20. November 2000 Stil-Anlegen als Portefeuille-Ergänzung Anlagestile profitieren von Markt-Anomalien In jüngerer Vergangenheit ist das in den USA bekannte Thema der Anlagestile auch in Europa aktuell geworden. Anlegen mit einem bestimmten Stil dient dazu, an der Börse Markt-Anomalien auszunützen. Es kann zwar sehr risikoreich sein, stur auf einen Stil zu setzen. Doch können die Anlagestile durchaus Hinweise auf gute Ergänzungsmöglichkeiten für breit diversifizierte Portefeuilles geben. gab. Value-, Growth- oder Momentum-Investing, Dow-Dog-Theorie, Kapitalisierungseffekteund Stilrotation - solche Begriffe haben in jüngerer Zeit an den Finanzmärkten für Gesprächsstoff gesorgt. Sie stehen für Arten von Stil-Anlegen. Anlagestile kümmern sich höchstens in zweiter Linie um fundamentale Faktoren wie Unternehmensanalysen oder volkswirtschaftliche Parameter. In erster Linie versuchen die Anleger, auf Markttrends zu reiten. Unter anderem wollen sie Situationen ausnutzen, in denen sich der Markt «abnormal» verhält. Das erklärt auch, warum die Diskussion in Europa ausgerechnet in jüngerer Zeit entfacht wurde: 1998, 1999 und bis zum März dieses Jahres sorgte der Boom der Technologie-Aktien, der letztlich irrationale Züge trug,dafür, dass sich viele traditionelle Anlagegrundsätze nicht mehr bewährten. Value-Investing ist der Langzeit-Favorit Value-Investing kommt dabei traditionellem Anlage-Verständnis am nächsten. Dieser Stil nutzt die Tatsache aus, dass nicht alle Marktteilnehmer vollständig informiert sind. Er sucht sich Gesellschaften, die gemäss Kriterien wie Kurs/ Gewinn-Verhältnis oder Kurs/Buchwert-Verhältnis vom Markt zu tief bewertet werden. Allerdings kann dieser Stil nur zu guten Resultaten führen, wenn vermieden wird, dass man in Unternehmen investiert, die mit gutem Grund billig zu haben sind, weil sie beispielsweise ein schlechtes Management aufweisen oder in einer unprofitablen Branche tätig sind. Langfristige Untersuchungen zeigen, dass dieser Stil im Durchschnitt zu guten Resultaten führt (vgl. Grafik). Grossinvestoren wie Warren Buffett, der lange Jahre zu den erfolgreichsten Anlegern überhaupt zählte, verbinden Value-Investing mit Fundamentalanalysen der Unternehmen. Sie investieren in Gesellschaften, die vom Markt verkannt werden - in der Hoffnung, dass sich ihr «wahrer» Wert über kurz oder lang im Kurs spiegeln werde. Diese Strategie ist in den vergangenen beiden Jahren jedoch nicht mehr aufgegangen. Wer als Anleger in niedrig bewertete Titel investierte, erzielte häufig kaum Kursgewinne, da das Gewinnpotenzial fast nur in den hoch bewerteten Aktien der Technologie-, Telekom- und Medienbranchen (TMT) lag. Institutionelle Anleger, die den Boom verpassten, sahen sich harter Kritik ausgesetzt. Growth-Investing war «in». Beim Growth-Investing werden Titel von Unternehmen gekauft, die vom Markt hoch bewertet werden - oft in der Meinung, dass diese auch ein hohes Gewinnwachstum aufweisen sollten, was jedoch nicht immer der Fall ist. Der Anleger setzt bewusst auf die gleichen Titel wie die meisten seiner Mitinvestoren und erzielt so Kursgewinne. Ähnlich gelagert sind Kurs-Momentum-Strategien oder die Dow-Dog-Theorie, gemäss denen in Titel investiert wird, die innert einer bestimmten Zeitperiode eine gute Kursentwicklung aufwiesen. In regelmässigen Abständen werden die Aktien mit der schlechtesten Kursentwicklung im Portefeuille mit den besten aussenstehenden Titeln imAnlage-Universum ausgetauscht. Diese Stile setzen darauf, dass die meisten Anleger dazu neigen,Anlagen zu kaufen, die sich in der jüngsten Vergangenheit bewährt haben. Diese Strategie kannjedoch hoch riskant sein, wenn das Anlage-Universum nicht aus einer diversifizierten Menge von Standardwerten (wie bei der Dow-Dog-Theorie), sondern aus Titeln nur einer Branche oder aus risikoreichen Werten besteht. Neben dem Preis-Momentum-Anlegen gibt es auch das Investieren gemäss Gewinn-Momentum - hier wird auf diejenigen Unternehmen mit dem grössten erwarteten Gewinnwachstum gesetzt oder auf diejenigen mit den meisten positiven Revisionen von Broker-Empfehlungen. Wiederum andere Investoren nutzen Kapitalisierungseffekte - das heisst, sie kaufen entweder gross- oder kleinkapitalisierte Werte, je nachdem, welche Kategorie an den Märkten gerade beliebter ist. Timing schwierig Bei den Markt-Ineffizienzen, auf welche die Stile setzen, handelt es sich meist um vergängliche Phänomene. Ein gut dokumentiertes Phänomen ist beispielsweise, dass sich der Value-Stil vor allem dann bewährt, wenn die Konjunktur gut läuft und viele Gesellschaften ein gutes Gewinnwachstum erzielen. Die meisten Investoren nehmen sich dann die Mühe, aus all den guten Anlagevarianten die günstigsten herauszusuchen.Der Growth-Stil dagegen bringt die besten Resultate, wenn wenige Gesellschaften ein viel besseresGewinnwachstum erwirtschaften als der Marktdurchschnitt. Die Anleger neigen dann eher dazu, blind in diese Titeln anzulegen. Leider ist es nahezu unmöglich, immer den richtigen Zeitpunkt für einen Stilwechsel zu ermitteln. Wie bereits angedeutet, kann das Anlegen in Stilen auch je nach Definition der entscheidenden Kennzahlen unterschiedlich gute Resultate hervorbringen. So ist zum Beispiel das Kriterium Preis/Buchwert für sich allein zur Ermittlung von Growth- und Value-Aktien nur beschränkt geeignet. Dennoch wird es vom Index-Anbieter Morgan Stanley (MSCI) zur Bestimmung ihrer Value- und Growth-Indizes benutzt. Auf Stile allein zu setzen, kann sehr risikoreich sein. Eine gute Verwendung für Stil-Anlegen kann sein, grundsätzlich ein breit diversifiziertes Portefeuille zu haltenund Stil-Produkte beizumischen, um die Wertentwicklung des Portefeuilles aufzubessern. Dafür eignen sich Stil-Fonds und Stil-Zertifikate. |
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aus der Diskussion: | Börsenguru`s |
Autor (Datum des Eintrages): | Bischoff (20.11.00 19:15:50) |
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