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Hi zentrader,

du bist der Intertainment-Experte (ich einer der Kinowelt-Experten; bitte deswegen keine Antipathie):

Was passiert wenn die Free-TV-Verhandlungen in Deutschland und möglicherweise anderen Regionen weiter stocken (siehe Kinowelt hinsichtlich WB-Paket)? Reicht der Cash für das kapitalintensive Geschäft?

Was ist deine Meinung zu dem Artikel der Financial Times und dem Gerücht, das Kirch Media als Co-Financier einsteigen könnte?


Aus der FTD vom 20.11.2000
Filmfirmen des Neuen Marktes stehen vor der Existenzprobe
Von Thomas Clark, Los Angeles

Flops in Hollywood schlagen jetzt voll durch. In der US-Branche spricht sich herum, dass es für viele Geldgeber nun ernst wird.

Die jüngsten Kurseinbrüche am Frankfurter Neuen Markt werden einige der dort notierten Filmunternehmen bald in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten bringen. Diese Meinung vertreten derzeit nicht nur Analysten in Deutschland. Auch in Hollywood macht unter Bankern und Produzenten längst die Prophezeiung die Runde, dass für viele dieser Firmen bald die Stunde der Wahrheit geschlagen hat. "Die Deutschen haben im letzten Jahr enorme Beträge in amerikanische Filme investiert. Jetzt wird sich zeigen, wer das finanzielle Rückgrat hat, auf die Einkünfte daraus zu warten oder teure Filmflops zu verdauen", meint etwa Steve Bannan von Jefferies Bannan Media Partners, einer Beratungs- und Investmentfirma in Los Angeles.

Bis vor kurzem haben Unternehmen wie Intertainment, Splendid, Senator und Kinowelt mit Nachrichten über Koproduktionsabkommen mit berühmten US-Produzenten oder Filmen mit Hollywoodstars für Schlagzeilen und Kurspflege gesorgt. Für eine prozentuale Beteiligung am Produktionsbudget sicherten sie sich die deutschen, teilweise sogar die kontinentaleuropäischen Rechte.


Solange es einfach war, sich an der Frankfurter Börse Millionen zu holen, floss auf diese Weise das Geld. Weil aber die Filmaktien nach den jüngsten Kurseinbrüchen nun niedriger bewertet sind, ist es nun fast unmöglich, sich weiteres Kapital von den Finanzmärkten zu beschaffen.


Deutsche haben zu viel bezahlt

"Leider haben einige Deutsche bei ihren Kofinanzierungsdeals deutlich zu viel gezahlt", so Bannan, der früher bei der Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet hat und die US-Filmindustrie seit Jahren beobachtet.


Klaus Hallig von der Kirch-Gruppe sagt es deutlicher: "Der Sensenmann klopft jetzt an. Es gibt in dieser Industrie keine Wunder, deshalb fliegt jetzt auch der Neue Markt mit seinen Mickey-Mouse-Filmfirmen auseinander." Hallig führt seit 1966 in Hollywood die Geschäfte Kirchs. Seiner Ansicht nach haben die meisten der neuen deutschen Filmfirmen viel zu viel gezahlt, um an Hollywoodfilme zu kommen. Er erwartet deshalb nun eine "Riesen-Marktbereinigung".


Zwar überrascht es nicht, dass sich ein Vertreter von Kirch abfällig über die neue Konkurrenz äußert. Doch US-Banker sehen es ähnlich: "In den kommenden sechs bis zwölf Monaten wird sich zeigen, wer überlebt, wer übernommen wird und wer pleite geht", sagt Morgan Rector, Leiter der Imperial Entertainment Group. Die Imperial Bank ist eine der wichtigsten Institutionen für Filmfinanzierungen. In den letzten zehn Jahren hat das Geldhaus aus Beverly Hills über 400 Hollywood-Filme mitfinanziert.


Im Gespräch sagen sowohl Rector als auch Kirch-Mann Hallig, dass sich durch das Auftreten der Filmfirmen vom Neuen Markt die Kosten für die regionalen Verwertungsrechte an US-Filmen deutlich erhöht hätten. Früher übernahm ein Koproduzent maximal 12 Prozent des Gesamtbudgets, um die deutschsprachigen Rechte zu erhalten. Heute sind es eher 12-15 Prozent, teilweise sogar bis zu 20 Prozent.


Offizielle Angaben über die genauen Prozentsätze machen die börsennotierten Firmen in ihren PR-Mitteilungen grundsätzlich nicht. Trotzdem zeigt allein die Preisexplosion bei Spielfilmen, dass enorm viel Geld investiert wurde. Noch vor zehn Jahren kostete ein Hollywood-Kinofilm rund 20 Mio. $ (46 Mio. DM), heute sind es im Durchschnitt 54 Mio. $ (125 Mio. DM).


Hoch pokern in Hollywood

Besonders hoch gepokert haben die Filmfirmen Intertainment, Helkon und Splendid im ohnehin sehr riskanten Hollywood-Filmgeschäft.


Die Münchner Firma Intertainment schloss im Vorjahr einen Kofinanzierungsvertrag mit der Produktionsfirma Franchise Pictures. Intertainment sicherte sich dabei die Europa- und Chinarechte an 60 Filmen. Geschätztes Gesamtinvestment allein dafür: 1,3 Mrd. DM. Zwar erklärte Intertainment, davon nur einen Bruchteil zu tragen, da die Kino- und TV-Rechte an einzelne Länder weiterverkauft werden.


Stellt sich allerdings ein Film als Flop heraus, so sieht es auch mit den Weiterverkäufen schlecht aus. Und Flops hatte Franchise dieses Jahr einige: "Battlefield Earth" mit John Travolta etwa wurde zum Misserfolg des Jahres. Auch "The Art of War" mit Wesley Snipes und "Get Carter" waren in den USA nur mäßig erfolgreich. Jeder dieser Filme hat ein Budget von mindestens 60 Mio. $. Bei Franchise ist man offenbar der Ansicht, dass der Geldhahn von Intertainment bald versiegen könnte, weshalb die Firma kürzlich einen Kofinanzierungsvertrag mit der Kirch-Gruppeabschloss. Zu einer Stellungnahme war bei Franchise niemand erreichbar.


Intertainment traf es am Freitag auch an der Börse, nachdem dasUnternehmen seine Planzahlen für dieses Jahr deutlich nach untenkorrigieren musste. Statt 290 Mio. DM werde der Umsatz nur 170 Mio. DM betragen. Schuld daran seien verschobene Kinostarts und stockende Rechteverkaufsverhandlungen, so die Gewinnwarnung. Die Aktie stürzte allein am Freitag um rund 30 Prozent auf ihr Jahrestief.


Risiko für Helkon

Helkon, ebenfalls in München ansässig, hat wie Intertainment auch einen ausgesprochen riskanten Koproduktionsvertrag abgeschlossen. Gemeinsam mit dem Traditionsstudio Metro-Goldwyn-Mayer/United Artists produzieren die Deutschen den Streifen "Rollerball", der im Juni 2001 herauskommen soll. Geschätzte Kosten: mehr als 80 Mio. $. Sollte der Film durchfallen, könnte das für Helkon zu einem Desaster werden.


Ähnlich riskant sind die Kinofilmprojekte von Splendid. Die einst auf zweitklassige Videofilme spezialisierte Kölner Firma produziert derzeit über ihre US-Tochter Initial Entertainment für rund 100 Mio. $ den Film "Gangs of New York" mit Leonardo di Caprio. Und während der laufende Film von Initial/Splendid "Dr. T and the Women" (Richard Gere) an den US-Kinokassen kaum reüssiert, plant Initial bereits das nächste Megaprojekt, eine Verfilmung des Lebens von Boxchampion Muhammed Ali für über 100 Mio. $.


Klaus Hallig von Kirch kommentiert den neuen Investitionspoker so: "Der Krug geht eben solange zum Brunnen bis er bricht." Zerbrochen sind bislang jedenfalls schon einige der Träume am Neuen Markt.



© 2000 Financial Times Deutschland
 
aus der Diskussion: Intertainment - Ántworten!
Autor (Datum des Eintrages): local hero 3  (25.11.00 21:19:38)
Beitrag: 16 von 36 (ID:2419011)
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