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Mit CaptainFutures würde ich gar nicht erst diskutieren. Er geht nicht auf Argumente ein, die ihm nicht in den Kram passen. Er ist auch nicht auf einen einzigen Punkt in #81 mit eigenen Worten eingegangen. Ich habe ihn dazu aufgefordert, doch mal nachzuweisen, daß es je einen wissenschaftlichen Konsens über eine bevorstehende Eiszeit gegeben hätte. Er hat dies nicht getan. Weil es nicht geht.

Es gibt da allenfalls eine Trivialität, aber selbst die kam nicht: auf geologische Zeiträume bezogen befinden wir uns in einem Interglazial. Eine neue Eiszeit ist immer Teil des natürlichen Klimaregimes, in dem wir uns befinden. (Und zu meiner Belustigung würde es sicher beitragen, wenn CaptainFutures nun darauf anspringt, und menschengemachte Klimaveränderungen als Maßnahme gegen die nächste Eiszeit preisen würde - völlig blind dafür, daß er allem widersprechen würde, was er dazu gerade geschrieben hatte und auch ignorant darüber, über welche Zeitskalen wir reden, wenn wir über die Bedeutung dessen sprechen, daß wir uns in einer Zwischeneiszeit befinden.)

Was diese ganze Diskussion absurd macht: hier wird über sehr komplexe Fragen gesprochen. Man muß verstehen, was überhaupt naturwissenschaftliches Arbeiten ist. Man muß verstehen, wie die gekoppelten Modelle funktionieren, die mittlerweise eingesetzt werden. Man muß, und das ist nicht einfach, ein Gefühl dafür haben, was noch relevant ist bei den gewaltigen Fortschritten, die das Feld gerade macht. Modellergebnisse, die vor wenigen Jahren errechnet wurden, sind bereits überholt. Inzwischen kommen bereits 1000-Jahres-Läufe mit gekoppelten Ozean-Land-Atmosphären-Modellen heraus, das war vor 5 Jahren noch undenkbar. Man muß verstehen, welche Bedeutung eigentlich die Temperaturzeitreihen haben.

Ein Beispiel da ist die Debatte um den Hockeyschläger: diese Kurve von Mann et al. mit der großen Konstanz vor dem Anstieg im 20. Jahrhundert hat nur für die Klimawandelleugner eine große Bedeutung, weil nämlich diese Kurve eine extreme Einzelmeinung darstellt. Deshalb verweise ich auf seriöse Kritik von Storch et al von der GKSS Geesthacht - Manns Kurve ist angreifbar. Der Konsens aber darüber, daß man Proxydaten grundsätzlich verwerten kann, und daß man Einigkeit über den Temperaturgang der letzten Jahrhunderte erzielen kann, ist davon gar nicht betroffen. Teil des Konsens ist, daß wir zur Zeit einen Temperaturgang erleben, der konsistent mit unserem Verständnis der physikalischen Abläufe dahinter ist. Wir können den Sonnenfleckenzyklus wiederfinden, wir finden einen Erwärmungstrend durch den Anstieg von CO2 in der Atmosphäre wieder, wir finden auch den gegenläufigen Effekt von anthropogenem Aerosol wieder, und sogar einzelne Rückschläge der Kurve durch Vulkanausbrüche (zB Pinatubo) können nachgezeichnet werden. Dies geschieht zum einen durch Modelle (am MPI Hamburg, an der Harvard University, am GFDL Princeton, bei der NCAR in Boulder), zum anderen durch statistische Verfahren (Regressionsmodelle bzw neuronale Netze - hier wird zB an der Uni Frankfurt wesentliche Arbeit gemacht). Es gibt gerade eine Zusammenfassung der Auswertung von Proxydaten, um den Temperaturgang der letzten 2000 Jahre zu verstehen, die viele Wissenschaftler in den USA im Auftrag des National Research Council (vergleichbar vielleicht mit der deutschen DFG) gemacht haben. Diese Arbeit bestätigt in weiten Teilen, was bereits bekannt war: daß der gegenwärtige Temperaturanstieg in den letzten 2000 Jahren singulär war. Nur die konkrete Benennung von Temperaturrekorden, die in Manns ersten Papern gemacht wurde, die wurde als spekulativ gekennzeichnet. Und es ist dieser Punkt, weil es sonst ja nichts gibt, an dem sich dann die Klimawandelleugner anhängen, in der richtigen Annahme, daß das breite Publikum nicht in der Lage ist, den wissenschaftlichen Konsens zu den Temperaturdaten, die akzeptierte Interpretation dazu und die pointierte Interpretation dazu von Mann et al. auseinanderzuhalten. Der Schluß von Kritik an der Mann-Kurve auf den gesamten wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel ist so sinnvoll, wie von der Tatsache, daß Mendel seine Daten zu dem Vererbungsgang von Erbsen gefälscht hatte darauf zu schließen, daß die gesamte Genetik Quatsch sei - das ist nämlich, was uns hier einige politisch aktive Klimawandelgegner einzureden versuchen.
 
aus der Diskussion: Globale Erwärmung durch Treibhauseffekt - nur ein Mythos der Linken?
Autor (Datum des Eintrages): for4zim  (12.07.06 09:21:18)
Beitrag: 115 von 57,961 (ID:22536831)
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