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Börsengigant Cisco bläst starker Wind entgegen

Am Montag kurz nach 22 Uhr schlägt für den einstigen
Anlegerliebling Cisco die Stunde der Wahrheit. Auch wir
Kleinanleger warten gespannt auf die Quartalszahlen.
Wenn der Ausblick auf die kommenden Quartale Skepsis erkennen
lässt, droht der Aktie ein Absturz. Siehe die übertriebene Reaktion bei Nortel.
Cisco glänzt zwar beim Umsatz und Gewinn, doch Analysten sorgen sich um
Wachstumsgrenzen.

Jahrelang kannte der Kurs der Cisco-Aktie nur einen Weg:
nach oben. In einem schwachen Börsenumfeld
stagnierte der Titel, bei guter Stimmung schoss er hoch. Doch
seit einigen Wochen beklagen die erfolgsverwöhnten Anleger
starke Verluste – und das ausgerechnet in einer Phase, in der
Cisco als heißer Kandidat für eine Aufnahme in den
Dow-Jones-Index gehandelt wird.

Die Misere begann nicht mit schlechteren Zahlen, denn
fundamental stimmt bei dem amerikanischen
Musterunternehmen alles. In den elf vergangenen Quartalen
stiegen Umsatz und Gewinn kontinuierlich, meist im hohen
zweistelligen Prozentbereich.

Schuld an der Kursschwäche ist das Umdenken vieler Anleger.
Der Tenor lautet: Auf Aktien der ganz großen Weltmarktführer zu
setzen ist risikoreich, weil diese schneller als kleinere
Unternehmen an Wachstumsgrenzen stoßen. Bei Cisco steckt
dahinter der Gedanke, dass die Marktkapitalisierung bald das
Bruttoinlandsprodukt vieler Industriestaaten übertreffen würde,
wenn der Kurs des Börsenstars noch einige Jahre wie bisher
steigt.

Kursziel gesenkt

Kaum jemand glaubt daran, dass Cisco seine jährliche
40-Prozent-Wachstumsrate beibehalten kann. Zuletzt äußerte
das Investmenthaus Lehman Brothers entsprechende Zweifel.
Die Analysten meinen, dass die Nachfrage nach
Cisco-Produkten in Zukunft zurückgehen werde, weil die
Marktbedingungen für Telekommunikationsgesellschaften
unsicher seien. Deshalb setzten die Experten das Kursziel von
90 $ auf 60 bis 65 $ herab. Die Folge: Die ohnehin bereits
deutlich unter 60 $ notierende Aktie verlor weiter an Wert.
Andererseits, wird die 60$-Marke nun wieder ins Visir genommen.
Mann darf nicht vergessen, daß die Aktie vor einer Woche klar
unter 50 $ gehandelt wurde, und sich nun wieder erhohlt hat.

Niemand zweifelt daran, dass Cisco am Montag wieder
hervorragende Umsatz- und Ergebniszahlen für das im Oktober
abgelaufene Quartal vorlegen wird. Beim Gewinn werden 17
Cents je Aktie erwartet. Vermutlich schlagen die Kalifornier aus
San Josè diese Prognose wieder knapp, doch Cisco wird
ohnehin nur noch an den inoffiziellen „Flüsterschätzungen“
gemessen, die bei 18 Cents beginnen. „Wir erwarten 17 Cents
pro Aktie und einen Gesamtumsatz von 6,2 bis 6,3 Mrd. $“, sagt
Klaus Lüpertz von HSBC Trinkaus. Das wäre gegenüber dem
Vorjahresquartal eine Steigerung um 40 % beim Gewinn und um
60 % beim Umsatz. Doch selbst wenn die optimistischsten
Prognosen von 18 oder 19 Cents geschlagen werden sollten, ist
eine Erholung des Kurses immer noch unsicher.

Alles hängt vom Ausblick ab. „Wir erwarten, dass Cisco starke
Ergebnisse liefert, aber die Investoren werden sich mehr auf die
Zukunft konzentrieren“, ist sich Michael Ching vom
Investmenthaus Merrill Lynch sicher. „Gute Zahlen am Montag
garantieren keine steigenden Kurse“, meint Merck &
Finck-Analyst Oliver Graf Wrangel.

Im schlimmsten Fall droht der freie Fall auf 30 $

Lässt sich Vorstandschef John Chambers auch nur einen Hauch
von Skepsis anmerken, werden sich die schärfsten Kritiker
bestätigt sehen und mit ihren Urteilen die Aktie erneut auf
Talfahrt schicken. Das erwarten vor allem charttechnisch
orientierte Analysten, nachdem der langfristige Aufwärtstrend bei
dem Wert in Gefahr ist. Wichtige Unterstützungsmarken wurden
im Bereich zwischen 55 und 60 $ nach unten durchbrochen. Im
schlimmsten Fall droht nach Meinung der Charttechniker der
„freie Fall“ bis auf 30 $.

So weit ist es noch nicht. Bislang schaffte es Cisco stets, bei
Quartalsberichten positive Stimmung zu verbreiten. „Cisco hat
immer mit seiner Informationspolitik überzeugt. Wir glauben an
das Unternehmen. Eine Gewinn- oder Umsatzwarnung wäre
längst gekommen“, sagt HSBC-Analyst Lüpertz. Cisco sei
erheblich stärker positioniert als beispielsweise Lucent
Technologies und Nortel Networks, die in den vergangenen
Tagen die Börse mit verhaltenen Ausblicken geschockt hatten.
„Cisco kann am Montag mit guten Zahlen und einem positiven
Ausblick weltweit die Börsen nach oben ziehen“, heißt es bei
Händlern auf dem Parkett. Solche Aussagen scheinen nicht
übertrieben. Die nach dem Börsenwert zu den drei größten
Unternehmen der Welt zählende Gesellschaft kontrolliert fast die
gesamte Technik, auf der das World Wide Web basiert. Stellt
man sich das Internet als ein Netz von Autobahnen vor, dann
beherrscht Cisco die Autobahnkreuze und -dreiecke. Niemand
kommt also an dem „Herr der Netze“ vorbei. Neue und bessere
Technik erwirbt Cisco durch das ständige Aufkaufen kleinerer
und mittlerer Unternehmen per Aktientausch. Allein in diesem
Jahr werden es 25 Firmen sein. Dadurch konnte Cisco in den
vergangenen Jahren so stark wachsen.

Ein dauerhaft schwächerer Börsenkurs würde diese Strategie
gefährden. Auf der anderen Seite haben Investoren die enormen
Wachstumsraten längst auf die Zukunft projiziert. Zeitweise lag
das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei über 100. Auch nach
dem Kurseinbruch in den letzten Wochen gilt Cisco immer noch
als hoch bewertet. Aber nicht mehr zu hoch, meint
Merrill-Lynch-Analyst Ching: „Der Aktienkurs wird auf Grund des
Gewinnwachstums steigen. Cisco wird auch im Fiskaljahr 2001
mehr als 40 Prozent beim Ertrag zulegen.“
 
aus der Diskussion: CISCO ...unerreicht!
Autor (Datum des Eintrages): HaasThomas  (05.11.00 15:55:04)
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