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Strategiewechsel der Telekom?

Reuters 21.10.2000:

"Wir sind der Auffassung, dass Pay-TV in der gegenwärtigen Form auf Dauer in Deutschland keine Rolle spielen wird." Dieser Satz stammt keineswegs aus dem Mund eines böswilligen Konkurrenten des Premiere-Betreibers Leo Kirch, sondern von Bertold Heil, Entertainment- und Mediaberater von PricewaterhouseCoopers. Die Zukunft des Fernsehens insgesamt - nicht nur des Bezahl-Fernsehens - sieht er skeptisch. Bald gingen die Zeiten zu Ende, in denen sich Millionen Zuschauer Abend für Abend reglos vom Bildschirm bestrahlen lassen. Denn die Marktstrategen haben eine neue Spezies zeitgemäßer Konsumenten ausgemacht. Der "aufgewertete Fernsehzuschauer", wie Heil ihn nennt, sehnt sich nach Interaktivität, will mit seiner Liebsten chatten, während "Pretty Woman" läuft, oder nach einem tollen Clip auf MTV sofort am Bildschirm die CD bestellen.

Was aber wird zur Multimedia-Maschine der Zukunft: Der PC oder der aufgewertete Fernseher? Diese Frage wird eines der heißen Themen der Münchner Medientage Anfang November. Branchen-Riese Bertelsmann (Frankfurt: 522990.F - Nachrichten) setzt auf den Fernseher. Die Bertelsmann Broadband Group (BBG) arbeitet seit Monaten an einem interaktiven Angebot, bei dem es sich aber weniger um TV, als vielmehr um eine Heimvideothek mit integrierten Chat-, Mail- und E-Commerce-Elementen handelt. Der Konsument solle "Inhalte selbst auswählen und damit von festgelegten Programmabläufen unabhängig werden", sagt BBG-Chef Werner Lauff.

Experte Heil ist der Meinung, "dass solche Selbstbestimmung des Medienkonsums einen geldwerten Vorteil darstellt". Er glaubt vor allem deshalb an die Zukunft des Bertelsmann-Projekts, weil sich dabei der Zuschauer den Hollywood-Blockbuster zeitgleich mit dessen Erscheinen als Video ins Haus holen kann. Die klassischen Pay-TV-Kunden sind dagegen nach der üblichen Verwertungsreihenfolge erst danach dran.

In Berlin startet Bertelsmann gerade zusammen mit der Telekom das neue Angebot im Pilotversuch. Voraussetzung dafür war allerdings, das Kabelnetz rückkanalfähig zu machen, also sicher zu stellen, dass nicht nur Daten empfangen, sondern auch E-Mails und Online-Bestellungen versendet werden können. Bis zum Jahresende sollen 1000 Haushalte angeschlossen sein, weitere Testmärkte sind Köln, Frankfurt, Norderstedt und Delmenhorst.

Diese Partnerschaft ist ein Novum, da die Telekom bisher mit der Konkurrenz im Boot saß, wenn es darum ging, zu neuen Ufern flimmernder Unterhaltung aufzubrechen. So machen die Kirch-Gruppe und die Telekom schon seit längerem gemeinsame Sache bei der Entwicklung der nächsten d-Box-Generation. Doch offenbar will sich die Telekom nicht mehr auf einen Partner festlegen. "Es ist immer besser, mehrere Eisen im Feuer zu haben", sagt Stephan Broszio, Konzernsprecher Technik.

Auch Kirch hält mehrere Eisen im Feuer. Die Kirch New Media AG entwickelt gerade eine Entertainment-Plattform, die zunächst PC-User mit bewegten Bildern versorgen soll. Offiziell an den Start gehen soll sie ebenso wie das Bertelsmann-Projekt im ersten Quartal 2001. Eine Konkurrenz zu Premiere World sieht man dabei bei Kirch nicht. "Die Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse", sagt Vorstandssprecher Rainer Hüther. Der PC werde anders als das Fernsehgerät genutzt. "Es ist außerdem nicht auszuschließen, dass unser Angebot später auch über die d-Box empfangen werden kann", sagt Hüther. Berater Heil geht derweil davon aus, dass Kirch ohnehin "mit Hochdruck daran arbeitet, das ganze Premiere-World-Angebot interaktiv zu machen".

( Meldungsende )

Der Druck des Bundeskart.A. zeigt Wirkung. Der Markt ist der dt. Telekom zu groß, als dass man sich strategisch zu früh ( los- )bindet.

Gruß pd
 
aus der Diskussion: Interactive TV - Markt und Wettbewerb
Autor (Datum des Eintrages): Placido-Domingo  (23.10.00 13:29:38)
Beitrag: 58 von 232 (ID:2153036)
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