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@rudi,

ich bin immer optimistisch, habe auch keine andere Chance.

Aber hier endlich mal was produktives dass meinen Optimismus nährt.



Gruss

phoenix

Finance, November 2000

Börsennotiertes Risikokapital

Internet-Holding oder Venture Capitalist: Welches Modell taugt für die Börse?
Als die Beteiligungsgesellschaft InternetMediaHouse AG den Gang an den Neuen Markt wagte, ahnte sie nicht, wie schwer dem Kapitalmarkt Verluste ohne Umsatz zu verkaufen sind – auch wenn mittelfristig glänzende Gewinne winken. IMH zog die Konsequenz und richtete die Geschäftsstrategie neu aus: Aus der
Internet-Holding wird ein VC. Der Vorstand des Unternehmens erläutert, welche Geschäftsmodelle sich aus seiner Sicht für eine Börsennotierung eignen.

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Die am Neuen Markt gelistete InternetMediaHouse (IMH) galt bislang als so genannte Internet-Holding. Seit kurzem hat sie den Schwenk zu einer Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft vollzogen. Damit ist IMH jetzt de facto ebenso eine börsennotierte Venture-Capital-Gesellschaft wie Knorr Capital Partner, TFG Venture Capital oder bmp. Andere – zum Teil viel größere VC-Gesellschaften wie APAX und Wellington sind nicht börsennotiert. Daneben findet man immer mehr so genannte Inkubatoren: „Brutzellen“ für junge Unternehmen (vorwiegend aus dem Internetbereich).

Allen Beteiligungsgesellschaften gemeinsam ist, dass sie jungen Unternehmen aus der „New Economy“ Kapital zur Verfügung stellen und im Gegenzug Anteile an diesen Firmen erhalten. Doch wie unterscheidet sich das Geschäftsmodell der Internet-Holding von dem der Venture-Capital-Gesellschaft? Und welches dieser Modelle gehört an die Börse oder vielleicht überhaupt nicht dorthin?

Zu den genannten Formen gesellt sich zunehmend ein neuer Typus von Beteiligungsunternehmen: Ableger von Großunternehmen – ursprünglich aus dem Medien- und Technologiesektor, zunehmend auch aus anderen Bereichen wie Beauty und Lifestyle – wollen mit dem Einstieg in das Beteiligungsgeschäft zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den strategischen Einstieg in interessante Bereiche der „New Economy“ und die eher taktische Hoffnung auf ein rasantes Wertsteigerungspotenzial ihrer Beteiligungsunit. Auch für diese neuen Gesellschaften stellt sich die Frage: Was bin ich – Holding oder VC? Und wenn ich an die Börse will, was sollte ich dann sein?

Holding und VC messen Erfolg unterschiedlich. Eine Holding will möglichst alle Umsätze der Tochtergesellschaften in ihre Bilanz integrieren. Dahinter steht das Ziel, mit dem Umsatzwachstum ihrer Beteiligungen selbst auch zu wachsen und durch die Konsolidierung von positiven Ergebnisbeiträgen der Tochtergesellschaften schließlich profitabel zu werden.Der Anlagehorizont einer Holding in Reinform ist also ausschließlich langfristig: ein kurzfristiger Verkauf von Firmenanteilen (auch nach Börsengängen der Tochtergesellschaften) ist nicht vorgesehen, da er den Einfluss der Mutter auf die Töchter vermindert und ihre Konsolidierungsfähigkeit gefährdet. Die Rentabilität der Holding hängt allein von den Töchtern ab: Da die Holding selbst nur Kosten, aber keine Umsätze produziert, kann nur durch die kumulierte Profitabilität der Töchter Gewinn erwirtschaftet werden.

Auch eine VC-Gesellschaft investiert – wie eine Holding – in Unternehmen, von denen sie sich eine Wertsteigerung durch ihre Kapitalzufuhr erhofft. Im Gegensatz zu einer Holding möchte ein VC diese Wertsteigerung aber in einem überschaubaren Zeithorizont durch den gewinnbringenden Verkauf von Anteilen – den Exit – realisieren. Der Erfolg eines VC wird durch den Internal Rate of Return (IRR) gemessen (dieser Wert gibt an, um wie viel sich das eingesetzte Kapital jährlich im Mittel vermehrt hätte, würden alle Portfolio-Unternehmen zum Zeitwert verwertet).

Umsatz und Ergebnis eines Unternehmens sind für einen VC nur insofern maßgebend, als sie Parameter für den Zeitwert der Beteiligung sein können. Der Exit erfolgt oft nach einem Börsengang, kann aber auch durch einen Trade Sale an einen strategischen Partner erfolgen.

Unterschiedliche Messgrößen des Erfolges führen zu unterschiedlichen Beteiligungsrichtlinien: Holdings streben möglichst viele Mehrheitsbeteiligungen an, damit deren Umsatz in die Holdingbilanz konsolidiert werden kann. VCs entscheiden über die Beteiligungshöhe eher vom Standpunkt der Risikodiversifizierung und Wertschöpfungsoptimierung – bilanztechnische Aspekte spielen nur bei börsennotierten VCs eine Rolle; Minderheitsbeteiligungen sind die Regel.

You can’t eat the cake and keep it
Die unterschiedlichen Ansätze machen eins deutlich: Ein Unternehmen muss sich bei der Beteiligungshöhe klar positionieren – ein bisschen Holding und ein bisschen VC kann nicht funktionieren. Generell ist es allerdings sinnvoll, Elemente beider Ansätze zu verschmelzen. So sollten die (Minderheits-)Beteiligungen nachhaltig vernetzt werden. Ohnehin sind Holding und VC unter anderen Aspekten extreme Ausprägungen auf einem kontinuierlichen Spektrum und miteinander verflochten.

Bei Internet-fokussierten Beteiligungsunternehmen kommt Kooperationen und Netzwerken aus folgenden Gründen eine größere Bedeutung als in der Old Economy zu:

höhere Markt- und Wettbewerbsdynamik,
niedrigere Markeintrittsbarrieren,
kurzlebige Technologien,
oft noch offene und unerprobte Businessmodelle.

Für VCs bedeutet das eine stärker operative Ausrichtung: Die Controllingkomponente muss verstärkt und das ständige Gespräch mit der Führung der Beteiligungen über eine mögliche Anpassung des Geschäftsmodells gesucht werden. Internetholdings dagegen müssen verwertungsgetriebener denken: Exitmöglichkeiten – zumindest durch die Integration in eine Business Unit des Mutterhauses – sind von vornherein mit in Betracht zu ziehen.

Mit CMGI und IMH haben sich in jüngster Zeit zwei Unternehmen deutlich positioniert – wenn auch völlig unterschiedlich. CMGI trennt schon seit einiger Zeit die Mehrheitsbeteiligungen seiner Holding klar von den Minderheitsbeteiligungen seiner VC-Fonds. Kürzlich ging CMGI aber einen wesentlichen Schritt weiter: Das Unternehmen konzentriert sich auf fünf operative Geschäftsfelder und fasst Beteiligungen zusammen. Die zukünftig engere Führung durch die Zentrale macht aus der Holding fast einen Konzern. Ziel ist es, den Breakeven schneller zu erreichen und nicht zuletzt die Trendwende in der Kursentwicklung einzuleiten.

Den umgekehrten Weg – nämlich in Richtung einer eindeutigen Positionierung als VC – geht IMH: Konsolidierungsfähige Beteiligungen werden konsequent auf ihr Wertsteigerungs- und Verwertungspotenzial durchleuchtet – auch durch Fusionen: der Anteil von 13,5 Prozent, den IMH heute an Europas führendem – aus dsf.de, ran-online und dem alten Sport1 entstandenen – Sportinternetdienst Sport1 hält, ist werthaltiger als die zuvor an dsf.de gehaltenen 49 Prozent. Nach einem ähnlichen Modell wird in Kürze die Blue Orbit AG ihren Wertbeitrag für IMH deutlich steigern, auch wenn der neue Beteiligungssatz dann unter der Konsolidierungsgrenze liegt. Außerdem hat die IMH in eine Reihe von Minderheitsbeteiligungen investiert, bei denen vorhandenes Technologie-Know-how für die Unternehmen der IMH-Gruppe strategisch genutzt werden kann und dadurch einen überproportionalen Wertbeitrag leistet.

Holdings brauchen kritische Masse für Börsenreife
Die Berichterstattungsanforderungen der Börse – insbesondere des Neuen Marktes – sind zunächst einmal eher mit Holdings vereinbar, da die für Holdings relevanten Erfolgskennzahlen Umsatz und EBIT auch die von der Börsenöffentlichkeit akzeptierten Mess-größen sind. Über beide Zahlen muss quartalsweise berichtet werden.

Allerdings stehen Internet-Holdings vor einem großen Problem: Das Portfolio besteht oft ausschließlich aus jungen Beteiligungen. Dadurch kann man in der Anfangsphase kaum Ergebnisse produzieren, die den Erwartungen der Börse entsprechen. Denn bei InternetBeteiligungen fallen oft operative Vorlaufverluste an, die zum Teil die Umsätze überschreiten. Wird gleichzeitig aggressiv in junge Ventures investiert, laufen hohe Verluste bei der Holding auf, die einem Anleger nicht mehr „verkauft“ werden können.

Manch ein Unternehmen sieht den Ausweg in der Verwässerung des Geschäftsmodells: Zur Verbesserung der Ergebnissituation werden Teile der Beteiligungen verkauft. Damit läuft man allerdings Gefahr, die operative Kontrolle über seine Beteiligungsunternehmen und damit die Konsolidierungsfähigkeit zu verlieren – aus der Holding wird unfreiwillig ein VC.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, Quersubventionierungen durch das Mutterhaus oder andere Unternehmensbereiche vorzunehmen. Das große Problem: Die für den langfristigen Unternehmenserfolg unerlässliche transparente Geschäftssteuerung wird äußerst schwierig.

Nur zwei Pfade sind für eine Holding wirklich konsequent: Man geht sehr umsichtig vor und geht nur solche neuen Beteiligungen ein, die Aussicht auf einen schnellen Breakeven versprechen. Für dieses Ziel nutzt man alle Synergien innerhalb des bestehenden Beteiligungsnetzwerkes. Damit sind allerdings die Wachstumsmöglichkeiten begrenzt und die Börsenfähigkeit eventuell gefährdet.
Wenn das Portfolio bereits ausreichend groß ist, konsolidiert man die bestehenden Beteiligungen, um möglichst schnell den Breakeven zu erreichen. Man wird wie CMGI zum Konzern. Diese Möglichkeit bleibt jungen Holdings ohne kritische Masse in Teilbereichen des Internets allerdings verwehrt.

Grundsätzlich gilt: Junge Internet-Holdings sind nur bedingt börsenfähig. Bereits vor dem Gang an die Börse muss die kritische Masse erreicht werden, wenn das Geschäftsmodell nach dem Börsengang beibehalten werden soll.

VCs mit fungiblen Anteilen sind ideal für die Börse.
Bei einem VC ergibt sich durch die Börsennotierung zunächst ein Widerspruch. Auch der VC muss die Kennzahlen Umsatz und EBIT quartalsweise berichten. Auf der anderen Seite bilden Umsatz und EBIT nur den Exitbereich ab: Ein reiner VC, dessen Anteil an Beteiligungen 20 Prozent nicht überschreitet, hat keine Umsätze außer den Beteiligungserlösen, die EBITs sind die Differenz aus Verkaufs- und Einkaufspreis der veräußerten Beteiligungen – die nicht verwerteten Wertsteigerungen werden nicht abgebildet.

Zur Rettung des Quartalsergebnisses, und damit des eigenen Aktienkurses, könnte ein börsennotierter VC also geneigt sein, „Tafelsilber“ verkaufen. Er könnte Anteile zu früh verwerten und die damit mögliche interne Wertschöpfung vernichten. Auf Dauer gibt es für einen börsennotierten VC nur eine Lösung: Er muss eine Mindestzahl ebenfalls börsennotierter Unternehmen in seinem Portfolio halten, um ständig „verwertbare“ Anteile im Köcher zu haben.

Der stabile Businesserfolg (auf Quartalsbasis) hängt also direkt von der Fähigkeit des VCs ab, kontinuierlich weitere Beteiligungsunternehmen direkt oder indirekt (durch Trade Sales an börsennotierte Unternehmen) an die Börse zu führen. Dann kann der VC nämlich durch gezielte Verkäufe von Aktien der Beteiligungsunternehmen seine Quartalsergebnisse nach Belieben steuern. Damit ist er der Idealtypus eines börsennotierten Unternehmens: Planzahlen können mit hoher Sicherheit eingehalten werden.
 
aus der Diskussion: IMH - ein neuer Anfang und wir sind noch immer dabei
Autor (Datum des Eintrages): phoenix  (03.11.00 17:49:25)
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