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Zahlmeister Bernotat (EuramS)

Mit einem finanziellen Gewaltakt will der E.on-Chef die Übernahme der spanischen Endesa endlich unter Dach und Fach bringen. Rechnet sich das Ganze überhaupt noch?
von Armin Zimny

Das Ausmaß der Freizügigkeit Wulf Bernotats war so dann doch nicht bekannt. Um 38 Prozent stockte der E.on-Chef mal eben sein Angebot im Übernahmekampf um den spanischen Versorger Endesa auf. Macht 37 Milliarden Eu-ro oder 35 Euro je Endesa-Aktie. Damit sandte E.on eine eindeutige Botschaft an die Endesa-Aktionäre: "Wir setzen weiter auf die Übernahme und auf die Wachstumsperspektiven des spanischen Konzerns", begründet Bernotat den Griff in die Spendierhosen.

Nachdem der spanische Baukonzern Acciona als Weißer Ritter versucht, die Pläne E.ons zu durchkreuzen, indem er zu Beginn der Woche über zehn Prozent der Endesa-Anteile kaufte und ankündigte, bis auf 24,9 Prozent aufstocken zu wollen, reagierte Bernotat schnell. Am selben Abend verkündete er seine neue Offerte. Einige Analysten zeigten sich kritisch und sprachen von einem übereilten, zu hohen Angebot. Sie senkten ihre Kurserwartungen, die E.on-Aktien büßten kräftig ein.

Bernotat machte jedoch in einer Telefonkonferenz deutlich: "Für uns hat sich die fundamentale Ansicht zum Wert von Endesa nicht geändert." Vielmehr habe sich E.on schon beim ersten Angebot im Februar ausreichend Spielraum gegeben - auf der Basis von Marktschätzungen bis 2015 -, um auf sich verändernde Umstände reagieren zu können. "Dieser Fall ist nun eingetreten, deshalb nutzt E.on seine Flexibilität aus", betont Bernotat. Außerdem erfülle das Angebot noch immer die strengen Investitionskriterien. Nach diesen müssen Akquisitionen im ersten vollen Jahr positiv zum Konzernergebnis beitragen. Innerhalb von drei Jahren muss das übernommene Unternehmen Renditen erzielen, die über den Kapitalkosten liegen. Nach Studium der vergangenen Quartalsberichte von Endesa, "bin ich überzeugt, dass das neue Angebot für E.on-Aktionäre immer noch wertschaffend ist", stellt Bernotat klar.

Trotzdem muss E.on tief in die Tasche greifen. Selbst liquide Mittel von 15 Milliarden Euro und weitere Kredite könnten für die Bar-Offerte nicht ausreichen. Finanzvorstand Erhard Schipporeit deutete deshalb schon an, dass Randgeschäfte verkauft werden könnten und eine Kapitalerhöhung genutzt werden soll. "Die Aufrechterhaltung des A-Ratings bei der Bonität ist nicht in Gefahr", versichert er.

Warum geht E.on so schnell aufs Ganze? Der größte deutsche Energiekonzern wollte mit der Aufstockung des Angebots weiteren Widerstandsüberlegungen der Endesa-Aktionäre den Boden entziehen. Zudem sollte verhindert werden, dass Acciona seinen Anteil ausbaut und die Übernahme blockiert. Indirekt hat Acciona bereits Gesprächsinteresse signalisiert. Finanziell hat sich das Engagement schon gelohnt. Für 32 Euro pro Aktie kaufte Acciona ein - das E.on-Angebot bedeutet über 300 Millionen Euro Gewinn. Überhaupt werden die Aktionäre, die vor mehr als einem Jahr Endesa-Papiere gekauft haben, richtig absahnen. Als Gas Natural den Bieterwettkampf auslöste, stand die Aktie bei 18 Euro. Mit dem neuen 35-Euro-Angebot von E.on könnten diese Anteilseigner ihre Einlage nahezu verdoppeln. Das ist die große Chance für E.on, denn ein Rückzug der Deutschen würde den Kurs einbrechen lassen.

Für die Düsseldorfer heißt es trotzdem warten. Wann setzt die spanische Regierung die Vorgaben der EU-Kommission um und reduziert die mit der Übernahme verbundenen Auflagen, wie die Trennung vom lukrativen Geschäft auf den Kanaren sowie einen Teil der in Spanien produzierten Atomenergie? Bernotat rechnet "spätestens Anfang November" mit einem Bescheid.

Einfacher und billiger könnte der Deal verlaufen, weil Bernotat nicht mehr alle Endesa-Anteile haben will und sich mit mehr als 50 Prozent der Aktien und Stimmrechten zufrieden- gibt. Die strategischen und industriellen Vorteile der Übernahme werden von niemandem bezweifelt. Der Konzern bekommt Zugang zu Märkten, auf denen er bislang kaum präsent ist, neben Spanien, Italien und Frankreich vor allem Südamerika. Zusammen ein Zugewinn von etwa 50 Millionen Kunden. In den neuen Märkten sind gute Renditen möglich. Außerdem würde E.on sich an die Spitze der europäischen Energieversorger setzen. Damit lässt sich die Einkaufsmacht vergrößern und kräftig Kosten drücken. Gerade in Spanien ist die Energieerzeugung im Vergleich zu anderen EU-Ländern deutlich teurer.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob Bernotat nicht zu tief in die Tasche greift. Selbst er wenn sich mit 50,01 Prozent der Anteile zufriedengibt, bedeutet das neue Angebot fünf Milliarden Euro Mehrkosten. Nicht mitgerechnet sind die 39 Milliarden Euro an Endesa-Verbindlichkeiten, die E.on übernehmen müsste. Die schmälern das Wertschöpfungspotenzial in jedem Fall.

Beschränkt sich E.on auf die unternehmerische Führung, besteht immer die Gefahr, dass andere Großaktionäre das operative Geschäft erschweren und somit zusätzliche Kosten entstehen. Das ist ein gewagtes Unterfangen, aber wohl der Preis, um sich an Europas Spitze zu setzen und länderübergreifend aktiv zu sein. Es kann sich rechnen, doch noch sind sehr viele Unwägbarkeiten im Spiel.

Quelle:Finanzen.net 01/10/2006 08:20
 
aus der Diskussion: Tages-Trading-Chancen am Montag., den 02.10.2006
Autor (Datum des Eintrages): KaterCarloDAX  (02.10.06 07:18:38)
Beitrag: 3 von 454 (ID:24335660)
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