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Gewaltiges Aufkommen

In Brandenburg ist die Zahl rechtsextremistischer Taten besonders hoch – nicht nur für Ausländer kann es dort gefährlich werden

Die Äußerung von Ex-Regierungssprecher Heye,Teile Brandenburgs seien für Ausländer lebensgefährlich, wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Wie viel rechtsextreme Gewalt gibt es im Osten tatsächlich?

Von Frank Jansen

Es sind oft nur ein, zwei Sätze, die vom Alltag des Schreckens künden. „05.05. 2006, Potsdam: Ein 26-jähriger Student aus Tansania wurde am späten Abend am Hauptbahnhof rassistisch beschimpft und beleidigt“. Es folgt ein langer Gedankenstrich und ein weiteres Datum. „26.04. 2006, Schwedt: Ein 15-jähriger Punk, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Arbeit ist Scheiße“ trug, wurde von drei Rechten zusammengeschlagen und schwer verletzt.“ Am selben Tag trat außerdem in Hennigsdorf ein Mann einem Punk ins Gesicht. Für den [/B]22. April ist eine Hetzjagd von Neonazis auf Linke in Cottbus eingetragen, ein Opfer erlitt einen Nasenbeinbruch.[/B] Am 19. April wurden in Oranienburg die Scheiben eines Asia-Imbisses eingeworfen. Am 18. April hat ein Rechtsextremist in Neuruppin einen Asylbewerber aus dem Tschad beschimpft, angespuckt und bedroht. Unter dem Datum [/B]16. April ist die einzige Straftat vermerkt, die aus der Serie überregional wahrgenommen wurde: An diesem Tag wurde der Deutschäthiopier Ermyas M. Potsdam schwer verletzt.[/B]

So geht es in der Chronik auf der Homepage des Brandenburger Vereins Opferperspektive immer weiter. Seit Jahresbeginn wurden 35 Attacken registriert, bei denen die Täter sicher oder vermutlich rechts motiviert waren. Genannt werden Orte quer durch das ganze Land Brandenburg. In 14 Fällen richteten sich die Angriffe gegen Migranten. Die seit Jahren geführte Chronik des Vereins, der sich um Opfer rechter Gewalt kümmert und dafür mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet wurde, scheint dem heftig kritisierten Uwe-Karsten Heye Recht zu geben. „Ich glaube, es gibt kleinere und mittlere Städte in Brandenburg und auch anderswo, wo ich keinem raten würde, der eine andere Hautfarbe hat, hinzugehen“, sagte Heye am Mittwoch dem Deutschlandradio. Der Asylbewerber aus dem Tschad, den ein Rassist in Neuruppin angespuckt und bedroht hat, würde Heye vermutlich zustimmen. Und der Student aus Tansania, der im Potsdamer Bahnhof mit rassistischen Sprüchen beleidigt wurde. Aus der Sicht der unzähligen Opfer des rechten Straßenterrors in Brandenburg seit der Wiedervereinigung – Migranten, Linke, Punks, Obdachlose, Homosexuelle und viele andere – ist Heye nicht zu widersprechen.

Das zeigt auch ein Blick in die Statistiken des Bundeskriminalamts. Regelmäßig steht Brandenburg in den Schautafeln zur rechtsextremen Gewalt in der Bundesrepublik weit oben. Das Risiko, von rechten Schlägern attackiert zu werden, ist in Brandenburg und den anderen vier neuen Ländern im Schnitt drei- bis viermal so hoch wie in Westdeutschland. Dazu passt, dass die DVU bereits zum zweiten Mal in den Potsdamer Landtag einziehen konnte. Und knapp ein Drittel der Brandenburger sind ausländerfeindlich eingestellt, wie eine Studie der Berliner Professoren Oskar Niedermayer und Richard Stöss vor einem Jahr ergab. In Berlin waren es 20 Prozent. Allerdings sieht die Polizei auch einen klaren Unterschied zwischen den östlichen und den westlichen Vierteln. In der Osthälfte werden Jahr für Jahr deutlich mehr rechte Straftaten registriert.

Heye hat in dem Interview seine Warnung vor Brandenburg „und anderswo“ noch mit dem Zusatz verschärft, Menschen anderer Hautfarbe würden möglicherweise kleine und mittlere Städte „lebend nicht wieder verlassen“. Ein Vergleich mit der Auflistung von Todesopfern rechter Gewalt, die Tagesspiegel und „Frankfurter Rundschau“ zwischen 2000 und 2003 erstellten, lässt Heyes Äußerung nicht völlig unberechtigt erscheinen. Von den 99 Opfern, die beide Zeitungen seit der Wiedervereinigung bundesweit zählten, hatten 20 in Brandenburg ihr Leben verloren. Das ist angesichts der geringen Bevölkerung des Landes ein enorm hoher Anteil.

„Und anderswo“ hat Heye formuliert. Wie Rassismus auch jenseits von Brandenburg gärt, lässt sich einer kleinen, bislang kaum beachteten Mitteilung entnehmen, die das Antidiskriminierungsbüro Leipzig vor kurzem herausgegeben hat. Nach zahlreichen Beschwerden von Migranten, ihnen werde in Leipzig der Eintritt in Diskotheken und anderen Tanzclubs verweigert, zogen Mitarbeiter des Büros mit einem Syrer und einem Palästinenser los. Sie gingen zu zwei Diskos, einem Studentenclub und einem Hip-Hop-Club. Eine der Diskotheken wirbt mit einem schwarzen Star-DJ. Doch weder hier noch in einem der anderen drei Lokale in der Innenstadt wurden die Araber eingelassen. Meist ohne Kommentar, die Türsteher sagten dann nur: „Ihr nicht“. In Leipzig finden Spiele der Fußballweltmeisterschaft statt. In Brandenburg nicht. Hätte Heye statt Brandenburg Sachsen erwähnt, wäre dort die Empörung vermutlich kaum weniger heftig.
http://www.tagesspiegel.de/fragen-des-tages/archiv/19.05.200…
 
aus der Diskussion: Der Linksextremismus ist die größte Gefahr für Deutschland.
Autor (Datum des Eintrages): StellaLuna  (18.05.06 21:28:01)
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