EM.TV schockiert sogar Pessimisten Katastrophales Geschäft im dritten Quartal – Kann Kirch das Unternehmen retten? Von Adrian Blum Frankfurt Die deutsche EM.TV & Merchandising hat selbst die schlimmsten Befürchtungen übertroffen und einen katastrophalen Zwischenbericht vorgelegt. Es hat sich herausgestellt, dass im Kerngeschäft die Margen eingebrochen sind und dass sich der Vorstand mit Akquisitionen übernommen hat, sowohl finanziell als auch in Sachen Management-Kapazität. Was sich an der Börse in den vergangenen Wochen und vor allem am Montag und Dienstag abspielte, überstieg die Vorstellungskraft selbst vieler skeptischer Marktteilnehmer (vgl. Zum Thema, Seite 2). Der Kursrutsch seit dem Jahreshoch (119.50 Euro) auf jetzt rund 8 Euro entspricht einem Wertverlust von gut 15 Mrd. Euro oder umgerechnet 24 Mrd.Fr. Der neue Finanzchef Rolf Rickmeyer hat zu Tage gebracht, was «wirklich» los ist. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden – falls es nicht bereits dazu gekommen war –, wurden radikale Massnahmen eingeleitet: Beteiligungen werden abgestossen und Macht und Einfluss in der eigenen Gesellschaft zurückgeschraubt. In beiden Fällen ist der deutsche Medienmogul Leo Kirch, der Ziehvater von EM.TV-Gründer Thomas Haffa, der Nutzniesser. Margen brechen ein Wie erwartet, hat EM.TV die Zahlen per Ende September lediglich für die Einzelteile getrennt vorgelegt und nicht konsolidiert für den Konzern (vgl. unten stehende Tabelle). Was jedoch nicht erwartet wurde, ist die miserable Ergebnissituation. Dazu kommt, dass in den Zahlen die Abschreibungen auf übernommene Unternehmenswerte (Goodwill) nicht enthalten sind. Diese werden auf 300 Mio. DM geschätzt, werden aber erst im konsolidierten Bericht für das Gesamtjahr 2000 sichtbar sein. Frühere Schätzungen setzten diese Grösse auf etwa die Hälfte an. Schon der nicht konsolidierte Zwischenbericht ist düster. Die ursprüngliche EM.TV allein hat bis Ende September mit einem Umsatz von knapp 255 Mio. DM einen Verlust von 135 Mio. DM geschrieben. Schockierend sind die Zahlen für das dritte Quartal: Mit einem Umsatz von knapp 32 Mio. DM wurde ein Verlust von fast 160 Mio. DM erzielt. Die Erklärung des Unternehmens ist äusserst mager: «Das Ergebnis in dem traditionell schwächsten Quartal wurde in der sehr konservativen Bilanzierung vor allem durch Umsätze, die hinter den Erwartungen zurückblieben, massgeblich beeinflusst.» Wie die Verluste im Einzelnen entstanden sind und wie sie sich entwickeln werden, darüber wird geschwiegen. Auch die per 1.April zu 100% übernommene Jim Henson schreibt rote Zahlen. Erfreulich dagegen präsentieren sich die Tele München und die Formel-1-Gesellschaft SLEC. Just diese beiden Gesellschaften verlieren für EM.TV jedoch an Bedeutung. Der indirekte Anteil an SLEC wird von 50 auf 25,5% verringert. Das Paket von 24,5% geht für 550 Mio.$ an die Kirch-Gruppe. Gekauft hat EM.TV die 50% im Februar zu 1,65 Mrd.$ (712,5 Mio.$ in bar, den Rest in Aktien). Die Möglichkeit, dem SLEC-Aktionär Bernie Ecclestone im Februar weitere 25% abzukaufen, muss Haffa mangels Finanzkraft wohl fahren lassen. Tafelsilber verkaufen Die Kirch-Gruppe wird ausserdem den 50%-Anteil am Junior-Gemeinschaftsunternehmen in eine direkte Beteiligung an EM.TV (16,74%) über eine Kapitalerhöhung tauschen. EM.TV muss aber weitere Beteiligungen verkaufen, auch Tele München (Anteil 45%) steht zur Disposition. Ob der Einstieg von Kirch die Zukunft von EM.TV gesichert hat, ist offen. Die Ergebnisprognosen für das Gesamtjahr müssen auf unglaubliche Weise zurückgeschraubt werden: Als Gewinn vor Zinsen und Steuern sagt EM.TV für das Jahr 2000 nun nicht mehr 525 Mio. DM voraus, sondern nur noch rund 50 Mio. DM, allerdings immer noch vor Abschreibungen auf Goodwill. Unter dem Strich wird also ein Verlust von mehr als 200 Mio. DM herauskommen. Da tröstet es nicht, dass der prognostizierte Umsatz mit knapp 1,4 Mrd. DM nur leicht nach unten revidiert wurde. Auf welche Art und Weise und in welchem Zeitraum EM.TV aus dieser Situation herauskommen will, ist völlig unklar. Eine Voraussage, wie sich die Margen entwickeln könnten, fehlt. Es hat den Anschein, dass die Lizenzen bei weitem nicht zu den Preisen vermarktet werden können, die sich Thomas Haffa vorgestellt hat. Vielleicht müssen ja Biene Maja, Kermit und all die andern im Zeitalter von Pokémon, Playstation und Nintendo ohnehin bald sterben. Wie EM.TV nun weitere Rechte einkaufen will, ist angesichts der angespannten Lage völlig offen. Die Zeiten, in denen der Manager seine Geschäftspartner auf Luxusjachten in den Buchten vor Cannes grosszügig bewirten und bezirzen konnte, sind vorbei. Das Engagement von Kirch ändert nicht an den Problemen, die offenbar im operativen Geschäft herrschen. Die Liquidität des Konzerns sei sichergestellt, heisst es, die Verschuldung betrage derzeit 2,2 Mrd. DM. Das Rätselraten um die tatsächliche finanzielle und operative Situation wird aller Voraussicht nach bis zur Vorlage des konsolidierten Berichts im kommenden Frühjahr anhalten. |
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aus der Diskussion: | EMTV - Ende der Muppetshow |
Autor (Datum des Eintrages): | Tschosef (07.12.00 09:23:26) |
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