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Deutsche Oper Berlin setzt aus Angst vor Islamisten Inszenierung ab
Die Vorstellungen von Mozarts „Idomeneo“ für November sind jetzt wegen einer umstrittenen Szene gestrichen. Hintergrund ist eine Gefährdungsanalyse des Landeskriminalamts. Regisseur Hans Neuenfels ist erbost.
Von Manuel Brug


Szene aus der "Idomeneo"-Inszenierung. Der König von Kreta gerät mit den Religionsstiftern aneinander


Der Fall ist im deutschen Kulturleben bisher einmalig: Während Berlins Bischof Huber die bevorstehende Islamkonferenz der Bundesregierung begrüßt, wird bekannt, dass die Deutsche Oper Berlin wegen befürchteter islamistischer Anschläge die ab dem 5. November geplante Wiederaufnahme der Mozart-Oper „Idomeneo“ in der Inszenierung von Hans Neuenfels vom Spielplan nimmt.

Hintergrund ist eine Gefährdungsanalyse des Berliner Landeskriminalamts (LKA), das Hinweise über mögliche Störungen erhalten hatte, dazu aber auch aus ermittlungstechnischen Gründen keine weiteren Angaben machen wollte. Bislang habe aber weder eine konkrete Terrordrohung gegen die Oper vorgelegen, noch habe eine islamische Organisation einen Hinweis gegeben, dass das Stück die religiösen Gefühle von Moslems verletzen könnte.

Wie Opernintendantin Kirsten Harms gegenüber WELT.de bestätigte, hat das LKA die Absage zwar nicht vorgeschlagen, aber Sie selbst habe sich nach reiflicher Überlegung im Interesse der Sicherheit ihrer Mitarbeiter und der bis zu 2000 Zuschauer dafür entschieden, „weil die Risiken nicht zu kalkulieren sind“. In anderen Metropolen wie Paris oder London ist es übrigens seit Jahren üblich, dass Besucher die Theater und Museen nur noch durch eine Sicherheitsschleuse betreten können und ihre Tascheninhalte offenbaren müssen. Die Absage bestätigte das Opernhaus zudem erst, als bereits im Internet davon zu lesen war und Agenturen den Fall aufgegriffen hatten.

„Idomeneo“ wurde 1781 uraufgeführt. Die umstrittene Version hatte im Mai 2003 Premiere und war seit zwei Spielzeiten nicht mehr zu sehen. Die Mozart-Oper erzählt vom Kreterkönig Idomeneo, der nach jahrelangen Irrfahrten aus dem Trojanischen Krieg zurückkehrt und dafür seinen Sohn dem Meergott Poseidon opfern muss. Erst als ein Orakel Rettung verkündet, dankt Idomeno ab und gibt den Thron für seinen Sohn frei.

Hans Neuenfels, der in seiner bewährten Assoziationsmanier bereits vorher Trojas König Priamos samt Anverwandten dem mythischen Personal hinzugesellt hat, begnügte sich damit freilich nicht. Nach einer bisweilen schwer zu entziffernden, aber für seine Verhältnisse braven Inszenierung stellte er dem (in der Oper sonst nicht selbst auftretenden) Poseidon als Vertreter der antiken Götterwelt die Religionsstifter Jesus, Buddha und Mohamed bei. Die stehen auf einem Gerüst rum und sitzen auch da, bis der letzte Opernton verklungen. Dann tritt der entmachtete Idomeneo erneut auf. Irr lachend hat er die Glaubensautoritäten enthauptet, ihre Köpfe werden als Trophäen in einem Sack präsentiert.

Das führte in der Premiere zu einem heftigen, aber kurzen Buhsturm, weitere Vorkommnisse ereigneten sich in Folgevorstellungen nicht. Gegenüber WELT.de zeigte sich Hans Neuenfels erbost gegenüber dem Vorgehen von Kirsten Harms: „Sie hat den Fall nicht mir besprochen, sondern mit bereits im Sommer die Absetzung nur als Fakt mitgeteilt. Ich hätte es lieber gesehen, wenn sie damit nicht so ängstlich und passiv umgegangen wäre, sondern offensiv die die Öffentlichkeit informiert hätte“, so der Regisseur. „Ich habe Ähnliches 1981 in Frankfurt nach meiner ,Aida’ erlebt. Da gab es sogar eine Bombendrohung. Wir haben niemanden informiert, aber das ganze Haus untersuchen lassen und dann gespielt. Natürlich war es nur ein Verrückter.“

Neuenfels sagte, er aber durchaus Verständnis für die Bedenken von Kirsten Harms, „aber man darf sich nicht einschüchtern lassen, zumal die Faktenlage sehr diffus ist. Dann hätte man erst Recht spielen und den Vorgang thematisieren und diskursiv einbetten sollen. Dafür ist in unserem Kulturverständnis das Theater da. Ich weiß nicht, ob ich angesichts der aktuellen Lage den ,Idomeneo’ heute noch so inszenieren würde, aber zu dieser Fassung stehe ich und werde sie nicht ändern. Natürlich frage ich mich, in wie weit man inzwischen schon mit der Schere im Kopf an einen neuen Regieauftrag herangeht.“

Gegenwärtig probt Hans Neuenfels an der Komischen Oper Mozarts „Zauberflöte“, ebenfalls eine Oper mit orientalischem Hintergrund. Wie auch Mozarts „Entführung aus dem Serail“, die an eben diesem Haus in einer besonders kontroversen Inszenierung zu sehen ist, die den einst christlichen Renegaten Bass Selim in nicht eben milden Licht erscheinen lässt. Neuenfels äußerte auch Vermutungen, ob die ganze Affäre nicht von ganz anderer Seite nur vorgetäuscht sei: „Mir kommt das als islamistische Aktion sehr elitär, sehr wissend vor, zumal die Inszenierung schon so lange nicht mehr gespielt worden ist.“

Ob Kirsten Harms hier nicht etwas zu vorschnell gehandelt hat? Berlin ist nichts Dinslaken. Eine solche Absetzung bekommt in der deutschen Hauptstadt an einem so bedeutenden Haus eine viel symbolischere Bedeutung als unter Umständen das mögliche Risiko einer Störung, gegen die man sich hätte wappnen können. Das Theater als moralische Anstalt eines aufgeklärten westlichen Geistes hat sich hiermit jedenfalls keinen Gefallen getan.

Artikel erschienen am 25.09.2006

http://www.welt.de/data/2006/09/25/1050327.html
 
aus der Diskussion: Hurrah wir kapitulieren - Mozarts Idomeneo abgesetzt
Autor (Datum des Eintrages): Heizkessel  (25.09.06 20:05:24)
Beitrag: 3 von 387 (ID:24192761)
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