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Aus der Jungen Welt von morgen ....

Hier steht der Zweifel an der Version Sayans zwischen den Zeilen, aber deutlich genug gesetz.

Fall Sayan: Noch kein Hinweis

Erste Befragung des in Berlin zusammengeschlagenen Linkspartei-Politikers durch den Staatsschutz. Unbehagen bei Parteifreunden
Peter Wolter

Im Fall des am Freitag abend von Unbekannten zusammengeschlagenen Linkspartei-Politikers Giyasettin Sayan hatte die Berliner Polizei auch am Montag noch keine konkreten Hinweise auf den oder die Täter. Ein Polizeisprecher sagte, bislang hätten sich noch keine Tatzeugen gemeldet. Sayan war am Nachmittag etwa anderthalb Stunden lang vom Staatsschutz zu dem Überfall vernommen worden.

Der 56 Jahre alte migrationspolitische Sprecher der Linksfraktion.PDS im Berliner Abgeordnetenhaus war mit einer Gehirnerschütterung und Prellungen in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert worden. Er gab an, in seinem Wahlkreis im Bezirk Lichtenberg von zwei rechten Schlägern mit den Worten überfallen worden zu sein: »Scheiß Türke, wir kriegen dich.« Sie hätten ihn mit einer Flasche schwer verletzt.

Sayan wurde erst am Montag vom Staatsschutz zum Tathergang befragt, da ihn die Ärzte zunächst für vernehmungsunfähig erklärt hatten. Allerdings hatte er sich am Wochenende schon gegenüber dem Fernsehsender rbb und der Tageszeitung Neues Deutschland zum Tathergang geäußert.

Bei der Befragung seien Sayan auch Fotos möglicher Tatverdächtiger vorgelegt worden, sagte ein Polizeisprecher zur jW. Welche Ergebnisse das Gespräch hatte, wurde zunächst nicht bekannt. Polizeipräsident Dieter Glietsch hat für Hinweise, die zur Ergreifung des oder der Täter führen, eine Belohnung von bis zu 3000 Euro ausgesetzt.

Der gebürtige Kurde Sayan lebt seit 30 Jahren in Deutschland und hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Von 1982 bis 1995 war er Mitglied der Grünen und wechselte dann zur PDS. In Berlin-Lichtenberg war er zwei Mal direkt in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt worden.

In Kreisen der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus herrschte am Montag ein gewisses Unbehagen über den Fall. »So mancher ist bei uns mißtrauisch geworden«, sagte ein Linkspartei-Politiker, der es vorzog, anonym zu bleiben. »Wer ihn gut kennt, dem ist es bei der Nachricht über den Überfall etwas mulmig geworden.«

Wie die jW erfuhr, sollte Sayan für die anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus nicht wieder für einen Direktwahlkreis aufgestellt werden. »Es hängt mit der Qualität seiner bisherigen Arbeit und unserem mangelnden Vertrauen zu ihm zusammen, daß er nicht wieder nominiert werden sollte«, sagte der Linkspartei-Vertreter. Die für vergangenes Wochenende angesetzte Nominierung sei nach Bekanntwerden des Überfalls erst einmal abgesetzt worden. Aufgrund der Einladefristen könne die verschobene Sitzung frühestens in drei Wochen stattfinden – Sayan habe dann also eine neue Chance.

Erst kürzlich hatte Sayan in einem jW-Interview zu migrationspolitischen Fragen Stellung genommen. Anschließend gab es Beschwerden aus der Linkspartei.PDS bei der jW-Redak­tion, er habe politische Vorgänge falsch wiedergegeben. Es sei offensichtlich, daß er »mit Gewalt« wiedergewählt werden wolle, hieß es.

Der Überfall auf Sayan hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Mehrere westdeutsche Politiker, wie die Innenminister von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Uwe Schünemann (CDU) und Ralf Stegner (SPD), hatten der Polizei in Ostdeutschland am Wochenende unterstellt, nicht entschlossen genug gegen Rechtsextreme vorzugehen. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) betonte am Montag, das Rassismusproblem in Deutschland dürfe nicht verschwiegen werden, »nur weil wir eine Fußballweltmeisterschaft haben«. Er warf der Polizei Defizite im Vorgehen gegen rechte Gewalttäter vor.
 
aus der Diskussion: Türkischstämmiger Links-Partei-Politiker angeblich Opfer eines fremdenfeindlichen Überfalls.
Autor (Datum des Eintrages): Zaroff  (22.05.06 23:47:57)
Beitrag: 54 von 92 (ID:21748680)
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