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[posting]21987782[/posting]" target="_blank" rel="nofollow ugc noopener">"Im Prinzip hat China ein Nullwachstum"
von Astrid Maier

Wüstenbildung, Luftverschmutzung, verpestete Gewässer, Überschwemmungen, Wasserknappheit – es gibt kaum eine Form der Umweltzerstörung, unter der China im Zuge seiner wirtschaftlichen Erfolgsstory nicht leidet. Experten rechnen vor: Die Kosten fressen den China-Boom langsam auf.


Wer kann, sollte Peking im Frühling meiden. Wenn anderswo die ersten Blüten sprießen, verwandelt sich die Millionenmetropole in einen schaurigen Moloch. Die Sonne verschwindet hinter einem milchigtrüben Nebel, Nordwinde tragen den Sand der Wüste Gobi in die Stadt. Die Pekinger verlassen ihre Wohnungen in diesen Tagen nur für die nötigsten Besorgungen, wer dennoch raus muss, hat in Sekundenschnelle Sand in Ohren, Haar, Mund, Augen. Die feinen Körner dringen selbst durch Fenster- und Türritzen in die Wohnungen, legen sich auf Möbel und Kleider. Nachts kann man den Sand riechen.

Für Ortsfremde mag der Pekinger Frühling ein apokalyptisch anmutendes Szenario sein, die Einheimischen haben sich daran gewöhnt. Die Winde, die als Folge der zunehmenden Abholzung und damit verbundenen Wüstenbildung über Peking hinwegfegen, bringen von Jahr zu Jahr immer mehr Sand mit. Und die Wüste frisst sich unaufhaltsam ihren Weg weiter in Richtung Landesinnere: Jährlich verschwindet ein Prozent der Gesamtfläche Chinas unter dem Sand, 40 Prozent des Landes sind von Bodenerosion und Verwüstung bedroht.

Zeitpunkt für ein chinesisches Umwelt-Weißbuch kein Zufall

Wüstenbildung, Luftverschmutzung, verpestete Gewässer, Überschwemmungen, Wasserknappheit - es gibt kaum eine Form der Umweltzerstörung, unter der das riesige Land in Folge seines wirtschaftlichen Aufschwungs nicht leidet. "Die anhaltende Verschlechterung der schwachen Ökologie des Landes ist nicht unter Kontrolle", sagte jüngst gar Zhu Guangyao, Vizeminister der staatlichen Umweltbehörde Sepa, bei der Vorstellung des ersten offiziellen Umweltberichtes der Regierung seit 10 Jahren.

Es ist kein Zufall, dass Peking gerade jetzt dem Thema Umwelt ein Weißbuch widmet: Die Kosten der Umweltzerstörung werden zu einer immer weniger kontrollierbaren Bedrohung für das Wirtschaftswachstum. "Ressourcenknappheit und mangelnde Umweltstandards werden zu kritischen Problemen, die Chinas Entwicklung behindern", heißt es sogar explizit in dem Umweltbericht, der ansonsten in gewohnt propagandistischer Form das bereits Erreichte lobt.

"Die Umweltzerstörung frisst die Wirtschaft", sagt Elizabeth Economy, Asienexpertin am New Yorker Council on Foreign Relations. Laut Weltbank verschlingen die Kosten der Umweltschäden rund 12 Prozent des Bruttoinlandproduktes, gemäß dem offiziellen chinesischen Umweltbericht sind es 200 Mrd. $ pro Jahr. Das sind zehn Prozent des BIP. "Im Prinzip hat China damit ein Nullwachstum", sagt Edgar Endrukaitis, Programmdirektor der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Peking.

Laut Weltbank liegen 16 der 20 Städte mit der weltweit schlechtesten Luft in China, rund 250.000 Menschen sterben jährlich an der Luftverschmutzung, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Mit die größten Dreckschleudern sind die veralteten Kohlekraftwerke, die für den Großteil der Energieproduktion in China sorgen. Bis zu 80 Prozent der Gewässer sind in China durch Chemikalien, die die meist staatlichen Industriebetriebe hineinpumpen, vergiftet. Ganze Dörfer siechen an Krebs erkrankt vor sich hin - für die Dorfbevölkerung sind natürliche Gewässer die einzigen Wasserquellen.

Massive Gesundheitskrise befürchtet

"Das gängige Argument, dass Entwicklungsländer erst verschmutzen und dann reinigen können, gilt für China nicht", sagt Andy Xie, Analyst bei Morgan Stanley. "Diese Devise könnte eine massive Gesundheitskrise nach sich ziehen", so Xie weiter. Auch Björn Alpermann vom Ostasiatischen Institut der Universität Köln geht das Engagement der chinesischen Machthaber nicht weit genug. "Die Regierung in Peking bringt lokale Regierungen immer noch nicht dazu, die bestehenden und sinnvollen Gesetze auch umzusetzen", sagt der Chinawissenschaftler.

Analyst Xie sieht es ähnlich: "Die Lokalregierungen treiben Chinas Entwicklung voran und werden lediglich angeregt, das BIP zu maximieren." Statt dessen sollte China von seinem BIP etwa Kosten der Umweltzerstörung oder etwa durch tödliche Arbeitsunfälle - ein anderes in China grassierendes Problem - verursachte Schäden abziehen, um die bereinigte Wirtschaftsleistung zu berechnen. Käme China dem nach, so die Schätzungen von Morgan Stanley, schrumpfte das chinesische BIP um 10 bis 15 Prozent.

Tatsächlich bemüht sich Peking bereits, eine um Umweltschäden bereinigte chinesische Wirtschaftsleistung zu berechnen: Seit einiger Zeit arbeiten Sepa und das Statistikamt an der Erstellung eines "grünen BIP". Das Projekt hängt nun aber aufgrund seiner schieren Undurchführbarkeit in den Seilen. Peking ist hier nicht ernsthaft ein Vorwurf zu machen: Selbst große Industrienationen sind in der Vergangenheit an dem Projekt "grüner BIP" gescheitert.


In der Provinz Fujian fischt eine Frau tote Fische aus einem von
Umweltgiften verschmutzen Teich

Deutsche Unternehmen können profitieren

Die grassierenden Umweltprobleme führen auch zu ernsthaften sozialen Spannungen. Immer wieder schlägt die Polizei etwa Demonstrationen von aufgebrachten Bauern, die durch Umweltzerstörung um ihre Lebensgrundlage gebracht wurden, und die gegen die lokalen Kader protestieren wollen, brutal nieder. "China muss von einer quantitativen auf eine qualitative Entwicklung umschwenken. Unternehmen, die die Technologie hierfür liefern können, werden gedeihen", sagt Xie. GTZ-Fachmann Endrukaitis sieht beim Thema Technologie-Import vor allem Deutschland sehr gut aufgestellt: "Dem Koloss, der aus den Fugen gerät, können deutsche Unternehmen mit deutscher Technologie helfen."

...:eek:
China-Experte Alpermann ist skeptischer. "Auf lange Sicht gesehen wird China vor unlösbaren gesamtwirtschaftlichen Problemen stehen", sagt er. Die chinesische Bevölkerung selbst kümmert der Umweltschutz persönlich jedenfalls noch wenig. Den Wasserhahn schneller zudrehen, die Klimaanlage runterdrehen, das Auto mal stehenlassen - das alles kommt für die Pekinger, deren Stadt sowohl in Abgasen erstickt, als auch kurz vor dem Verdursten steht, nicht in Frage. Bis auch ein persönliches Verantwortungsgefühl für die Umwelt in China entstehe, bis "dahin ist es noch ein langer Weg", sagt Endrukaitis.


http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/81420.html
 
aus der Diskussion: In 80 Wochen rund um die Welt im China Express \"ÖLEVIA\" race
Autor (Datum des Eintrages): teecee1  (09.06.06 08:42:27)
Beitrag: 25 von 53 (ID:22019840)
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