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Aus der FAZ.

Lotterie

Ohne Furcht
Von Manfred Köhler


01. September 2006
Es muß einmal ein ruhiger Job gewesen sein - Chef der Lottogesellschaft eines Bundeslands. Als Eigentümer nicht etwa nach Dividenden gierende Aktionäre, sondern der Staat in all seiner Gelassenheit. Keine Konkurrenz. Und mit der Lizenz zu allerhand guten Taten, aus den Einsätzen finanziert. Keine Frage: Der größte Lottogewinner sitzt in einer Lottogesellschaft ganz oben.
Vorbei, vorbei. Seit Monaten sind die Lottogesellschaften der Bundesländer im Gespräch. Zuerst wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Sportwetten. Jetzt wegen der Entscheidung des Bundeskartellamtes, die die bisherigen Monopole in Frage stellt. Den Lottogesellschaften bläst der Wind entgegen wie nie.


Fürchtet die Konkurrenz privater Tip-Annehmer nicht: Heinz-Georg Sundermann
Doch Heinz-Georg Sundermann, seit vier Jahren Geschäftsführer der Lotterie-Treuhandgesellschaft Hessen in Wiesbaden, bleibt gelassen. „Wir haben ein attraktives Produkt und ein gutes Vertriebsnetz“, sagt er, „was wollen wir noch?“ Sollen die Privaten doch kommen, die mit dem Segen der Kartellbehörde in Supermärkten und an Tankstellen Lottoautomaten aufstellen dürfen. „Ein absolut reduziertes Angebot zu deutlich überhöhten Preisen in reduzierter Umgebung“, fällt dem Lottochef zu diesem Plan des Kieler Unternehmens Fluxx ein. Systemscheine ließen sich an derartigen Automaten nicht ausfüllen, bei der Glücksspirale könne man nicht mitmachen, und außerdem müßten die Kunden mehr zahlen als in den Lottoannahmestellen. Die lobt Sundermann natürlich in höchsten Tönen, schwärmt von der engen Kundenbindung und meint sogar, wenn sich einer zu sehr beim Spielen verausgabe, werde ihn das Personal hinter der Theke schon bremsen.

Fluxx will in Deutschland Lotto-Automaten aufbauen

Bei Fluxx sieht man die Lage zwangsläufig anders. Ein Sprecher bekräftigt das Ziel, bis Jahresende ganz Deutschland mit einem Netz aus Lotto-Automaten zu überziehen. Bisher stünden in Hessen gerade zwei oder drei. Sundermann mag sich aber trösten, daß ausgerechnet der Kooperationspartner Edeka in Hessen bisher eher schwach vertreten ist. Von Schlecker, mit dem Fluxx auch zusammenarbeitet, läßt sich das allerdings nicht sagen.

Ganz spurlos gehen die Wandlungen des Marktes am staatlichen Lotto aber doch nicht vorbei. Sundermann berichtet, von Januar bis August habe der Umsatz mit Sportwetten um 25 Prozent niedriger gelegen als im gleichen Zeitraum 2005 - Folge des Booms der privaten Wettbüros, die aber jetzt wohl nach und nach schließen müssen. Der Gesamtumsatz von Lotto Hessen sank in dieser Zeit nur um zwei Prozent - so wichtig sind die Sportwetten, wiewohl darüber so lebhaft diskutiert wird, auch wieder nicht.

Beim Lottospiel ist das anders. Sundermann setzt darauf, daß die Menschen die vertraute Annahmestelle über alles schätzen und also nicht zu seelenlosen Automaten abwandern, bei denen angeblich die Lottozahlen von der Maschine vorgegeben werden. Die einzige Sorge, die der Lottochef zugibt, ist eine andere: Keiner rede mehr von den guten Taten seines Unternehmens. Dabei sei Lotto Hessen der größte Sozial- und Sportsponsor des Landes.

Wettbewerbsrecht und Staatsmonopol

Die Entscheidung des Kartellamtes, die staatlichen Lotteriegesellschaften müßten sich stärker dem Markt öffnen, basiert allein auf wettbewerbsrechtlichen Überlegungen. Im Blick auf die Diskussion, ob auch private Unternehmen Sportwetten anbieten dürfen, hatte die Intervention der Wettbewerbshüter den Eindruck verstärkt, nicht nur beim Vertrieb der Lottoscheine, sondern auch inhaltlich sei damit das umstrittene staatliche Glücksspielmonopol angegriffen worden. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Otto etwa forderte als Konsequenz der Kartellamtsbeschlusses den Frankfurter Ordnungsdezernenten Boris Rhein (CDU) auf, die Schließungsverfügungen gegen die Betreiber von Sportwettbüros zurückzunehmen.

Das kann vorläufig allenfalls eine politische, aber keine juristische Schlußfolgerung aus der Verfügung des Kartellamtes sein. Die Behörde hat ausdrücklich nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgreifen wollen. Die Karlsruher Richter haben den Lottogesellschaften bis Ende 2007 Frist gelassen hat, Sportwetten nur noch in einer Form anzubieten, die dem gesetzlichen Gedanken entspricht, unter staatlicher Kontrolle lasse sich Spielsucht eher bekämpfen. Andernfalls wird das Monopol der öffentlichen Hand wohl nicht mehr zu halten sein.

Bis dahin jedenfalls bleibt es dabei, daß Betreiber von Glücksspielen einer Konzession bedürfen, ansonsten machen sie sich strafbar und müssen mit Schließung rechnen. Das hat vor kurzem der Verwaltungsgerichtshof in Kassel für Hessen entschieden; er liegt damit auf einer Linie mit den oberen Gerichten in anderen Bundesländern. Konzessionen aber erteilen die Länder nur ihren Lottogesellschaften - bis Karlsruhe sie womöglich 2008 zum Umdenken zwingt. (hs.)
Text: F.A.Z., 02.09.2006
Bildmaterial: F.A.Z., picture-alliance / dpa/dpaweb
 
aus der Diskussion: FLUXX - Aktie des Jahres 2006
Autor (Datum des Eintrages): Vince79  (02.09.06 07:22:58)
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