Fenster schließen  |  Fenster drucken

9.

Manche Frauen sind beängstigend intelligent und gebildet und überdies unzweifelhaft absolut anständig. Warum machen diese Frauen so selten eine ihren Fähigkeiten angemessene Karriere? Genau darum. Weil sie beängstigend wirken, weil sie zu ihrem Nachteil berechenbar sind und weil sie die Chancen zum Aufstieg entweder glatt verachten oder vor lauter Anständigkeit sogar übersehen.
Um im Management Karriere zu machen, braucht man keine akademischen Kenntnisse in Rhetorik, wie sie zum Beispiel ein Literaturwissenschaftler besitzt. In der Ära des kommerziellen Fernsehen hört sich sowieso niemand mehr aufmerksam lange Reden an, weil jeder gewohnt ist, abends von einem sehr schlechten Programm zum anderen sehr schlechten Programm hin und her zu zappen und womöglich schon nach Sekunden schlagartig den Verstand von irgendeiner knalligen Werbung zerschossen zu kriegen. Da lernt jeder, dass es sehr wehtut, sich zu konzentrieren. Vor diesem Schmerz kann man sich schützen, indem man es erst gar nicht versucht.
Nur so.
Die moderne Rhetorik, reduziert sich damit auf einen einfachen Dreisatz, auch wenn „Erfolgstrainer“ aus dem Ganzen eine Wissenschaft namens „Rabulistik“ machen, um dafür lange und entsprechend teure Seminare zu veranstalten.

1. Wahre Aussagen können und müssen mit „Das ist mir zu allgemein!“ attackiert werden.
2. Nachfolgende Details werden in jedem Fall mit „Das ist zu weit hergeholt!“ abgestraft
3. Funktioniert Regel 2 nicht, sagt man einfach möglichst hochnäsig: „Das ist ein Klischee!“

Mit diesen drei Regeln behält man immer Recht und ist am Ende jeder Besprechung auf der Seite der Gewinner. Man braucht keine eigenen Vorschläge zu erarbeiten zu begründen, was sowieso ein unzumutbares Risiko ist, weil sich die Möglichkeit eines negativen Ausgangs nie völlig ausschließen lässt. Man schießt einfach alle Leute ab, die sich nicht schon gegenseitig abschießen und wartet dann darauf, dass sich alle auf das kleinste Übel einigen. Dann sagt man „Ich habe euch gewarnt!“ und fertig. Wenn die Sache schiefgeht, war man der große Warner und Seher und steht ganz oben, ohne sich auch nur annähernd so viel Arbeit wie die anderen gemacht zu haben. Wenn es doch klappt, reklamiert man den Erfolg für sich, indem man genauso an seine Einwände erinnert und für sich in Anspruch nimmt, den größten Anteil an der realistischen Umsetzung geleistet und somit die Grundlage für den Erfolg geschaffen zu haben.

Die Frau, mit Jean Paul sich im Anschluss an sein Vorstellungsgespräch traf, gehörte zu den Menschen, die sich in Sachen Erfolg selbst im Weg stehen. Darum mochte er sie.

Abends war er da. Er parkte an der Straße und sie öffnete ihm die Tür ihrer Wohnung. Sie war größer als er gedacht hatte. Ihr Kleid musste maßgeschneidert sein. Ihre Figur übertraf seine Erwartungen bei weitem. Er konnte den Blick kaum von ihr abwenden, als sie „Hallo“ flötete.

Fortsetzung folgt

Vorschau:

Das Wochenende des Helden geht vorbei. Die Neugier der Leser hoffentlich nicht.
 
aus der Diskussion: Telefon-Agent: Die Abenteuer des
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (30.08.06 12:50:49)
Beitrag: 19 von 352 (ID:23682101)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE