Ohne Ahnung schnell reich ? Wer wenig Ahnung hat, wird schneller reich. Und weil Forscher des Max-Plack-Instituts bei einer Untersuchung zu diesem Resultat kamen, fragte das Branchenblatt Die Bank unlängst irritiert: "Erfolg ohne Fachwissen?" Die Wissenschaftler hatten in Fußgängerzonen und bei Studenten in München und Chicago nach den Namen bekannter Unternehmen gefragt und die meistgenannten Aktien dann auf acht Wertpapierdepots aufgeteilt. Das Ergebnis: Sechs der acht Depots schnitten nach sechs Monaten nicht nur besser ab als die Aktienindizes Dax und Dow Jones - die ganz ohne Strategie gewählten Aktien der Laien schlugen selbst erfolgreiche Investmentfonds. So einfach ist die Börse gestrickt. Man muss sein Geld anscheinend nur irgendwie anlegen, um irgendwann reich zu werden. Ein Beispiel: Hätten die Vorfahren eines Anlegers im Jahr 1802 am amerikanischen Markt nur 100 Dollar in Aktien gesteckt und alle Dividenden dann wieder investiert, hätte ihr Nachkomme heute nicht weniger als 747 Millionen Dollar im Depot. So aber macht dieser sich Sorgen um die Rente und fragt sich, ob er das karge Auskommen nicht mit Aktien aufbessern müsste. Schließlich sollen sich Aktien ja weit besser rentieren als festverzinsliche Wertpapiere - wenn man sie nur lange genug hält. Statt 8,4 Prozent jährlicher Rendite wie mit amerikanischen Aktien wären mit Rentenpapieren jährlich nur 4,8 Prozent zu holen gewesen. Nur eines macht stutzig: Die Zahlen kennt man seit langem. Warum sind wir dann nicht alle vielfache Millionäre? Selbst das Vermögen der notorischen Aktienspekulanten hält sich in Grenzen. Es ist eben doch alles komplizierter. Vor allem stehen sich die Anleger gern selbst im Weg. Wer eine Aktie zum Preis von 100 Euro kauft, verkauft das Papier nicht, wenn es unter den Kaufpreis sinkt. Man hält die Aktie einfach weiter im Depot - wenn sie unter 90 Euro sinkt genauso, wie wenn sie nur noch knapp 70 Euro wert ist oder gar bei 60 Euro notiert. Wer jetzt verkauft, würde "Verluste realisieren", wie das die Profis nennen. Doch die meisten Kleinanleger verhalten sich anders. Sie warten einfach ab - auch wenn das lange dauert und andere Aktien in der Zwischenzeit viel bessere Kurschancen gehabt haben. Dispositionseffekt nennen Kapitalmarktforscher dieses Phänomen. Und es gibt gleich eine Vielzahl solcher Effekte, die der optimalen Strategie in Sachen Geldanlage entgegenstehen. "Der Investor ist sich selbst wahrscheinlich der schlimmste Feind", nannte das einst der amerikanische Wissenschaftler Benjamin Graham. Dabei betonen Experten immer wieder, dass es keine wirkliche Alternative zur Geldanlage in Aktien gebe. Die Mitarbeiter des Deutsche Aktieninstituts zum Beispiel bildeten vor zwei Jahren per Computer 1500 Zufallsdepots und rechneten dann zehn Jahre zurück. Das Resultat: Über den Zeitraum der Dekade erzielten die Zufallsdepots im Durchschnitt eine jährliche Rendite von mehr als elf Prozent – mehr als jede andere Geldanlage.Richard Stehle hat sogar noch weiter zurückgerechnet. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität in Berlin ist einer der bekanntesten Kapitalmarktforscher in Deutschland - bekannt vor allem deshalb, weil sein "Stehle-Dax" unter Börsianern als der beste Maßstab für das Abschneiden von Aktien in der Vergangenheit gilt. Wer hierzulande vergleichen will, wie sich Aktien in den letzten Jahrzehnten rentierten, stößt nämlich gleich auf mehrere Probleme: Der Deutsche Aktienindex Dax, der die Wertentwicklung der 30 größten Aktiengesellschaften widerspiegelt, wird erst seit Ende 1987 ermittelt und offiziell bis 1980 zurückgerechnet. Was über den Zeitraum von zwanzig Jahren hinausgeht, muss also geschätzt werden. Zudem ist der Dax zwar eine populäre Messlatte für den Anlageerfolg, leider aber auch eine recht ungenaue. Der Grund: Jeder Kleinaktionär kassiert neben der Bardividende die so genannte Körperschaftsteuergutschrift. Beide sind - neben den Kursgewinnen der Aktie - wichtige Größen bei der Frage, wie viel Rendite eine Aktie jährlich erbringt. Bei der Berechnung des Dax, wie ihn die Deutsche Börse ermittelt, bleibt die Steuergutschrift aber außen vor. Das Kursbarometer zeigt den Wertzuwachs der deutschen Aktien, den ein normaler Anleger wahrnimmt, also gar nicht exakt an. Der Stehle-Dax, bei dem sein Erfinder die Steuer berücksichtigt, tut dies. Wer Mitte der fünfziger Jahre deutsche Aktien kaufte und sie bis heute hielt, erzielte laut Stehle eine jährliche reale Rendite von sechs bis sieben Prozent. Wer sich 1980 mit heimischen Anteilsscheinen eindeckte und sie noch heute im Depot hat, kassierte sogar eine jährliche reale Rendite von mehr als 13 Prozent. "Für steuerehrliche Anleger hat sich eine Anlage in festverzinslichen Wertpapieren dagegen nicht gerechnet", sagt Richard Stehle. Eine unglaubliche Rendite von minus 0,4 Prozent nach Inflation und Steuern ermittelte der Wissenschaftler für jene Anleger, die sich Mitte der fünfziger Jahre Bundesanleihen kauften, den Spitzensteuersatz zahlten und ihre Wertpapiere bis heute hielten. "Real gesehen waren Aktien langfristig weniger riskant, als man denkt", sagt Stehle. Die Frage ist nur: Denken die Anleger tatsächlich langfristig? In der 165-jährigen Geschichte des deutschen Wertpapiermarktes kam es nur in 68 Jahren zu lang anhaltenden Aufwärtsbewegungen. Dagegen gab es immer mal wieder brutale Crashs, die die Aktiengewinne vieler Jahrzehnte zerstörten. Die Verluste konnten oft lange Zeit nicht mehr aufgeholt werden. Was aber passiert, wenn man zum falschen Zeitpunkt eingestiegen ist, etwa kurz vor einem Kursrutsch? Oder wenn man zum falschen Zeitpunkt verkaufen muss, zum Beispiel kurz nach einem Schwächeanfall der Börse? Drei Beispiele: Wer im Crashjahr 1987 Aktien kaufte und sie ein Jahr später verkaufen musste, verlor mehr als ein Drittel seines Kapitals. Wer die Papiere nach insgesamt fünf Jahren losschlagen musste, hatte immer noch mehr als ein Prozent Verlust gemacht - jährlich. Und wer sich 1970 Aktien zulegte und sie nach der Ölkrise fünf Jahre später wieder verkaufte, hatte sogar jedes Jahr fast zehn Prozent verloren. Wenn es hagelt, dann hagelt es richtig, sagen Börsianer gern. Leider merkt man das oft zu spät. "Everybody Ought to be Rich!" titelte die amerikanische Zeitschrift Ladies` Home Journal noch im August 1929. Wenige Wochen später war der Traum vom großen Geld zum Albtraum geworden. "Wer sein Geld in den nächsten zwei, drei Jahren braucht, sollte von Aktien besser die Finger lassen", sagt auch Wissenschaftler Stehle. Wer dagegen 1987 kaufte und es sich leisten konnte, die Papiere zehn Jahre liegen zu lassen, hatte am Ende der Dekade - trotz des Crashs zu Beginn - immerhin eine jährliche Rendite von 4,7 Prozent erzielt. Ganz klar: Aktien sind Risikopapiere. Und als Aktionär muss man weniger danach schauen, ob vielleicht an der Börse gerade der richtige Zeitpunkt ist, Aktien zu kaufen. Man muss danach schauen, ob der ganz persönliche Zeitpunkt stimmt. Wer kurz vor der Rente steht, steckt sein Vermögen wohl besser nicht in Aktien - zumindest nicht das gesamte. Nicht umsonst besagt eine Faustregel, dass sich die sinnvolle Aktienquote eines Anlegers aus der Formel "100 minus Alter" errechnet. "Ich warne davor, sich allein auf die Aktienmärkte zu verlassen", sagt der amerikanische Ökonom Robert Shiller, Professor an der Yale University. "Der Staat sollte seine Bürger deshalb vor ihnen schützen - so wie es eine Promillegrenze für den Straßenverkehr gibt." "Wunder gibt es nur im Märchen" Umstritten bleibt, welche Schlüsse für die Zukunft man aus dem langfristig guten Abschneiden der Aktie in der Vergangenheit ziehen kann. "Niemand war je in der Lage, die Börse vorherzusagen", hat Peter Lynch, der amerikanische Börsenguru, einmal erklärt. "Es ist eine totale Zeitverschwendung." Auch Ökonom Shiller warnt vor der Annahme, dass sich Aktien langfristig immer besser rentieren würden als Anleihen. Kapitalmarktforscher Stehle sieht das anders. Gerade weil die Börse in der Vergangenheit schon Kriege, Hyperinflation und Währungsreformen erlebte - und Aktien langfristig dennoch besser abschnitten als Anleihen -, könne man daraus auch auf die Zukunft schließen, meint der Wissenschaftler. Was man allerdings nicht vergessen darf: Die Rendite des Gesamtvermögens von Kleinaktionären entwickelt sich in der Regel doch schlechter als der Index. Termingelder, Rentenpapiere und Immobilien, die jeder Anleger braucht, um das Risiko zu streuen, lassen den Wertzuwachs schrumpfen. Wunder darf man auch von Aktien nicht erwarten. "Schnellen Reichtum", sagt Gottfried Heller, Chef der Fiduka-Vermögensverwaltung und Weggefährte des verstorbenen Börsengurus André Kostolany, "gibt es nur im Märchen." Es hat eben Gründe, warum wir nicht alle Millionäre sind. Quellen: Die Bank, Fiduka, Spiegel-online |
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Autor (Datum des Eintrages): | VonHinten (14.11.00 17:37:14) |
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