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40.

„Was soll das denn heißen?“, fragte er.
Die Empörung sprach ihm aus den Augen.
Sie kicherte.
„Du kannst echt süß sein!“
Das brachte ihn endgültig um seine Fassung. Auf der Liste „Was man nie zu Frauen sagen darf!“ stand ganz oben „Du siehst süß aus, wenn du sauer bist!“ und das wusste und beachtete jeder(mann), aber umgekehrt sagten Frauen ihm das andauernd.
Wo blieb da die Gleichberechtigung?
„Ist das so!“, knurrte er.
„Du müsstest dich mal selber sehen! Dieser Blick! Wuhahaha!“
Allmählich kam in ihm der Gedanke auf, dass Maries blonde Freundin vielleicht doch nicht so übel war, obwohl oder gerade weil Marie sich unter ihrem Einfluss sehr zurückhaltend benahm.
„Und warum willst du dich dann hier von mir trennen? Aus Angst, dich aus versehen totzulachen?“
„Nein, du kannst hier einfach nicht rein.“
„Arbeitet da etwa irgendjemand, der mich nicht sehen darf?“
„Nein. Aber, kannst du nicht lesen? Guck mal!“
Sie deutete hinter sich.
„Bin ich ein Hund?“, fragte er.
Da war tatsächlich ein Abziehbild von einem Verbotsschild und in dessen Mitte prangte ein hübsches Bild von zwei niedlichen, aber mit einem roten „X“ durchgestrichenen Welpen.
Ihm fiel wieder die berühmte Filmszene ein, in der Bruce Lee ein Schild mit der Aufschrift „Zutritt für Hunde und Chinesen verboten“ in die Luft warf und in der Luft in Stücke trat. Leider ging das hier nicht, denn das Schild war nur ein Aufkleber und er konnte schließlich nicht die ganze Tür in die Luft werfen und...
„Du kannst wirklich nicht lesen!“, rief sie.
Auch das war wieder typisch für Frauen. Andauernd sagten sie irgendwelche Sachen, über die man erst lange nachdenken musste und dann ließen sie einem nicht die Zeit dazu.
„Ich dachte gerade an einen Film...“
„Film? Ach ja, Männer können schließlich besser gucken als denken.“
Es war gemein, das zu sagen. Es gab auf der Welt mehr Frauen als Männer. Wo blieb der Minderheitenschutz?
„Du hast dir wirklich nur das Bild angeguckt! Aber was steht da drunter?“
„Hunde verboten?“, fragte er ohne Hingucken.
„Nein! Inline-Skaten verboten!“
„Da ist ein Bild, dass Hunde verboten sind und sie schreiben drunter, dass man auf Inline-Skates nicht hinein darf? Wo steckt denn da die Sinngebung! Denken die, dass Hunde Inliner fahren oder was!“
Er konnte schon ganz schön kritisch sein, der Jean Paul, und wenn er schlecht gelaunt war oder ihm etwas verboten werden sollte, ging es richtig mit ihm durch.
„Nein“, sagte sie erneut, diesmal gedehnt, „diese beiden Sachen gehören überhaupt nicht zusammen. Das Bild spricht für sich selbst und ist darum ohne Worte, weil es da eben nicht mehr Not tut, auch noch was dazu zu schreiben und in Bezug auf das Inline-Skaten haben sie eben noch kein passendes Bild und darum nur Worte. Das ist zweierlei.“
Das erinnerte Jean Paul daran, dass Marie Dozentin war. Aber eigentlich waren sowieso alle Frauen Dozentinnen. Bei Jean Paul ganz besonders.
„Aber rein dürfen wir alle nicht!“
„Aus verschiedenen Gründen!“
„Das habe ich verstanden! Aber ich finde es trotzdem ziemlich heftig, dass du behauptest, ich könnte nicht lesen!“
„Oje.“
„Also, das hängt alles ziemlich tief. Darum habe ich darüber hinweg gesehen!“
„Vielleicht sollte das Verbot für diejenigen, die eigentlich angesprochen sind, auf deren Augenhöhe sein...“
„Du meinst, für dänische Doggen?“
„Nein, ich meine jetzt nicht das Schild! Ich meine das Verbot für Inline-Skates! Schließlich sind es doch meistens Kinder, die... mit Inlinern fahren.“
„Okay, das habe ich“, unterbrach er. „Wann tun wir es zusammen?“
„Was tun wir zusammen?“
„Inline-Skaten. So haben wir uns kennen gelernt. Ist noch nicht so lange her...“
„Heute nicht mehr. Ich bin schon mit dem Rad gefahren!“
„Ich weiß“, knurrte er.
„Morgen abend! Hol mich ab! So, jetzt muss ich aber rein!“ Sie schloß ihr Rad ab. „Und du musst gehen!“
„Moment!“, rief er. „Da ist noch ein Verbot!“
Er deutete auf das Schaufenster und las vor: „Fahrräder anlehnen strengstens verboten!“
Sie guckte hin und schaute dann wieder in seine Richtung.
„Dann halte es so lange fest, damit es nicht umkippt “, sagte sie und drückte ihm das Rad in die Hand.
„Gerade sagtest du aber, ich sollte gehen!“, protestierte er mit der für ihn typischen Eigenschaft, nachtragend zu sein.
„Ich bin eine Frau, ich darf meine Meinung ändern“, sagte sie.
Er sah ihr nach.
Luder. Aber hübsch. Und wenigstens nicht langweilig.

Fortsetzung folgt

Vorschau:
Keiner ist perfekt. Es finden sich weitere Hinweise, dass auch unser Held diese Anschauung nicht widerlegen kann.
 
aus der Diskussion: Telefon-Agent: Die Abenteuer des
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (08.10.06 11:24:35)
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