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High-Tech-Nation zieht den Konkurrenten davon
Von Luzian Caspar, Silicon Valley*
Die Wirtschaftsmacht USA hat ihre Vormachtstellung massiv ausgebaut. Vor allem die privaten Vermögen haben zugenommen und die Amerikaner werden dank dem Schlaraffenland «New Economy» bald einmal die Europäer und Japaner an Reichtum überholt haben.
Der Wahlkampf zwischen Al Gore und George «Dubbya» Bush mag an ein Clown-Spiel erinnert haben, aber der Schein trügt: Wirtschaftlich gesehen sind die USA eine Supermacht, die man höchst ernst nehmen muss. Die Stärke des Dollars reflektiert nur die Tatsache, dass die USA ihre Vormachtstellung in den letzten fünf bis zehn Jahren massiv ausgebaut haben. Man kann sogar argumentieren, dass der Vorsprung inzwischen so gross geworden sei, dass er kaum mehr aufzuholen ist.
Die US-Staatsfinanzen sind nicht nur im Gleichgewicht, sondern im Überschuss. Jede neue Prognose zeigt neue und grössere Überschüsse. Sogar die Staatsschuld wird jetzt abgebaut. Bereits in wenigen Jahren wird sie spürbar vermindert sein. An Wallstreet macht man sich bereits Sorgen über die Zukunft der «T-Bonds» (Schatzpapiere).
Aber dies sind nur die Staatsfinanzen. Wichtiger ist das private Vermögen. Hier dürften sich in den letzten fünf bis zehn Jahren ebenfalls dramatische Verschiebungen abgespielt haben. Die Zahlen sind zwar noch nicht bekannt, aber es gibt kaum einen Zweifel, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner die Europäer und Japaner bezüglich Reichtum eingeholt und vielleicht sogar überholt haben. High-Tech-Stars wie Larry Ellison oder Jeff Bezos haben Europas Altreiche wie die Thyssens oder Krupps auf die Plätze verwiesen.
Der Wohlstand ist auch am Durchschnittsbürger nicht spurlos vorübergegangen. Auch der einfache Amerikaner geht heute öfter aus oder leistet sich zum Dinner mal ein Glas Wein; für vier bis sechs Dollar pro Glas. «Senden Sie eine Flasche Champagner aufs Zimmer nebenan», orderte ein junges Ehepaar vor kurzem an einem Samstagabend im Hotel «De Anza» in San Jose (Kalifornien). Die Rechnung betrug 200 Dollar.
Ein signifikanter Teil der Bevölkerung hat es ins Schlaraffenland der «New Economy» geschafft. Und die Zahl der Yankee-Unternehmer, Banker und Anwälte, die in die internationale Liga der Superreichen aufgestiegen sind, ist Legion. Die Japaner und Europäer dagegen sind abgehängt. Die Japaner kommen immer noch an die «Fifth Avenue», aber bei Tiffany`s kaufen sie kaum mehr ein, und auch europäische Touristen hört man immer häufiger über die hohen US-Preise klagen.
Der Motor der US-Hegemonialmaschine ist natürlich die «High Tech»-Economy; finanziert zu einem nicht geringen Teil mit europäischem Geld. Die Schnelllebigkeit des digitalen Zeitalters kommt der amerikanischen Mentalität entgegen - ganz abgesehen von den günstigeren «strukturellen» Voraussetzungen der USA. Der Amerikaner ist geboren dazu, ein neues Medium in Rekordschnelle zu kommerzialisieren. Im Flugzeug über dem Atlantik trifft man immer mehr Amerikaner an, die in der ganzen Welt herumfliegen, um ihre «dot-coms» zu vermarkten.
«Ich werde den Einheimischen beibringen, wie man vom Internet profitiert», sagt Larry, ein junger Amerikaner, den die Navy vor ein paar Monaten nach Mazedonien geschickt hatte, um dort Spielplätze zu bauen. Während seines einmonatigen Aufenthalts lachte er sich gleich eine mazedonische Braut an.
Diese Unbekümmertheit ist ein weiterer Schlüssel zum Erfolg. Im Internet-Zeitalter muss man rasch reagieren und instinktmässig handeln - etwa so wie ein Spieler in einem Video-Game. Der Amerikaner hat wenig Respekt vor Tradition, und dies kommt ihm in einer Umbruchzeit wie der heutigen zustatten. In Amerika verschicken sogar Grossmütter ihre Familienfotos übers Internet.
Von Vorteil ist die Respektlosigkeit auch an der Börse. Die amerikanischen Privatanleger pfeifen auf die Experten und holen sich ihre Anlage-«research» meist selber - natürlich im Internet. Und damit haben sie nicht schlecht Erfolg, wie die Nasdaq-Hausse gezeigt hat. Jetzt, wo die ganze Welt in US-High-Tech-Aktien investiert, beackern viele US-Cybernauten bereits neue «Frontiers». «What`s next?», lautet die ständige Frage.
 
aus der Diskussion: Börsenguru`s
Autor (Datum des Eintrages): Defense  (08.11.00 18:39:20)
Beitrag: 69 von 150 (ID:2296472)
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