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Führungslose Internet-Blase
Techno ist nicht gleich Techno. Wie selektiv und
schwierig sich derzeit die Situation an den Wachs-tumsmärkten
darstellt, soll auch im Rahmen der
"Aktie der Woche" verdeutlicht werden. Nachdem
letzte Woche mit Articon eine hervorragend ge-führte
und im Branchenvergleich unterbewer-tete
Neuer Markt-Gesellschaft analysiert worden
ist, soll heute mit T-Online (24,20 _ , WPK-Nr.
555770) ein führungsloses und im Branchen-vergleich
noch immer kraß überbewertetes
Unternehmen durchleuchtet werden.
Die "Story" von T-Online ist hinlänglich bekannt.
Die Gesellschaft ist größter Internet-Service-Provider
(ISP) in Europa mit einer Kundenbasis
von zuletzt veröffentlichten 6 Mio. Trotz einiger
Auslandsakquisitionen liegt dabei der Schwer-punkt
noch immer eindeutig auf Deutschland.
Global ist T-Online nach der weltweit wesentlich
besseren ausgerichteten AOL die Nr. 2.
Die Wachstumsraten im Internet-Markt sind be-kanntermaßen
sehr hoch. Den hohen Kunden-wachstumszahlen
steht allerdings ein äußerst
schmerzlicher Preisverfall gegenüber. Ein Blick
in den Emissionsprospekt vom Frühjahr zeigt,
daß beispielsweise 1998 und 1999 die Anzahl der
T-Online-Zugangsteilnehmer um 42,1% bzw.
55,6% gewachsen ist. Multipliziert mit den durch-schnittlichen
monatlichen Online-Minuten pro
Zugangsteilnehmer, lagen die entsprechenden
Wachstumsraten sogar bei 70,8% bzw. 113,9%.
Tatsächlich erwirtschaftete T-Online in 1998 und
1999 jedoch lediglich Umsatzzuwächse von
30,8% bzw. 58,3%. Dieses Zahlenbeispiel ver-leiht
ein Gefühl für den extremen Margendruck.
Hinzu kommt, daß die T-Online-Umsätze 1999
durch Telefon-Verbindungsentgelte künstlich
aufgebläht worden sind. Es handelt sich hierbei
um einen nicht erfolgswirksamen (keine Gewinn-auswirkungen)
Durchlaufposten in Höhe von 90
Mio. _ , der in voller Höhe an die Deutsche Tele-kom
weiterverrechnet wird. Bereinigt um diesen
erstmals auftauchenden Posten, lag 1999 das
Umsatzwachstum sogar nur bei 25,1% und
damit also nur bei einem guten Fünftel der
erwähnten, anhand der Zugangsteilnehmer und
durchschnittlichen Online-Minuten je Zugangs-teilnehmer
theoretisch möglichen Wachstums-rate
von 113,9%. Kein Wunder, daß T-Online im
"Kleingedruckten" des Emissionsprospekts von
einem Einbruch bis zu 75% beim Nutzungsentgelt
je Minute in den letzten 2 Jahren spricht.
Zuletzt berichtete die T-Online zwar von einem
hohen Umsatzwachstum im 1. Halbjahr 2000
(95,9%), es fällt jedoch schwer, diese Zahlen
richtig zu interpretieren bzw. sie ins Verhältnis
zum Vorjahr zu setzen. Die Intransparenz bei T-Online
fängt bei der eigenen, extrem investoren-
T-Online weiter absturz-gefährdet;
keine Füh-rung,
schlechtes Ge-schäftsmodell,
Kurs
maßlos überteuert
- 4 -unfreundlichen
Homepage an und hört bei der
Vergleichbarkeit der Zahlen auf.
Bei Wachstumsgesellschaften der New Econo-my
stehen immer wieder die Geschäftsmodelle
im Mittelpunkt. Wie wenig solche über 5 Jahre
ausgedehnte Modelle wert sind, zeigte kürzlich
beispielsweise Plasma Select. Die Gesellschaft
hatte nach fast 10 Monaten des laufenden Jahres
die Umsatzprojektionen für 2000 fast um die Hälfte
zurückgenommen.
Auch bei T-Online fragt man sich, auf welch unsi-cheres
Fahrwasser die Gesellschaft zusteuert.
Noch immer werden die Umsätze fast aus-schließlich
aus Zugangsentgelten geschöpft.
T-Online stellt im letzten Zwischenbericht zwar
stolz eine Wachstumsrate bei Werbung/E-Com-merce-
Umsätzen von 2.523% heraus. Zum einen
ist jedoch die Ausgangsbasis hierfür sehr tief,
zum anderen stammen fast die Hälfte des Volu-mens
(15,3 Mio. _ ) aus Umsätzen mit der Deut-schen
Telekom. Bereinigt man dies, so tragen
die Zugangsentgelte noch immer 92% zum Ge-samtumsatz
bei. Nachdem durch die Flat Rate
(monatlicher Fixkostensatz für unbegrenzte Nut-zung)
schon für extremen Preisdruck sorgt, dürfte
der gnadenlose Wettbewerb im Internet-Markt bald
zu Gratiszugängen in das Internet führen. Ein-nahmen
werden dann hauptsächlich durch E-Commerce
und Werbung generiert, wo T-Online
auf bereinigter Basis zuletzt nur 5% Umsatzanteil
hatte.
Aufgrund ihres fast ausschließlichen Commodity-Charakters
bei den Umsätzen hätte T-Online
eigentlich einen beträchtlichen Abschlag im Hin-blick
auf die Umsatzbewertung verdient. Tat-sächlich
ist der Titel jedoch im Branchenvergleich
auch unter Zugrundelegung anderer Bewertungs-kriterien
teilweise extrem überbewertet (siehe
Tabelle).
Hinzu kommt das ständige Stühlerücken in der
Führungsetage. Bis heute gibt es keinen neuen
Vorstandsvorsitzenden. Auch jüngste Gerüch-
te, nach denen T-Online Führungskräfte über
eine unerlaubte eigene Veranstaltungsagentur mit
T-Online einen Tennissponsoring-Vertrag in
Höhe von 60 Mio. DM geschlossen haben sol-len,
passen gut in das skandalumwitterte Umfeld
einiger Gesellschaften am Neuen Markt. Fazit:
Fundamental nahezu völlig fehlenden Chancen
steht ein sehr hohes Risikopotential bei T-Online
gegenüber. Kursziel zunächst 5 _ (ent-spricht
Buchwert, siehe auch Kursfünftelung bei
Pacific Century CyberWorks oder 99% Zusam-menbruch
beim Telekommunikations- und Inter-net-
Titel Hikari Tsushin in Japan. Negativ auch die
kürzlich ausgelaufene Lockup-Periode -17.10.).


Wenn eine Aktie zum 6 fachen des fairen Preises emittiert wird, kann man davon ausgehen, daß langfristig der Kurs nur noch ständig
fallen kann. Die Telekom, die selbst 90% an T-Online hält, wird jeden Kursanstieg dazu benutzen, um T-Online Aktien auf den Markt zu werfen.
Die aktuelle Überbewertung, der potentielle Verkaufsdruck (90% des Freefloat) und ein katastrohales, raffsüchtiges Management lassen
für die weitere Zukunft der T-Online Aktie nichts Gutes zu erarten.

Euer Seuchenvogel
 
aus der Diskussion: T-Online agressiv verkaufen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Autor (Datum des Eintrages): Seuchenvogel  (28.10.00 15:46:34)
Beitrag: 33 von 59 (ID:2203633)
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