Fenster schließen  |  Fenster drucken

42.

Nach dem Inline-Skaten rief Jean Paul bei Aphrodite an, doch sie nahm nicht ab. Er ging ins Internet und fand eine neue Mail von Mireille, in der sie ihm wieder unzählige Fragen stellte. Nachdem er die Hälfte davon beantwortet hatte, überkam ihn eine gewisse Müdigkeit und er beendete das Ganze, in dem er "und der Rest geht dich nichts an" hinzufügte. Schließlich fand er, dass das vielleicht doch zu unfreundlich und zu wenig motivierend wirkte und machte daraus "und den Rest musst du schon selber rausfinden, indem du mich triffst". Auch das war möglicherweise noch etwas roh und so ersetzte er das "musst" durch "kannst". Er schickte diese Antwort ab und klickte anschließend auf "Aktualisieren", um zu gucken, ob in den letzten Minuten etwas Neues gekommen war. Durch das ganze Feilen an Worten fühlte er sich nun wieder in der nötigen künstlerischen Laune, um seinen post-modernen Pseudo-Makkaroni-Western fortzusetzen.

Der Barkeeper spuckte in das Glas und wischte es mit einem vom Waffenreinigen öligen Tuch wieder aus.
"Okay, Fremder", sagte er. "Ich schenke dir verd... nochmal den besch... Dollar. Du kriegst ein verd... sauberes Glas, ohne dass du dafür extra bezahlen musst. Soll keiner sagen, dass wir hier nicht verd... gastfreundlich wären. Das unterscheidet uns nämlich von den verf... Rothäuten, die hier immer jeden verjagen und bloß für sich sein wollen."
"Quatsch keine Opern, Schnullerbacke", knurrte der Fremde. "Ich weiß ver... nochmal nicht, warum ich dich A... nicht einfach über den Haufen ballern soll. Du milchtrinkender Hu...n hast meinen besten Freund erschreckt! Meinen einzigen verd... Freund!"
Er legte die Hand auf seinen Colt.
Ein Raunen ging durch den Raum. Der Dorftrottel am Tisch hinten links pupste vor Schreck und es war so still, dass es alle hören konnten. Normalerweise hätte man ihn dafür ohne Nachdenken erschossen, aber an diesem Tag waren so viele Männer im Saloon, dass sich jeder sicher war, dass irgendein anderer der Kerl erschießen würde.
"Ich habe deinen Freund erschreckt?", fragt der Barkeeper.
"Ja."
Der Fremde zog die Waffe und hielt sie dem Barkeeper vor die Nase.
"Ich dachte, ich hätte nur dein Pferd erschreckt!"
"Mein Pferd ist mein bester und einziger Freund!", sagte der Fremde bitter.
"W-wenn es so schreckhaft ist, erschreckt es sich bestimmt auch, wenn es jetzt hier drin knallt!"
"Nee, das Geräusch ist es verd... nochmal gewohnt, Fischauge! Es erschreckt sich nur, wenn was quietscht, denn das kennt es nicht, weil ich meinen Sechsschüsser regelmäßig einöle und ihn auch sonst keinen verd... Rost ansetzen lasse!"
Der Barkeeper begann zu zittern.
"Könntest du bitte den Revolver aus meiner Nase nehmen?"
"Könntest du bitte mit dem Zittern aufhören?", fragte der Fremde. "Sonst schieße ich dir noch aus Versehen ein drittes Nasenloch und dann ziehst du Nebenluft und das ist schlecht für die Kompression, Schweinereiter!"
"Kann ich dich irgendwie versöhnen?", erkundigte sich der Barkeeper bange.
"Ja. Whiskey!", rief der Fremde und steckte seinen Revolver wieder ein. "Aber was Starkes! Wenn ich davon blind werde, ist es auch nicht schlimm, denn anders ist der Anblick von diesem Dreckskaff mitten Im Indianerreservat überhaupt nicht zu ertragen!"
Der Barkeeper glättete seine Weste und seine Schürze.
"Whiskey gibt es hier erst ab 18, Kid!", rief der Barkeeper mit neuem Mut. "Kannst du dich irgendwie ausweisen?"
"Sicher", sagte der Kid und holte aus seiner Weste ein Blatt Papier, das er auf der Theke auseinander faltete.
"B-billy the Kid?", fragte der Barkeeper, den der Mut schon wieder verließ.
"Das ist mein offizieller Steckbrief! Lies! Oder muss ich erst wieder auf dich zielen?"
"G-gesucht wegen 18-fachem Mordes...", las der Barkeeper vor.
"Genau!", rief der Fremde triumphierend, während sich hinter ihm der Saloon leerte.
"Kriege ich jetzt meinen Whiskey!", brüllte der Fremde. "Oder gibt es den jetzt erst ab 19 und muss ich dich auch erst noch abknallen!"
Es klang keineswegs wie eine Frage.
"S-soll ich das Glas noch einmal saubermachen?"
"Gib mir die Flasche!"
Der Barkeeper reichte ihm die Flasche.
"So ist es brav", sagte der Fremde ud nahm ihm die Flasche ab.
"H-Herr im Himmel...", betete der Barkeeper.
"Kannst von mir grüßen!", sagte der Kid, zog blitzschnell und erschoss ihn.
"Das hast du davon, Nervensäge", fügte er hinzu.
Nun wollte er Whiskey trinken, aber die Flasche lag auf dem Boden und war bereits komplett ausgelaufen. Der Fremde hatte mit derselben Hand gezogen und geschossen, mit der er die Flasche gehalten hatte. Darum war sie herunter gefallen.
Der Fremde war eben leider nicht besonders klug.
Aber dafür war er schnell.

Während er darüber grübelte, wie er das Ganze packender gestalten und die Spannungen zwischen den unterschiedlichen Person deutlicher herausstellen konnte, klingelte sein Telefon.
"Königlich-Dänische Doggen-Entlausungsanstalt Kakerlakensen?", sagte er zum Spaß, obwohl er für die noch nie als Telefon-Agent gearbeitet hatte.
"Wer ist da?", fragte die Frau am anderen Ende.
"Marie?", fragte er.
"Ist Marie eine Dogge?"
"Mireille? Hier ist Jean Paul!"
Sie atmete geräuschvoll aus.
"Dann sage das doch!", schimpfte sie.
"Spaß muss sein. Übrigens, ich habe einen neuen Job. In einer Software-Firma. Der Chef ist genial."
"Woher weisst du, dass er genial ist?"
"Er hat einen Mac. Ich habe auch einen Mac."
"Sind die nicht teuer?"
"Meiner hat mich nichts gekostet. Der hat sich selbst finanziert. Als er angekündigt wurde, war ich sicher, dass er ein Erfolg wird und da habe ich Aktien erstanden und anschließend habe ich sie wieder verhökert und von dem Gewinn konnte ich mir selber einen Mac kaufen."
"Ich habe am Wochenende Zeit!", stieß sie atemlos hervor. "Schon am Freitagnachmittag!"
Technik schien sie nicht zu interessieren.
"Und was willst du mit der freien Zeit anfangen?", fragte er, während er immerzu an die über 150 Kilo von Aphrodite denken musste.
"Willst du mich nicht sehen?", fragte sie.
Vielleicht lieber nicht.
"Klar, am besten nackt", sagte er optimistisch.
"Huh", sagte sie, "ich weiß nicht, ob ich das schon beim ersten Date einrichten kann!"


Fortsetzung folgt

Vorschau:
Jean Paul hat zwei angenehme und vielversprechende Arbeitstage, aber bei der Arbeit an seinem Western ereilt ihn eine Schreibblockade und so flüchtet er sich auf der Suche nach einer ihn wieder inspirierenden Muse in die Begegnung mit Mireille!
 
aus der Diskussion: Telefon-Agent: Die Abenteuer des
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (12.10.06 22:49:19)
Beitrag: 84 von 352 (ID:24590270)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE