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29.

Jean Paul stürmte die Treppe hoch, als wenn sein Überleben davon abhinge. Er hatte das Gefühl, dass es sogar um mehr ging, nämlich um das Überleben der Menschheit und seinen persönlichen Beitrag dazu. Diese Frau musste es sein. Die Frau. Überhaupt. So cool, so unkompliziert...
Er sah sie in der Wohnungstür stehen.
Angezogen.
Sein Schritt verlangsamte sich.
„Wir müssen öfter zusammen trainieren!“, rief sie.
„Willst du?“, fragte er.
Sein Seitenstechen erschwerte ihm das Reden.
„Wollen will ich nicht unbedingt, aber müssen muss ich wohl“, sagte sie mit sorgenvoller Miene.
„Wie bitte, was?“, fragte er.
„Wenn du schon von den paar Stufen so ins Schnaufen kommst, brauchst du mehr Training!“
„Sicher“, sagte er atemlos und abwägend.
Sie schaute auf seine Hose.
„Überhaupt, wie du mit deiner Gesundheit umgehst! Trägst dein Handy in der Hosentasche! Nachher ist deine Familienplanung total verstrahlt!“
Sie drehte sich um und ging in die Wohnung.
Er war froh, dass sie nicht von ihm verlangt hatte, das Handy aus der Hosentasche zu nehmen. Sein Handy lag nämlich noch zu Hause.
„Du bist ja angezogen!“, rief er ihr nach. „Ich dachte, du bist unbekleidet!“
„Ich musste nur noch meine Bluse zuknöpfen, um mich nicht mehr nackt zu fühlen!“
Er ging ihr nach.
„Das ist unsere Küche.“
„Schön“, sagte er, da ihm kein besseres Kompliment einfiel.
„Kochst du?“, fragte sie.
„Ich habe es gelernt.“
„Ich kennen jemanden, der so jemanden sucht!“, sagte sie.
Allmählich fragte er sich, ob ihre Freundin noch dominanter war und ob die beiden einen Küchensklaven suchten. Heutzutage war alles normal. Und das erklärte auch, warum ihre Freundin keinen Freund wollte. Sie wollte keinen Mann neben sich, sondern unter sich. Weit unter sich.
„Einen Koch?“, fragte er misstrauisch.
„Nicht unbedingt einen Koch. Nur jemanden, der Kochen kann und auch mal abwäscht.“
„Okay, ich kann demnächst einmal für euch kochen“, sagte er.
„Das können wir schon selbst. Jede von uns“, sagte sie.
„Gut, ich will nämlich nicht mehr kochen“, knurrte er.
„Wir müssen jetzt gehen!“, stellte sie fest. „Sonst lohnt es sich nicht mehr. Ich muss wieder hier sein, wenn meine Freundin zurückkommt.“
„Wohnt da unten auch jemand?“, fragte er.
„Ja, ein Mann“, antwortete sie. „Ich kann ihn dir vorstellen.“
„Bist du fertig zum Ausgehen?“, sagte er.
Nicht nackt. Er war so enttäuscht. Er brauchte frische Luft, um sich zunächst einmal abzukühlen. Und Alkohol, um sie aufzulockern und in die richtige Stimmung zu bringen, dass er ihr auch seine Wohnung zeigen konnte. Und seine Briefmarken. Genau in dieser Reihenfolge. Der Weg zu seiner Stammkneipe brachte alles in Gang.
„Gehen wir!“, rief sie. Sie zog eine Jacke an, nahm einen Schlüssel heraus und stellte sich in die Wohnungstür.
Er ging an ihr vorbei.
Sie schloss die Tür ab und folgte ihm.
„Ich muss dir gleich sagen, dass ich nicht viel vertrage und sofort betrunken bin“, sagte sie mitten auf der Treppe.
„Gut“, sagte er.
„Wie bitte? Warum findest du das gut?“
„Ja, weil das bei mir genauso ist“, sagte er. Zum Glück hatte sie gerade nur seinen Rücken und nicht sein das Grinsen in seinem Gesicht gesehen.

Fortsetzung folgt

Vorschau:
Was auch immer jetzt als nächstes passiert, Jean Paul bleibt trotzdem unser Held!
:laugh:
 
aus der Diskussion: Telefon-Agent: Die Abenteuer des
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (21.09.06 22:55:52)
Beitrag: 43 von 352 (ID:24093322)
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