Fenster schließen  |  Fenster drucken

Fortgesetzter Aderlass im Technologiesektor
Tiefer Sturz der Nasdaq nach Gewinnwarnungen
Aus dem Jahresend-Rally an den Börsen scheint nichts zu werden. Im Gegenteil: Die US-Technologiebörse Nasdaq hat diese Woche schon um mehr als 10% nachgegeben. Unter den Analytikern gibt es optimistische und pessimistische Stimmen.

Tz. New York, 30. November

An den US-Börsen scheint der schwere Aderlass im Technologiesektor vorerst kein Ende nehmen zu wollen. Neue Gewinnwarnungen, diesmalvom PC-Konzern Gateway und vom Halbleiterunternehmen Altera, lösten am Donnerstag ander technologielastigen Nasdaq-Börse einen weiteren heftigen Kursrutsch aus. Der Nasdaq-Composite stürzte bis anderthalb Stunden vor dem Gongschlag um über 6% in die Tiefe, nachdem er bereits seit Montag starke Einbussen erlitten hatte. Der Index hat damit im bisherigen Wochenverlauf mehr als 12% verloren. Am Donnerstagmittag lag er um fast 40% unter dem Stand per Ende 1999 und knapp 50% südlich des Hochs vom vergangenen März.

Deutlich geringere Kursverluste von rund 2 bis 3% erlitten - jedenfalls bis am früheren Donnerstagvormittag - der Dow Jones Industrials und der S & P 500; diese Indizes, die vorab Titel der «Old Economy» spiegeln, haben auch im bisherigen Jahresverlauf deutlich weniger drastische Verluste erlitten. Sie liegen in der Grössenordnung von 10%. Der Kurs der schon während der letzten Monate arg gepeinigten Gateway-Aktien sackte bis am frühen Nachmittag um zusätzliche 38% ab, so dass der Marktwert des Unternehmens gerade noch knapp einem Viertel der im Dezember 1999 registrierten Spitzenkapitalisierung von 25 Mrd.$ entsprach. Der Kurs von Altera fiel um 13% auf $ 22.50 - einen Drittel des Anfang September registrierten Höchstkurses.

Optimismus von Abbey Cohen
John Manley, der Aktienstratege des Wertschriftenhauses Salomon Smith Barney, meinte mit Blick auf das Blutbad im Technologiesektor, dass die Investoren «nicht mehr den Boden, sondern den Ausgang suchen». Tatsächlich wurde die bei Goldman Sachs aktive, berühmte Optimistin Abbey Joseph Cohen am Donnerstag erneut vom Brüllen der «Bären» übertönt. Offenkundig fand Cohen vorab wenig Resonanz mit ihrer Einschätzung, dass der Markt nun doch zunehmend Kaufgelegenheiten biete - und dies nicht zuletzt imTechnologiesektor. Dabei prognostizierte die prominente Augurin für die nächsten 12 Monate eine 25%-ige Avance des S & P 500, wobei sie dem Technologiesektor in ihrem Modellportfolio wieder einen leicht überdurchschnittlichen Anteil von 35% zuordnete.

Abgesehen von den aus ihrer Warte wieder attraktiven Bewertungen begründete Cohen ihre Zuversicht mit substanziellen Beträgen von Bargeld, die sich bei den Anlagefonds aufgestaut haben. Die Cash-Positionen der amerikanischen Aktienanlagefonds stiegen gemäss dem Company Investment Institute per Ende Oktober auf 213 Mrd. $, gegenüber 193,1 Mrd. $ im Vormonat. Das war das höchste Niveau in den vergangenen zwei Jahren, wobei bemerkenswerterweise immer noch Neugeld im Betrag von 19,1 Mrd. $ zufloss. Und Fondspezialisten gehen davon aus, dass den Aktienfonds im November netto nochmals gut 10 Mrd. $ zugeleitet wurden.

Panik nach der Manie?
Dass die Investoren in letzter Zeit überempfindlich auf negative Gewinnnachrichten reagierten, glaubt auch Christine A. Callies, die Marktanalytikerin von Merrill Lynch. In ihrem neusten Strategiebericht vertritt sie die Ansicht, dass die Ängste vor einer «harten Landung» der US-Konjunktur und vor einem Kreditengpass völlig übertrieben seien. Eine nüchterne Einschätzung der Konjunkturlage lasse eine solide Kurserholung an den Börsen innert sechs Monaten erwarten. Das Ausbleiben des typischen Jahresendrallys versuchte Callies nicht zuletzt dem Gezerre um die amerikanische Präsidentschaft anzulasten. Im Hause Merrill Lynch gibt es allerdings auch einige Pessimisten. Der Technologie-Analytiker Steven Milunovich etwa befürchtet, dass der von ihm beobachtete Sektor noch einige Zeit zumindest unter negativer Marktpsychologie leidenwerde. Die Beweislast liege derzeit bei den Optimisten. Phasen der «Manie», wie sie von 1995 bis 2000 geherrscht habe, würden regelmässig von Panik-Perioden abgelöst.
 
aus der Diskussion: Börsenguru`s
Autor (Datum des Eintrages): Bischoff  (01.12.00 11:13:58)
Beitrag: 72 von 150 (ID:2453741)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE