ist in zahlreichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts definiert: Es ist damit jener Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt, unabhängig von Eigenschaften, Leistungen oder sozialem Status. Der Staat bezieht nach der Ordnung des Grundgesetzes seine Legitimation allein daraus, dass er den Menschen konkret dient. Die Menschenwürde ist - so das Bundesverfassungsgericht - oberster Grundwert und Wurzel aller Grundrechte.

Kant geht davon aus, dass der Mensch ein Zweck an sich sei und demnach nicht einem ihm fremden Zweck unterworfen werden darf. Das heißt: Die Menschenwürde wird verletzt, wenn ein Mensch einen anderen bloß als Mittel für seine eigenen Zwecke benutzt - etwa durch Sklaverei, Unterdrückung oder Betrug:

"Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserem Willen, sondern der Natur beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen Werth, als Mittel, und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d. i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkür einschränkt (und ein Gegenstand der Achtung ist)." (Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten II)

Die Menschenwürde umfasst außerdem den Anspruch auf prinzipielle Gleichheit aller Menschen trotz tatsächlicher Unterschiede: Es ist unzulässig jemanden grundsätzlich wie einen Menschen zweiter Klasse zu behandeln.

Jetzt ein paar Gedanken:

Interessant ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde im Grundgesetz, Interpretationen dazu:
a) die Menschenwürde kann man nicht anfassen (weil sie nicht stofflich ist) und somit nicht verletzen. Die Menschenwürde ist etwas abstraktes, was jeder Mensch unverlierbar in jeder beliebigen Situation immer besitzt, solange er nur Mensch ist und last but not least weil er einen freien Willen hat. Lustigerweise ist der Mensch natürlich auch ein physisches Objekt (sonst würde er nicht existieren), das dem Determinismus der Naturgesetze unterworfen ist und als solches bar jeder Menschenwürde.
b) die Menschenwürde ist antastbar und kann verletzt werden. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass die Menschenwürde unantastbar wird.

Ich tendiere zu a), weil für b) die Menschenwürde und die zu verhindernden Verletzungen präzise definiert sein müssten. Praktisch gesehen existiert die Menschenwürde (auch wenn sie real nicht existent ist) und kann missachtet werden, obwohl sie inhärent+unverlierbar jedem bewussten Wesen gegeben ist (klingt verrückt, aber macht trotzdem irgendwie Sinn, wie ich finde).

In jedem Fall wird die eigene Menschenwürde durch die Menschenwürde anderer Menschen begrenzt. Daraus ergibt sich auch, dass die Menschenwürde in Extremfällen aufrechenbar ist: man kann nicht die Menschenwürde eines Einzelnen gewährleisten, indem man dadurch die Menschenwürde von anderen Menschen verletzt (1).

Muss die Würde zukünftiger, noch ungeborener Menschen ebenfalls berücksichtigt werden? Eigentlich ja, weil täglich Menschen geboren werden. Die Folgen sind durchaus weit reichend, weil gemäß (1) das Interesse zukünftiger Generationen (oder der Menschheit an sich) Priorität vor den Interessen der gegenwärtig lebenden Menschen haben muss. Somit kann die Verpflichtung zur Menschenwürde allgemein möglicherweise auch Taten rechtfertigen, die die Menschenwürde einzelner oder sogar aller Menschen der Gegenwart beeinträchtigen. Die Rechtfertigung von möglicherweise der Rechtfertigung bedürftigen Taten kann durch die Art der Durchführung erleichtert werden, nämlich indem die Menschen grundsätzlich hinreichend frei (und somit keine Objekte, also menschenwürdig) sind, um so unerwünschten Situationen aus dem Weg gehen zu können.

Ist natürlich alles nur eine Sichtweise von vielen, "Menschenwürde" kann man bestimmt auch anders interpretieren, insbesondere eine Ausdehnung bis in die ferne Zukunft kann vermutlich hinterfragt werden.
 
aus der Diskussion: Die Würde des Menschen ist unfassbar
Autor (Datum des Eintrages): HeWhoEnjoysGravity  (06.04.06 15:11:41)
Beitrag: 1 von 10 (ID:21103592)
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