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Das Wort zum Montag (etwas alt, aber trotzdem):



Interessanter Artikel.........

Frick Förtsch Pennystockraketen etc

Aus FTD vom 13.2.2006

Lockangebot
von Claus Hecking, Hamburg, und Markus Zydra, Bielefeld
In Boomzeiten schrieben sie mit Kaufempfehlungen Aktien in die Höhe.
Bis der Crash kam und die Anlageexperten abtauchten. Jetzt ködern die
Gurus von einst wieder mit heißen Tipps - und finden massenhaft Gehör.
Als Markus Frick die Stimme hebt, zücken seine Jünger erwartungsvoll
die Stifte. " Bei ONA steht ein Indonesien-Deal an, die Aktie wird
weiter steigen" , ruft der Investmentberater in den rappelvollen Saal
des Bielefelder Tagungszentrums Bethel. Unter den Besuchern macht sich
ein erfreutes " Mmmh" breit. Der Wert des kleinen kanadischen Öl- und
Gas-Explorationsunternehm ens hat sich in den vergangenen drei Monaten
bereits fast verzehnfacht. Plötzlich ruft einer aus dem Publikum, er
habe mit ONA " schon 150 Prozent gemacht" . Frick stürmt vom
Rednerpult herunter, eilt auf den Aktionär zu und bietet ihm die Hand
zum Einschlagen: Gimme five - Gewinner unter sich.

Stolze 86 Euro Eintritt kostet das fünfstündige " Markus Frick
Finanzseminar" , doch die Besucher stehen Schlange, um den Meister zu
hören. Es ist, als wäre es wieder 1999. Als hätte es Börsencrash und
Katzenjammer nicht gegeben. Die Kurse von Aktiengesellschaften, deren
Namen nur Branchenkennern bekannt ist, explodieren binnen Tagen -
nachdem eine Handvoll selbst ernannter Experten die Firmen in
Börsenbriefen und auf Investoren-Websites hochgejubelt haben. " Bei
einigen Werten ist das jetzt teilweise schon wie beim Neuen Markt. Die
Zocker, die Freaks sind alle wieder da" , triumphiert
Börsenbrief-Schreiber Egbert Prior, der einst der Mobilcom-Aktie zum
Höhenflug verhalf und sich jetzt wieder einer großen Fangemeinde erfreut.

Frick und Prior sind Hauptakteure in der Neuauflage des großen
Börsenspiels, das vor allem mit Kleinstwerten im so genannten
Freiverkehr gespielt wird. Die Umsätze in diesem Marktsegment waren im
Januar dreimal so hoch wie vor Jahresfrist. Andere Bekannte mischen
ebenfalls wieder mit, etwa der frühere " Aktionär" -Vizechefredakteur
Sascha Opel, oder Kurt Ochner, ehemaliger Fondsmanager, der einst als
" Pate des Neuen Marktes" tituliert wurde.


Weltweit größter Zockermarkt

Sie alle schrieben zu den Hochzeiten der deutschen Technologieblase
die Kurse nach oben. Nach dem Crash verschwanden sie in der
Versenkung, jetzt sind sie zurück: Ob im " Sat.1-Frühstücksfernsehen "
, oder bei " Der Aktionär TV" auf N24 - überall tauchen die Ratgeber
auf. " Die Kleinanleger suchen sich wieder Gurus" , sagt
Börsenprofessor Wolfgang Gerke von der Uni Erlangen. " Sie wollen
jemanden, der ihnen zeigt, wo es lang geht, nach der Devise ,Mach mich
schnell reich!`" Und so haben die Gurus wieder Macht über den Markt.

Mit jeder Erfolgsstory, die die Profit-Propheten verbreiten, wächst
die Gier ihrer Jünger. " Es gibt keinen größeren Zockermarkt auf der
Welt als Deutschland" , sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Markus Frick berichtet
seinen Anhängern in Bielefeld, er verdiene jetzt an einem Tag mehr als
während seiner zehn Jahre als badischer Bäckermeister. " Das können
Sie auch schaffen - wenn Sie mir zuhören" , ruft der 33-Jährige den
650 Zuhörern zu. " Auch die Aktie von Globex Mining ist noch nicht
genug gestiegen" , verkündet er dann. Dabei ist das Papier des
winzigen kanadischen Rohstoff-Explorers binnen 90 Tagen um 300 Prozent
hochgeschossen. Tom, ein Mittdreißiger im Publikum, hört zu und nickt:
" Über Globex Mining habe ich in der Zeitschrift ,Der Aktionär`
gelesen. Da wusste ich: Diese Aktie muss ich haben."


Also kaufen die Anleger - und jagen den Kurs tatsächlich in die Höhe:
Als Frick in seiner " E-Mail-Hotline" (das Jahresabo kostet 890 Euro)
am 2. Februar das Papier des winzigen kanadischen
Explorations-Unternehmens NFX Gold empfahl, schnellte dessen Kurs
binnen 45 Minuten von 0,63 Euro auf 1,08 Euro. Mehr als 12 Millionen
NFX-Aktien wurden an diesem Tag am Frankfurter Freiverkehr umgesetzt.
Im gesamten Jahr 2005 waren es gerade einmal 198.000 Stück.

Solange die Rendite stimmt, machen sich die wenigsten Aktionäre
Gedanken über Ungereimtheiten bei diesen Kurssprüngen. So explodierten
die Umsätze der NFX-Aktie bereits kurz vor Fricks Tipp: Zwischen dem
18. Januar und dem 1. Februar wechselte in Frankfurt an jedem Tag eine
sechsstellige Zahl von NFX-Papieren den Besitzer, zu Preisen zwischen
0,29 und 0,62 Euro. Die ungewöhnliche Belebung zwang die Firmenspitze
in Toronto sogar dazu, gleich zwei Erklärungen abzugeben: Man habe
keine Hinweise auf veränderte Geschäftsaussichten und könne sich die
drastischen Kursbewegungen nicht erklären.


Substanz spielt keine Rolle

Wie viel Substanz hinter einem Unternehmen steckt, spielt heute wie
damals kaum eine Rolle. Nur so ist zu erklären, wieso etwa die
hessische Nanotechnologie-Firma Neosino, die im ersten Halbjahr 2005
keine 350.000 Euro Umsatz machte, an der Börse bereits mehr als 200
Mio. Euro wert ist. Frick, Ochner und Prior sind von dem Papier der
Firma begeistert, in deren Aufsichtsrat der frühere " Focus"
-Redakteur Marian von Korff sitzt. Prior selbst bekennt zwar: " Das
ist die abenteuerlichste Geschichte, die ich je gehört habe. " Die
Aktie hat er nach eigenen Angaben trotzdem gekauft.

Schließlich habe Neosino-Vorstandschef Edmund Krix schon einmal "
einen Riesenerfolg gehabt mit Teleplan" . Tatsächlich gelang es Krix,
das Unternehmen zu Europas zeitweise größtem Reparaturkonzern für
Computermonitore und Drucker aufzubauen. Doch als der Gründer 2000 bei
Teleplan ausstieg, brach der Kurs der Aktie ein: 1,2 Mrd. Euro
Anlegerkapital wurden vernichtet.

So klingen die Botschaften der Investment-Berater wie Hohn: " Halten
Sie den Löffel auf, wenn es Brei regnet!" , ruft Prior auf seiner
Website auf. Und listet darunter seine " besten Empfehlungen der
letzten Wochen" auf: " Electronics line 3000: plus 277 Prozent,
Colonia Real Estate: plus 250 Prozent, VEM Aktienbank: plus 235 Prozent."

Die Preissprünge gereichen den Protagonisten nicht zum Nachteil: Der
Kurs von Kurt Ochners neuer Beteiligungsgesellschaft KST hat sich dank
eines ähnlich strukturierten Portfolios in einem Jahr fast
vervierfacht. " Das System funktioniert wie eine selbst erfüllende
Prophezeiung" , sagt DSW-Sprecher Kurz. " Bei Unternehmen mit geringer
Marktkapitalisierung reicht die durch eine Empfehlung ausgelöste
Nachfrage aus, den Kurs hochzutreiben. Man muss nur genügend Gläubige
finden." Zwar könne mit Nebenwerten noch viel Geld verdienen, sofern
man nur rechtzeitig aussteige. Dies aber werde vielen Anlegern nicht
gelingen. " Es ist wie ein Schneeballsystem" , sagt Gerke: " Man muss
den Nächsten davon überzeugen, dass er noch einen findet, der ihm noch
mehr Geld gibt."


Anleger haben nichts gelernt

Der Effekt wird verstärkt, weil sich die Gurus untereinander
empfehlen: " Die Zeitschrift ,Der Aktionär` ist Pflichtlektüre" ,
wirbt Frick in Bielefeld, " und auch den Börsenbrief
,Pennystockraketen` empfehle ich. Der hat starke Kontakte und ist sehr
kompetent." Kleinaktionär Tom hat die " Pennystockraketen" bereits
abonniert - für 390 Euro pro Jahr. " Das Geld habe ich gleich wieder
drin" , hofft er. Herausgeber des Informationsdiensts ist Sascha Opel,
ein weiterer Meinungsmacher von früher, den das Stuttgarter
Landgericht Anfang 2005 wegen Marktmanipulation zu einer
Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilte. Opel hatte gestanden,
für sich und andere Investoren Aktien gekauft und später mit Gewinn
veräußert zu haben - nachdem er zwischenzeitlich deren Kurse durch
Empfehlungen hochgetrieben hatte. Nach seinem Abschied beim "
Aktionär" zog sich Opel vorübergehend aus der Anlegerszene zurück und
verlegte ein Sexmagazin.

Dass die Anleger aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre gelernt
haben, bezweifelt Börsenprofessor Gerke: " Mein Eindruck ist, dass der
Nebenwerteboom benutzt wird, um das schnelle Geld zu verdienen."
Aktionärsschützer Kurz denkt ähnlich: " Früher haben sich fünf, sechs
Leute gegenseitig Aktien verkauft und so den Kurs hoch gezogen. Ich
kann mir gut vorstellen, dass es heute wieder so ist".
 
aus der Diskussion: bspw. NFX Kursziel ,15 ...oder warum ich so dumm bin
Autor (Datum des Eintrages): boomer2006  (05.06.06 09:45:07)
Beitrag: 18 von 38 (ID:21946441)
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