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[posting]22174620[/posting]38.

„Du kannst deine Arbeitsjacke gleich wieder ausziehen“, sagte die Chefin.
Neben ihr stand Heinz, der neue Lehrling, von dem sie seit seinem Vorstellungsgespräch regelrecht schwärmte. Er hatte nach der Hauptschule eine Hauswirtschaftsschule besucht. Heinz war jünger als ich, einschlägig vorgebildet und besaß eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem sehr populären Tennisspieler, dem damaligen Nationalhelden Nummer eins.
Außer ihm gab es noch einen neuen Azubi namens Ludger, der jetzt Restaurantfachmann werden wollte und mir bei jeder Gelegenheit erneut genüßlich erzählte, dass er mir vor einem halben Jahr die Lehrstelle als Koch in einem kleinen Hotel weggeschnappt hatte. Die Tatsache, dass er sich dort bereits nach drei Wochen krankgemeldet und nach fünf Monaten, gerade wieder arbeitsfähig geworden, sofort gekündigt hatte, tat seinem Selbstbewusstsein mir gegenüber keinen Abbruch. An diesem Morgen hatte ich ihn noch nicht gesehen. Vielleicht stand er wieder in einer Ecke mit Ozzy oder Ute alias Dajana oder Justine oder sonstwem und brüstete sich mit seinem Sieg über mich.
„Fahr nach Hause“, sagte sie.
„Wie bitte?“, fragte ich.
Es war ein Sonntagmorgen.
Ich war pünktlich.
„Heute ist nicht viel zu tun“, sagte sie. „Das schaffe ich auch allein. Außerdem hilft mir schon Heinz!“
„Ich verstehe nicht.“
„Du hast Urlaub!“, sagte sie mit breitem Grinsen.
Anscheinend mochte sie solche Überraschungen. Sie hatte mir auch exakt am letzten Tag meiner dreimonatigen Probezeit plötzlich einen Urlaub verpasst, so dass viele Leute gedacht hatten, meine Lehre sei vorzeitig beendet.
„Wie lange?“, fragte ich.
„Eine Woche. Oder zwei. Das weiß ich natürlich noch nicht.“
„Aha.“
Wenn ich nicht wusste, was ich zu ihr sagen sollte, tat ich einfach so, als wenn ich alles ganz normal fand.
„Ich rufe dich an, wenn ich dich zurückkommen kannst.“
Heinz stand schweigend dabei und beobachtete mich mit fragendem Blick
„Alles klar. Frohes Schaffen“, sagte ich.
Wenige Minuten später war ich umgezogen und auf dem Heimweg.
Es wurde ein interessanter Urlaub.
Ich sah Melanie wieder.
Und Heike.
Melanie war meine erste Liebe gewesen.
Heike auch.

Fortsetzung folgt
 
aus der Diskussion: Die Leiden eines Kochs
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (30.06.06 00:23:03)
Beitrag: 51 von 74 (ID:22353250)
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