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12.

Als Ulf die Schränke zurechtgerückt und ich die Abzugshaube zusammengebaut hatte, kam Ozzy reingerannt.
„Wollt ihr schon Feierabend machen?“, fragte er nervös.
„Guck mal auf die Uhr!“, rief Ulf.
„Die Chefin verkauft gerade noch drei Essen!“, rief Ozzy.
„Wir haben Feierabend. Das hast du doch doch gerade selbst gesagt.“
„Habe ich das?“, fragte Ozzy.
„Ja, denk mal darüber nach, während ich dusche und in die Disco gehe.“
Ich hörte nur zu. Hier konnte ich wieder etwas lernen.
„Aber...“, begann Ozzy.
„Die Leute müssen doch wissen, dass die Küche geschlossen ist“, sagte Ulf.
„Woher sollen sie das wissen?“, fragte Ozzy.
„Das muss draußen am Eingang in dem Glaskasten mit der Speisekarte zu sehen sein.“
„Da steht aber nichts und du weißt auch den Grund.“
„Egal, ich habe vorhin durch die Tür geguckt und da habe ich nur Stammgäste gesehen. Die kennen die Zeiten!“, rief Ulf ärgerlich.
„Darum hat die Chefin auch gesagt, dass sie sich jetzt noch selbst in die Küche stellt und kocht“, erklärte Ozzy.
„Dann ist doch alles in Ordnung. Sie kocht selbst!“
„Bist du ein Pflegefall oder nur besoffen?“, fragte Ozzy. „Du glaubst, sie kocht wirklich selbst? Sie ist die Chefin!“
„Aber wir haben einen Spezial-Auftrag vom Chef.“
„Und?“, fragte Ozzy verwirrt.
„Der Chef will, dass wir in die Disco gehen!“
„Der Chef will, dass ihr kocht.“
„Nein, der Chef will...“
„Und wer soll das sein?“, fragte Ozzy.
„Der Chef?“
„Das war die Frage“, sagte Ozzy.
„Der Mann von der Chefin!“
„Schon falsch.“ Ozzy lachte. „Der Mann von der Chefin ist der Mann von der Chefin, sonst nichts. Und Chef ist die Chefin selber!“
In diesem Augenblick brach die Chefin durch die Schwingtür.
„Die Leute haben Durst!“, rief sie.
Ozzy rannte nach draußen.
Sie kam drohend auf Ulf zu. Als man bereits die ersten Anzeichen von kaltem Schweiß auf seiner Stirn sah, sprach sie endlich die erlösenden Worte: „Ein Rinderfilet, ein Rumpsteak und einmal Geschnetzeltes!“
Ulf atmete auf und eilte ins Kühlhaus.
Die Chefin stellte sich an die Eistruhe und schaufelte Eis in eine gläserne Schüssel, die ich bis dahin nur mit Bowle in Verbindung gebracht hatte. Während ich die Beilagen machte und Ulf das Fleisch briet, leerte sie schweigend den Pott und beobachtete das garende Fleisch mit zornigem Blick.
Schließlich stellte Ulf die Teller mit dem Fleisch auf den Pass und ich garnierte sie mit unserer letzten Petersilie.
Die Chefin griff sich, immer noch schweigend, die Klingel und rief damit Ozzy herbei. Dann nahm sie zwei Teller. Ozzy hielt ihr die Tür auf. Die Gäste bejubelten die Rückkehr der Chefin und bedankten sich mit lautstarker Begeisterung dafür, dass sie selbst noch nach ihrem Feierabend für ihre Lieblingsgäste gekocht hatte.
Ozzy nahm den übrigen Teller und die Schälchen mit den Beilagen und lief ihr nach. Die Leute jubelten immer noch über ihr Privileg, von der Chefin höchstpersönlich bekocht worden zu sein.
Ulf knurrte irgendetwas, schnappte sich den Küchenwein und spuckte ihn wieder aus, weil die Chefin Salz hinein gestreut hatte.
„Was hast du gesagt?“, fragte ich.
„There is no Business like Showbusiness!“

Fortsetzung folgt
 
aus der Diskussion: Die Leiden eines Kochs
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (02.05.06 18:14:31)
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