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25.

Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf und ging noch vor der Arbeit mit dem Hund raus. Am Nachmittag hatte ich schließlich schon eine andere Begegnung auf dem Programm. Als ich zurückkehrte und Meggie zum Zwinger brachte, standen Ulf und Blücher im Hinterausgang und grinsten. Ehe sie mich ins Haus ließen, blockierten sie den Eingang und stellten mir die unvermeidliche Frage:
„Auf den Hund gekommen?“
Es war Ulf, der es zuerst sagte. Damit hatte ich gerechnet. Er war immer etwas schneller als Blücher.
„Auf den Hund gekommen?“, fragte schließlich auch Blücher.
Bei ihm klang die Frage nur anders, weil er eine andere Stimme hatte. Er lachte so sehr, dass er kaum noch gerade stehen konnte. Dann wiederholte er sich selbst, wobei er möglicherweise versuchte, die Betonung zu variieren. Für mich klang es eigentlich jedesmal gleich, aber er fand es jedesmal erneut total witzig und sein Lachen klang wirklich jedesmal etwas anders.
Das war übrigens typisch für ihn.
Wenn er etwas gefunden hatte, womit er einen nerven konnte, ritt er immer und immer wieder darauf herum. Man konnte das dann nur beenden, indem man ihm drohte. Wenn man zu wenig drohte, lachte er nur noch mehr, aber wenn man es schaffte, dass er es nicht mehr witzig fand, rannte er sofort zur Chefin und jammerte, sie würde ihn dazu zwingen, mit unberechenbaren Psychopathen aus den Slums des Neandertal zu arbeiten.
Zum Glück war Ulf dabei.
„Lass ihn jetzt rein“, sagte Ulf und schubste Blücher weg. „Wir haben Arbeit und ich will nicht alles alleine machen müssen!“
„Du schlägst mich?“, schrie Blücher. „Ich hole gleich meine Brüder! Oder ich sage es meinem Vater und er marschiert hier ein!“
„Der hat Brüder?“, fragte ich.
„Ja, aber die sind alle okay“, sagte Ulf. „Er ist der einzige Spinner.“
„Und meine große Schwester hole ich auch!“, rief Blücher. „Die verklagt euch!“
„Tut die nicht“, sagte Ulf. „Du bist der einzige Spinner bei euch.“
„Blöde Köche!“, rief Blücher und verschwand aus meinem Blickfeld.
Die Vorstellung, dass er, Blücher, bei Justine landen könnte und demnächst ihr Freund wäre, wurde für mich immer unerträglicher. Jemand wie er hatte keine solche Frau verdient, auch wenn er selbst sich zweifellos hier für den Chef und das Alpha-Tier und den großen Überflieger und für alles mögliche andere hielt.
„Was ist?“, fragte Ulf.
„Was soll sein?“
„Du machst ein komisches Gesicht. Vielleicht ist es doch besser, dich heute nicht in die Küche zu lassen.“
„Wie war es gestern in der Schule?“, fragte ich.
„Warum grinst du so pervers?“, fragte er.
„Ich habe heute nachmittag eine Verabredung mit Justine“, antwortete ich.
„Alles klar“, sagte er und machte Platz. „Dann solltest du jetzt wirklich sofort mit der Arbeit anfangen, denn sonst schaffst du das nicht.“
Er ging zum Herd. Ich schloß die Tür hinter mir und folgte ihm.
„Was?“, fragte ich.
„Der Chef hat kurzfristig noch eine Feier für heute abend angenommen und wir müssen heute nachmittag noch eben ein kaltes Büffett fertig machen...“
„Nein!“, rief ich.
„Doch“, sagte er. „Blücher hat sich damit erneut bei der Chefin beliebt gemacht, denn das sind Bekannte von ihm, denen er diese Kneipe empfohlen hat.“
„Das ist eine absolute Katastrophe“, sagte ich. „Wie soll ich mich dann mit Justine treffen?“
„Es könnte schlimmer sein“, sagte Ulf mit einem leichten Grinsen.
„Noch schlimmer?“, fragte ich. „Wie könnte es noch schlimmer sein, dass ich ausgerechnet heute keine Pause habe?“
„Wenigstens warst du schon mit Meggie weg“, sagte er.
Dann lief er ins Kühlhaus und schloß die Tür hinter sich.
Ich hörte ihn trotzdem lachen.
Ich öffnete im Vorbeigehen die kleine Tür in Augenhöhe, wo sich die Regale mit dem Aufschnitt befanden, rief „Depp!“ herein und ging mich dann umziehen.
Wenn wir uns beeilten, konnte ich es vielleicht doch noch schaffen!

Fortsetzung folgt
 
aus der Diskussion: Die Leiden eines Kochs
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (28.05.06 12:36:41)
Beitrag: 31 von 74 (ID:21845111)
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