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2.

Der Kellner hieß Ozzy und war ebenfalls Lehrling. Er hatte es nicht schwer, mir die Küche zu zeigen. Alle wichtigen Räume befanden sich im selben Stockwerk und waren ohne Umwege zu erreichen. Ich wusste schon, dass das keine Selbstverständlichkeit war. In manchen Lokalen musste man als Koch erst an den Gästen vorbei bis an das andere Ende des Gebäudes laufen und dann in den Keller gehen, um zum Kühl- oder Gefrierhaus zu kommen.
„Was hast du eigentlich vorher gemacht?“, fragte Ozzy.
„Ich war bei der Bundeswehr.“
„Was?“
„Fernmelder.“
„Nein, das meine ich nicht.“
„Sondern?
„Du warst bei der Bundeswehr?“
„Ich war bei der Bundeswehr“, sagte ich erneut.
„Warum?“
„Wehrpflicht.“
„Und warum hast du zuerst die Bundeswehr gemacht, statt zuerst eine Lehre zu machen?“
„Weil es hieß, dass der Wehrdienst von 15 auf 18 Monate verlängert werden sollte. Ich wollte vorher damit fertig werden und es möglichst früh hinter mich bringen.“
Vor allem hatte mein Vater mir gesagt, dass viele Frauen bei Männern auf Uniformen standen.
„Und jetzt willst du hier anfangen?“
Ich verstand die Frage nicht.
„Ist das eine Fangfrage?“
Sie hatten einen Gasherd und gußeiserne Pfannen, wie sich das gehörte. Elektroherde und beschichtete Pfannen überließ ich gern meiner Mutter.
Er dachte sichtlich nach und stellte eine neue Frage.
„Was war das gerade mit der Tochter vom Chef?“
„Nichts.“
Die Kneipe brauchte eine bessere Beleuchtung und vielleicht brauchte ich auch obendrein eine Brille. Jedenfalls würde die Kleine volljährig sein, ehe meine Lehre hier zu Ende war...
„Ich dachte, du hättest dich für sie interessiert.“
„Nein“, sagte ich, „die Töchter meiner Chefs sind für mich immer tabu.“
„Vernünftige Einstellung.“
„Und was war das mit ihrer ältern Schwester?“
„Die lebt im Ausland und kommt nur selten zu Besuch.“
„Schade“, sagte ich,
„Nein“, sagte er.
„War nur eine Vermutung.“
„Aber die Nichte vom Chef ist genau richtig.“
„Was ist in deinen Augen genau richtig?“, fragte ich.
„Groß, grazil, scharf, toller Hintern, lange Haare...“
Er machte begleitend dazu eine Reihe völlig abstruser Bewegungen, die eine große Erregung ausdrückten.
Ich beobachte ihn schweigend, falls Erste Hilfe nötig werden sollte.
„Die kommt auch öfter.“
Ich dachte kurz nach.
„Ich jetzt auch“, sagte ich.

Fortsetzung folgt
 
aus der Diskussion: Die Leiden eines Kochs
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (21.04.06 18:34:06)
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