Fenster schließen  |  Fenster drucken

...aus dem spiegel-online...das sagt alles...:(

N E U E R M A R K T

"Wie die Lemminge"

Der große Ausverkauf steht dem Neuen Markt noch bevor, glaubt der
Münchner Vermögensverwalter Jens Ehrhardt. Er sprach mit SPIEGEL
ONLINE über die Situation an der Börse und Alternativen zu den
Wachstumswerten.

SPIEGEL ONLINE: Herr Ehrhardt, der Neue Markt ist am Mittwoch erneut stark
eingebrochen. Wäre es jetzt nicht eine glänzende Gelegenheit,
Wachstumswerte billig nachzukaufen?

Jens Ehrhardt: Das empfehlen die Banken ja
schon seit dem Beginn der Kursverluste, und
bisher war es immer falsch. Viele Berater
haben noch vor wenigen Wochen heile Welt
gespielt und zu Zukäufen im Herbst geraten.
Deshalb sind die Anleger gerade erst so weit,
dass sie am Neuen Markt nicht mehr
nachkaufen. Sie verkaufen aber immer noch
nicht.

SPIEGEL ONLINE: Also ist der Neue Markt noch nicht auf der Talsohle
angelangt?

Ehrhardt: Nein. Im Frühjahr sind die Anleger so an den Neuen Markt gestürmt,
wie ich das in über 30 Jahren Börsenerfahrung noch nie in einem
Börsensegment erlebt habe. Bei einer so übertriebenen Begeisterung muss es
auch eine extreme Gegenbewegung geben, und die war bislang noch nicht
ausreichend.

SPIEGEL ONLINE: Wann ist Ihrer Meinung nach mit einem Aufschwung zu
rechnen?

Ehrhardt: Man muss darauf warten, dass die großen Verkäufe einsetzen. Der
Neue Markt kommt erst zum Stehen, wenn die Anleger ihre Fonds verkaufen.
Die Gewinne vieler Fonds waren ja teilweise nur durch irrwitzige Manipulationen
möglich. Um Kursverluste bei den umsatzstärkeren Werten aufzufangen,
wurden kleinere Titel in den Portefeuilles künstlich gestützt. Wenn die Anleger
das begreifen - und das wird nicht mehr lange dauern - werden sie solche Fonds
wieder abstoßen. Und wenn eine Verkaufswelle bei den Fonds einsetzt, dann
ist der Neue Markt unten und man kann die Aktien einsammeln.

SPIEGEL ONLINE: Wenn sich nun die Spreu vom Weizen trennt, in welche
Werte würden Sie am Neuen Markt überhaupt noch investieren?

Ehrhardt: Am Neuen Markt gibt es einerseits solche Werte, die in ihrer
Bewertung von den Fonds nach oben verzerrt sind. Und es gibt Titel, die von
ihrer Substanz her gut sind, wie etwa Aixtron, Adva, Quiagen und Singulus.
Aber mittlerweile sind auch diese Qualitätstitel überteuert. Die Anleger haben
die Aktien gekauft, als ob sie nur noch steigen könnten und sich nicht gefragt,
ob ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 1500 nicht ein bisschen überzogen ist.

SPIEGEL ONLINE: Welche Alternativen gibt es zu den Wachstumswerten am
Neuen Markt?

Ehrhardt: Einige Mid-Cap-Werte, also mittelgroße Titel, sind von der Bewertung
her günstig. Im letzten Jahr haben alle wie die Lemminge diese Werte
abgestoßen und in die New Economy investiert, was zu viel zu niedrigen
Bewertungen bei den Mid-Cap-Stocks geführt hat. Natürlich gibt es da auch
viele langweilige und schlechte Unternehmen. Aber bei einigen Unternehmen mit
Substanz liegt der Kurs unter dem Buchwert.

SPIEGEL ONLINE: Wie reagieren die institutionellen Anleger auf den
Kursrutsch am Neuen Markt?

Ehrhardt: Die institutionellen Anleger sind nicht unbedingt die Ersten, die
handeln. Am Neuen Markt haben ja auch zuerst die Privatanleger die Werte
nach oben getrieben, bevor die Institutionen nachzogen. Sie müssen auch nicht
zwangsläufig erfolgreicher sein als die Privatanleger. Die Privatanleger
argumentieren zwar häufig nur relativ simpel anhand des Kursverlaufes, haben
aber oft mehr gesunden Menschenverstand als manche Analysten, die den
steigenden Kursen nur eine Begründung hinterherschieben.

Das Interview führte Martin Paetsch :mad:
 
aus der Diskussion: == METABOX == STOPLOSS/KAUFLIMIT JA oder NEIN ? TEIL 68
Autor (Datum des Eintrages): tali  (23.11.00 11:11:03)
Beitrag: 19 von 150 (ID:2404181)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE