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8.

Als ich mit Blücher, Ozzy und Ulf im kleinen Saal zu Mittag aß, stellte ich fest, dass sie sich auch vertragen konnten. Wenn keine Gäste da waren, keine erwartet wurden und die Chefin sich in den Privatgemächern erholte, waren sie plötzlich alle wie Brüder. Am meisten Spaß machte es ihnen dann, gemeinsam über die Chefin oder die Stammgäste zu lästern, wobei von diesen Personen aber nur die Chefin ein Dauerthema war. Den Kellnern fiel es leichter, Witze über sie zu machen, da sie mehr mit ihrem Mann als mit ihr selbst zu tun hatten und vor allem von Pierre lernten. Ulf hingegen musste jeden Tag mit ihr arbeiten und alles von ihr lernen. Anders als Pierre hatte die Chefin selber keinen Abschluss über das, was sie den Lehrlingen beibringen sollte. Sie besass ihren Ausbilderschein ausschließlich wegen der Tatsache, dass sie so lange Inhaberin dieses Lokals war. Die Prüfung war ihr erlassen worden. Darum fürchtete sich Ulf davor, dass er für seine Abschlussprüfung unzureichend vorbereitet war, obwohl er ständig Kochbücher wälzte. Darum fühlten sich die Kellner hier auch den Köchen überlegen.
Nach dem Essen stellte sich Blücher wieder hinter die Theke. Das Restaurant blieb nachmittags geöffnet und Gäste konnten zumindest Getränke und Kuchen bekommen.
Ozzy und Ulf hatten wie ich drei Stunden frei.
„Ulf, was machst du gleich?“, fragte Ozzy.
„Ich hole meinen Nachtschlaf nach“, sagte Ulf. „Wie immer.“
„Gehen wir heute abend nach Feierabend wieder nebenan einen saufen?“
„Natürlich. Warum fragst du? Bist du pleite? Soll ich dir was pumpen?“
„Ich bin nicht pleite, nur etwas knapp.“
„Wir können doch hier vorsaufen, ehe wir rübergehen. Ist billiger.“
„Das mache ich doch sowieso immer“, sagte Ozzy. „Bist du müde oder was!“
„Ja, ich raffe nichts mehr“, sagte Ulf. „Ich gehe in mein Zimmer. Falls Gäste kommen, während ich Pause habe, weißt du nicht, wo ich bin.“
„D‘accord“, sagte Ozzy.
Ulf verschwand aus der Küche und Ozzy baute sich vor mir auf.
„Ich wollte es vor Ulf nicht sagen, aber da ist ein weibliches Wesen, das gerne mit dir spazieren gehen möchte.“
„Wo ist sie denn?“, fragte ich.
„Sie wartet draußen auf dich. Bist du bereit für ein... Blind Date?“
Ich dachte daran, dass er, Ulf und Blücher von einer scharf aussehenden Nichte des Chefs gesprochen hatten.
„Komm, ein paar Informationen kannst du mir schon geben. Wiegt sie so viel wie die Chefin?“
Ozzy winkte ab.
„Die wiegt nur einen Bruchteil! Sie läuft gern, darum ist das so. Sie hat dunkles Haar, viel Temperament und ist wirklich animalisch.“
„Animalisch?“, fragte ich ungläubig.
„Du hast ja keine Ahnung. Sie mag es schmutzig. Am liebsten ist sie vor dir auf allen Vieren.“
Ich nickte. Das kannte ich. Damit wurde ich fertig. Ich zog mich um und ging mit Ozzy zum Hintereingang.
„Ich würde ja selber mit ihr gehen“, sagte Ozzy, „aber ich kenne sie schon zu lange.“
Wir gingen raus.
"Wenn die so ist, wie du sagst, wird die auf mich fliegen!", tönte ich selbstsicher.
Ozzy blieb plötzlich am Zwinger stehen und öffnete ihn.
Ein großes, massiges, schwarzes Tier schoß heraus und sprang mich an. Das Viech warf mich um, stellte sich über mich, trampelte mit seinen riesigen Hinterpfoten auf meinen Weichteilen herum und leckte mir mit seiner rauen Zunge sabbernd quer über das Gesicht.
Ozzy applaudierte.
„Du hast nicht zu viel versprochen!"

Fortsetzung folgt
 
aus der Diskussion: Die Leiden eines Kochs
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (27.04.06 21:24:23)
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