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[posting]22443402[/posting]mouse_potato:

1. eine Tagestemperatur an einem Ort ist Wetter. Wetter ist variabel. Jegliche Zuordnung eine Wettererscheinung auf spezifische Einflüsse ist so sinnvoll wie die Frage danach, welche Zigarette nun einen Lungenkrebs ausgelöst haben mag oder ob vielleicht stattdessen Asbest aus Bremsbelagabrieb oder ein Rußpartikel vom Nachbarschaftsgrillen oder einfach ein Erbfehler dafür zuständig waren.

2. Die Annahme ist falsch, daß ich jede Meinung akzeptieren würde, die von einem Konsens getragen wird. Ich akzeptiere aber einen wissenschaftlichen Konsens. Der repräsentiert das beste zur gegebenen Zeit verfügbare Wissen. Gegenbeweis: versuche eine besser fundierte Meinung zu vertreten als das, worüber sich die auf einem Fachgebiet arbeitenden, vorgebildeten Menschen einig werden können.

3. In der Wissenschaft werden nur ganz ausnahmsweise neue Erkenntnisse dadurch gewonnen, daß jemand aus dem Konsens ausschert. Beispiele dafür findet man nur in der Vergangenheit, das bekannteste ist die Kontinentalverschiebungstheorie, und da lag es auch daran, daß man erst im Laufe der Debatte über die Theorie überhaupt die Verfahren entwickelte, Kontinentalverschiebungen bzw. Plattentektonik nachzuweisen. Während die Außenseiteraussage sich durchsetzt, zeichnet sich aber auch die Entwicklung des neuen Konsenses ab. Und wenn man wirklich das Bild verwenden will, dann zeigt sich: in den vergangenen Jahren entwickelte sich zunehmend die Methodik, um Klimawandel auf Ursachen zurückzuführen und belastbare Prognosen zu machen. In dieser ganzen Zeit verdichtet sich zunehmend die Erkenntnis, daß der Klimawandel bereits eine menschenerzeugte Signatur in sich trägt. Die Entwicklung ist also nicht, daß mal ein Konsens bestand, daß Menschen eine globale Erwärmung herbeiführen, und junge Wissenschaftler finden nun heraus, daß das alte Bild faul ist und bohren mehr und mehr Löcher hinein, sondern umgekehrt kommen wir von einem Zustand, in dem der Konsens war, daß ein Klimawandel vielleicht möglich ist, aber vorerst nicht nachweisbar und in seinem Ausmaß unklar und nun verdichtet sich mehr und mehr, daß der Klimawandel auch schon in seinem menscheninduzierten Anteil stattfindet und nachweisbar ist.

4. Ich habe eine Reihe von Behauptungen widerlegt, die hier vorgebracht werden. Ich habe zusätzlich auf den wissenschaftlichen Konsens hingewiesen und rate zu, sich auf den Seiten der www.wmo.ch zu informieren. Allerdings braucht man ein Mindestmaß an Sachkenntnis, um überhaupt Argumente in so einer Debatte überhaupt als solche zu erkennen. Das Verständnis des Klimas setzt Grundkenntnisse der Physik, der Chemie, der Geologie, der Geophysik und der Meteorologie voraus. Es ist eine Illusion zu glauben, man könnte sich eine eigene Meinung bildet, wenn man nur Zeitung liest. Menschen, die sich selbst keine Meinung bilden können, bleibt gar nichts anderes übrig, als den wissenschaftlichen Konsens als gegenwärtig gültige Wahrheit anzunehmen, was denn sonst? Genau deshalb kann ich dann ja nur darauf verweisen. Eine eingehende Modellkritik wäre ja der Diskussion hier gar nicht angemessen.

5. Ich bin der Frage danach "wie gross denn nun der "anthropogene" Einfluss auf das Klima ist" immer ausgewichen, weil die Frage nicht sinnvoll gestellt ist. Anthropogener Einfluß auf was: auf die globale Mitteltemperatur am Boden? Auf eine wie auch immer gewichtetes Mittel aller Wettererscheinungen? Auf die vom All aus meßbare Rückstrahltemperatur? Und für welchen Zeitraum? Für einen bestimmten Zeitpunkt ist diese Frage automatisch sinnlos, dann reden wir von Wetter, siehe Nr. 1. Die Frage suggeriert eine Exaktheit, die es aufgrund der Eigenschaften eines Klimas niemals geben kann. Klima ist eine Mittelung über Wettererscheinungen eines gewissen Zeitraumes und Gebietes. Für den Beobachter enthält es immer stochastische Elemente (auf deutsch: zufälllige Anteile), daher sind Fragen nach exakten Prozentanteilen von irgendwas nicht sinnvoll. Je nach Fragestellung erhält man Antworten wie: ein anthropogener Einfluß auf die Zeitreihe der Bodentemperatur für das Erfassungsgebiet ist signifikant auf dem 95%-Niveau. Ich denke, über den Punkt waren wir 2001 schon hinweg, müßte aber jetzt erst mal suchen, bis ich finde, wo das publiziert wurde. Vorerst würde mir reichen, wenn man feststellt, daß der anthropogene Einfluß mittlerweile signifikant ist, weil wir dann wissen, daß er bereits die Mitteltemperatur am Boden im Bereich von einigen Zehntelgrad geändert hat. Wenn wir uns nämlich über die Trägheit des Systems klar sind, dann wissen wir auch, daß allein der Strahlungsantrieb des bereits vorhanden CO2 (und anderer IR-aktiver Gase) die globale Erwärmung weiter treiben muß, durchaus in den Bereich über 1 Grad, der in geänderten Witterungen schon spürbar wäre. Nun reden wir aber zusätzlich über einen weiteren Anstieg der IR-aktiven Gase. Der beschleunigt natürlich die Klimaänderungen. Alleine die Feststellung, daß die vorhandenen klimatologischen Zeitreihen bereits eine menschliche Signatur tragen, die signifikant ist, führt bereits zur Schlußfolgerung, daß eine Steigerung der globalen Mitteltemperatur im Laufe des Jahrhunderts im Bereich von 2 und mehr Grad plausibel ist. Der tatsächliche Verlauf kann nur probabilistisch angegeben werden, weil die Modellunsicherheit eingeht, die Modellgüte (Berücksichtigung von Rückkopplungsthermen, Auflösung usw.) und die Prognose der zukünftigen Emissionen der IR-aktiven Gase. Man entscheidet sich bei einer bestimmten Vorhersage ja immer für ein bestimmtes Szenario. Daher die Spannweiten in den Publikationen. Die angegebenen Spannen unterzeichnen das Problem zwangsläufig, weil durch die Trägheit des Systems Erde die Klimaänderungen zum Jahr 2100 nicht aufhören, sondern sich weiter verstärken, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht ist, das kann mehrere Jahrhunderte dauern, und auch nur, wenn 2100 tatsächlich kein weiterer Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen erfolgt. Über dieses Problem wird ja meistens gar nicht gesprochen. Der Trost ist hier allenfalls, daß das erst für unsere Enkel ein Problem ist, sollen die sich dann mit dem Run-off Treibhaus auseinandersetzen und der Möglichkeit, daß die Erde durch Rückkopplung auf den Zustand der Venus zuläuft - eher unwahrscheinlich, aber ausschließen kann man es zur Zeit nicht. Die verfügbaren Reserven an förderbarer Kohle, Ölschiefer usw. reichen durchaus, um die vorindustrielle Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre zu verzehnfachen. Den Fall hat noch niemand mit Modellen durchgerechnet.
 
aus der Diskussion: Globale Erwärmung durch Treibhauseffekt - nur ein Mythos der Linken?
Autor (Datum des Eintrages): for4zim  (07.07.06 09:42:25)
Beitrag: 79 von 57,978 (ID:22445343)
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