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GESETZENTWURF

"Bürokratie-TÜV" soll Milliarden einsparen

Die Niederlande haben es vorgemacht: Mit einem Normenkontrollrat, der dem Gesetzgeber in Sachen Kostenwirkung auf die Finger schaut, werden neue Gesetze weniger teuer. Die große Koalition will einen solchen "Bürokratie-TÜV" jetzt auch und damit Milliarden einsparen.

Berlin - Die Geschäftsführer der Koalitionsfraktionen präsentierten am Donnerstag in Berlin einen Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Normenkontrollrats, mit dem alle Gesetze auf ihre bürokratischen Kostenwirkungen überprüft werden sollen. Zuvor sollen die Kosten der durch Bundesgesetzgebung verursachten Bürokratie zu einem bestimmten Stichtag ermittelt werden.

Der Entwurf soll im kommenden Monat zur ersten Lesung im Bundestag aufgerufen werden. Die Fraktionen lehnten sich damit an ein Beispiel aus den Niederlanden an, erläuterte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen. Dort seien für den Stichtag 31. Dezember 2002 Bürokratiekosten von 16 Milliarden Euro ermittelt worden. Das entsprach 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Daraufhin habe sich die Regierung vorgenommen, diese innerhalb von vier Jahren um 25 Prozent zu verringern. Bis Ende 2004 hätten die Niederländer bereits rund zwei Drittel dieses Sparvolumens realisiert.

Auf deutsche Dimensionen hochgerechnet, würde das einen Umfang von 80 Milliarden und ein Sparvolumen von 20 Milliarden Euro bedeuten, sagte Röttgen. Er wollte sich aber vor einer Ermittlung der Kosten in Deutschland nicht auf Summen festlegen. "Es geht um ein paar Milliarden", sagte er nur. Auch einen Stichtag für die Kostenermittlung nannte er noch nicht. Nicht erfasst werden von dem Gesetz, falls es realisiert werden sollte, die Bürokratien von Ländern, Kommunen oder Sozialversicherungsträgern. Die Kosten ergeben sich etwa durch Berichts-, Statistik- und Dokumentationspflicht von Unternehmen, aber auch von Bürgern.

Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) entstehen der deutschen Wirtschaft an jedem Arbeitstag Unkosten von 200 Millionen Euro durch die Bürokratie. Der DIHK forderte, diese bis zum Ende der Legislaturperiode um ein Viertel zu senken. Das könne bis zu 600.000 Arbeitsplätze schaffen. Der FDP geht die Initiative nicht weit genug. Vize-Fraktionschefin Birgit Homburger forderte, die Dichte an Vorschriften auch durch Befristung von Gesetzen zu lichten

Der Normenkontrollrat soll beim Kanzleramt angesiedelt werden und aus acht unabhängigen, ehrenamtlich tätigen, von der Kanzlerin im Einvernehmen mit dem übrigen Kabinett zu benennenden Personen bestehen. Während Gesetzesvorlagen vor der Verabschiedung im Kabinett abgestimmt werden, soll der Rat als "Bürokratie-TÜV" eine Stellungnahme zu den bürokratischen Auswirkungen abgeben. "Der Rat ist der notwendige Wachhund, der laut bellt, wenn das Bürokratieabbauziel nicht erreicht wird", sagte Röttgen. Darauf reagiert dann das federführende Ministerium entweder mit einer Gegenstellungnahme oder mit einer Revision der Ideen. Auch bereits bestehende Gesetze sollen auf den Prüfstand.

Röttgens SPD-Kollege Olaf Scholz führte als Beispiel ein mögliches neues Gesetz zum Kündigungsschutz an, bei dem der Rat die angeblichen bürokratischen Erfordernisse kritisch hinterfragt, nicht aber das Ziel des Kündigungsschutzes, der an sich keine Bürokratie darstelle, sondern ein Element des Arbeitnehmerschutzes.

Als Negativbeispiel nannten Röttgen und Scholz die mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe entstandenen bürokratischen Hürden. Während beide vermieden, einander die Schuld daran zuzuschieben, erklärte CSU-Geschäftsführer Hartmut Koschyk das Ergebnis mit dem Umstand, dass es im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat zu Stande gekommen sei und deshalb andere Prioritäten gesetzt worden seien.

doe/AP/dpa


http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,410145,00.h…
 
aus der Diskussion: Der wankende Staat...(oder auch: "es ist 5 vor 12...!")
Autor (Datum des Eintrages): DermitdemWolfheulte  (06.04.06 22:14:19)
Beitrag: 25 von 25 (ID:21112002)
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