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[posting]21627987[/posting]23.

Als ich mit dem Rad spazieren fuhr, sah ich plötzlich jemanden winken. Ich fand nie heraus, wer es genau war, aber als ich anhielt, erkannte ich Dajana und Justine in einem Imbiss sitzen. Ich stieg vom Rad, schloss es ab und ging hinein.
„Hallo“, sagte ich.
„Du erzählst doch keinem davon, dass wir hierhin gehen, um zu essen?“, fragte Dajana.
„Hallo“, sagte Justine.
„Hallo“, sagte ich und setzte mich.
„Du erzählst doch keinem...“, begann Dajana.
„Ich habe das schon ein paar Leuten erzählt“, sagte Justine.
„Dass wir hier essen?“, fragte Dajana.
„Dass das hier eine tolle Döner-Bude ist“, antwortete Justine.
„Und dass wir hier tatsächlich essen?“
„Woher sollten wir das sonst wissen?“
„Ist das Tsatsiki?“, fragte ich?
„Ich liebe Tsatsiki“, sagte Dajana. „Ich bestelle oft einfach Brot mit Tsatsiki.“
„Ist Tsatsiki nicht griechisch?“, fragte ich.
„Und?“, fragte Dajana.
„Und Döner ist türkisch“, sagte ich.
„Ihr verkauft doch auch Wiener Schnitzel“, sagte Justine. „Obwohl wir Deutsche und keine Österreicher sind.“
Dajana deutete zur Theke. Hinter der Theke standen drei Männer, die arbeiteten und gute Laune hatten.
„Essen von glücklichen Köchen“, sagte Dajana.
„Was?“, fragte ich.
„Meine Mutter isst nur Eier von glücklichen Hühnern“, sagte Justine.
Ich schaute auf meine Armbanduhr.
„Ich muss wieder zur Arbeit.“
„Nein“, sagte Dajana. „Das weiß ich genau. Aber ich muss jetzt nach Hause. Deinetwegen.“
„Was?“, fragte ich.
„Es ist schwierig, mit dir ein interessantes Gespräch zu führen“, sagte Justine.
„Was?“, fragte ich.
„Du bist so einsilbig“, sagte Dajana.
„Wir stellst du dir eigentlich deine Zukunft vor?“, fragte Justine.
„In Kanada“, fügte Dajana hinzu.
„Natürlich“, sagte Justine.
„Mal gucken“, sagte ich. „Vielleicht kann ich mich zum Küchenchef eines guten Hotels hocharbeiten. Manche Hotelketten haben sogar Küchen-Direktoren, die ihre diversen Hotels besuchen und die Arbeit der Küchenchefs inspizieren. Oder ich nehme einen Job in einer Kantine an und arbeite am Wochenende für meinen eigenen Party-Service.“
„Bis du dein eigenes kleines Hotel hast?“, fragte Dajana.
„Wie Blücher?“, fragte Justine.
„Was?“, fragte ich.
Mit Frauen Konversation zu machen, war so anstrengend.
„Schon wieder“, sagte Dajana.
„Ja“, sagte Justine.
„Wenn ich genug Geld verdient habe, will ich an der Börse spekulieren“, sagte ich.
„Börse? Wenn du an der Börse spekulieren willst, warum bist du dann nicht Bankkaufmann geworden?“, fragte Justine.
„Wenn ich an der Börse spekuliere, dann zu meinem eigenen Nutzen und nach meinen eigenen Ideen. Ich will nicht bloß Anweisungen befolgen oder Trends hinterher laufen. Ich will selber reich werden. Und ich glaube an antizyklisches Handeln.“
„Antizyklisch?“, fragte Justine. „Kannst du das erklären?“
„Antizyklisch heißt, dass man nicht der Menge folgt und nicht das kauft, was die Mehrheit gerade für richtig hält. Die Mehrheit hat nämlich meistens Unrecht. Das ist eine alte Börsenregel.“
„Hat das noch irgendetwas mit dem Beruf eines Kochs zu tun?“, fügte Dajana hinzu.
„Das hat alles damit zu tun“, sagte ich. „Als Koch zu arbeiten, ist ein gutes Beispiel für antizyklisches Handeln. Man arbeitetet, wenn die anderen Freizeit haben und hat Freizeit, wenn die anderen arbeiten. Man steht auf dem Weg zur Arbeit nicht im Stau und beim Einkaufen im Supermarkt nicht in der Schlange.“
„Du denkst seltsam“, sagte Dajana.
„Blücher hat immer davon geträumt, Chef eines kleinen Hotels zu sein“, sagte Justine.
„Süß, oder?“, sagte Dajana
„Und...“, begann Justine.
„... er ist mit Abstand unser bester Lehrling“, sagte Dajana.
„Auszubildender“, verbesserte Justine.
„Ich muss jetzt weg“, sagte Dajana.
Sie stand auf und ging fort.
Ich sah ihr nach.
„Sie hat schon bezahlt“, sagte Justine.
„Wieso redet ihr über Blücher?“, fragte ich.
„Ich treffe mich heute abend mit ihm“, sagte Justine.

Fortsetzung folgt
 
aus der Diskussion: Die Leiden eines Kochs
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (22.05.06 17:21:15)
Beitrag: 28 von 74 (ID:21742560)
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