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30.

Es wurde dunkel und Marie zeigte zum ersten Mal Anzeichen von Nervosität gegenüber Jean Paul, als er sie gezielt in eine eher dunkle Gasse führte, wo außer ihnen beiden kein Mensch zu sehen war.
„Hier war ich noch nie“, sagte sie mit kritischem Unterton.
„Das macht nichts. Du bist eben nur zugezogen.“
„Nein, hier war ich wirklich noch nie“, beharrte sie. „Auch nicht bei Tageslicht!“
„Klar. Auf Kopfsteinpflaster kann man nicht gut skaten.“
„Und was soll hier sein?“
„Irgendwie mangelt es dir an dem starken Willen, mir vertrauen zu wollen!“
„Ha!“, rief sie.
Was sollte das jetzt schon wieder heißen?
Die Tür neben ihr ging auf und ein nicht mehr ganz junges Paar verließ das Haus Arm in Arm und kichernd.
„Das ist eine der beiden besten Kneipen in unserer Stadt“, sagte er. „Das Gebäude steht unter Denkmalschutz..“
Er öffnete die schwere Tür und hielt sie auf.
Sie trat in den Flur und sah auf die schmale Treppe, die links nach oben führte.
"Was!", rief sie nervös.
„Wenn ein Mann und eine Frau eine Treppe hochgehen, geht die Frau vor, damit er sie auffangen, falls sie stolpert..."
„Aber ich trage keine hohen Absätze!“
„Manche Dinge sind eben so zwischen Mann und Frau.“
„Wir sind nicht verheiratet.“
„Es ist einfach sicherer, wenn die Frau als Erster die Treppe hochgeht.“
„Du willst mir nur auf den Axxxx gucken!“
Leugnen war zwecklos. Außerdem waren es nur wenige Stufen. Also würde er sowieso nicht lange gucken können.
„Du enttäuscht mich“, sagte er und versuchte dabei aufrichtig gekränkt zu wirken.
Dann ging er vor. Erneut kam ihnen ein Paar entgegen. Jean Paul machte auf der schmalen Treppe Platz, indem er sich zur Seite drehte. Das gab ihm Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, dass Marie noch bei ihm war.
Endlich kamen sie oben an und betraten den Schankraum. Das Licht war gedämpft. An der Theke saßen ein paar Bummelstudenten und arbeitslose Akademiker.
„Wir bleiben an der Theke“, sagte Marie.
Aber es ist nur ein Platz frei und drüben in der Ecke ist es noch gemütlicher.“
„Hier sind zwei Plätze frei! Ich nehme den mit dem dicken schwarzen Kissen. Gemütlicher geht es nicht.“
Ehe Jean Paul etwas erwidern konnte, kreischte sie.
„Das Kissen hat mich angeblinzelt!“
„Nicht das, sondern der.“
„Der Kissen?“
„Der kastrierte Kater. Der wohnt hier.“
Der Wirt flüchtete soeben in die Küche.
„Zwei Weizen nach“, rief Jean Paul ihm nach. Es war schon spät und die Kneipe hatte nicht mehr lange auf. Wenn er Marie Gelegenheit gab, sich mit 0,3-Portionen aufzuhalten, kriegte er sie nicht rechtzeitig beschwipst.
Sie gingen eine kleine Treppe herunter und setzen in eine freie Ecke.
Jean Paul atmete auf, als er sah, dass Marie ihre Jacke auszog, sie auf einen Stuhl hängte und sich ihm gegenüber setzte.
„Was ist?“, fragte sie.
Er sah das Unheil kommen.
Seine Vergangenheit holte ihn ein.
„Hallo!“, rief eine dunkle Männerstimme.
Jetzt war alles vorbei!

Fortsetzung folgt

Vorschau:
Die Geschichte geht mit den Überlebenden weiter.
 
aus der Diskussion: Telefon-Agent: Die Abenteuer des
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (24.09.06 19:02:43)
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