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"Vom Himmel hoch ..."

Absturz eines Superstars: Kein Unternehmer ist in Deutschland jemals so schnell so steil aufgestiegen wie Thomas Haffa, der
Gründer von EM.TV. Doch seine Karriere basierte auf Phantasie und trickreichen Geschäften. Haffa hat sich übernommen,
seine Firma wird geschluckt.


Der Mann war gewohnt, sich alle seine Träume erfüllen zu können - auch bei der Arbeit. Im Keller seines neuen
Firmengebäudes im Münchner Vorort Unterföhring brutzelt ein Drei-Sterne-Koch persönlich für ihn, Essensdüfte künden den
Mitarbeitern von den Lieblingsmenüs ihres Dienstherrn.
Selbstverständlich kann der EM.TV-Chef Thomas Haffa, 48, von der Tiefgarage direkt mit dem Aufzug zur Vorstandsetage
fahren, wo ein Sekretärinnenpool über den Zugang zu den großzügig dimensionierten Büros wacht.

Dort sieht es aus wie in den "Trading Rooms" eines Investmenthauses: Computerterminals zeigen die aktuellen Börsenkurse
an. Manche Besucher fühlen sich an den US-Film "Wall Street" erinnert, in dem ein Finanzhai namens Gordon Gekko in einem
ähnlichen Ambiente über Firmen und Aktien gebietet.

Der Blick des Firmenchefs aus dem Fenster fällt auf eine große Südterrasse, die mit Holzbohlen versehen ist - alles soll einem
Schiffsdeck ähneln, dem liebsten Aufenthaltsort des passionierten Yacht-Fans Haffa. Und wenn er reden will, trifft der
Vorstandschef einfach seinen Bruder und Stellvertreter Florian, 35, vom Büro nebenan.

Dieses Idyll im Unterföhringer Gewerbegebiet werden die Haffa-Brüder freilich nicht mehr lange wie bisher genießen können:
Ihre Zeit als selbständige Unternehmer läuft ab.


© DER SPIEGEL

Eiszeit bei EM.TV

Der Neue Markt, der Haffas einzigartige Karriere in ungeahnte Höhen getrieben hatte, sorgte auch für den jähen Absturz des
Shooting-Stars. Die Börse hatte die kleine Firma EM.TV (Umsatz 1999: 315 Millionen Mark) mit aberwitzigen
Milliardenbeträgen bewertet, weil sie den Fähigkeiten Haffas vertraute, aus einer Klitsche ein Weltunternehmen im
Disney-Format zu machen. Stattdessen steht EM.TV jetzt vor einer Übernahme - und die Haffas vor der Entmachtung.

Vor neun Monaten schien der frühere BMW-Lehrling und Schreibmaschinen-verkäufer Thomas Haffa auf dem Gipfel seiner
Karriere angekommen. Damals, im Februar, kostete eine EM.TV-Aktie knapp 116 Euro, und die ganze Firma mit ihren Film-
und Sportrechten war mehr wert als die Lufthansa mit ihren vielen Jets - sagenhafte 27 Milliarden Mark.

Vergangene Woche aber war der Aktienkurs bis auf 16 Euro gesackt, ein dramatischer Verfall von 85 Prozent gegenüber
dem Höchststand. Statt 27 Milliarden war EM.TV auf einmal nur noch 5 Milliarden Mark wert. Das laufe ganz nach dem
Motto "Vom Himmel hoch, da komm ich her", spottet Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, lange Zeit einer der wenigen
Haffa-Kritiker.

Ganz plötzlich hat sich auch die wundersame Umsatz- und Gewinnvermehrung, die den Börsenkurs lange Zeit beflügelte, ins
Gegenteil verkehrt. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen, einst bei 600 Millionen Mark veranschlagt, rutscht auf unter 50
Millionen. Auch der für das Jahr 2000 prognostizierte Überschuss von rund 350 Millionen Mark muss deutlich reduziert
werden - nun wird daraus ein Verlust. Und statt der munter verkündeten 1,6 Milliarden Mark Umsatz kommen 14 Prozent
weniger zusammen: 1,38 Milliarden.

Noch im Oktober hatte Florian Haffa allen Investoren treuherzig versichert, es bleibe bei den ursprünglichen Planungen.



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Umverteilt: Der geplante EM.TV-Deal

Binnen weniger Wochen hat sich so eine vielfach beschriebene Erfolgsgeschichte über die nahezu unendlichen Möglichkeiten
der neuen Wirtschaftswelt in eine ganz andere Geschichte verwandelt: Die handelt von Größenwahn und Selbstüberschätzung.
Und davon, dass auch in der New Economy am Ende die alten Werte zählen: Die Zahlen müssen stimmen.

Die Geschichte des Thomas Haffa ist symptomatisch für den Aufstieg und den Absturz des Neuen Marktes. Der stets gut
gebräunte und lachfrohe Selfmade-Mann Haffa war der Popstar dieser Risikobörse für Wachstumswerte, eine Art
Galionsfigur der deutschen New Economy. Was immer der Jung-Milliardär auch anpackte, es schien ein rauschender Erfolg
zu werden.

Und er wusste den neuen Reichtum zu genießen: Eine Hochseeyacht, eine Riesenfinca auf Mallorca, ein Lear-Jet, ein
Challenger-Flugzeug, eine neue Prachtvilla im Münchner Nobelviertel Bogenhausen gehören zu seinen Besitztümern.

"Wo er geht und steht, umweht den Macher von EM.TV das Parfum `Eau de Erfolg`", dichtete die Illustrierte "Bunte". Auch
die seriöse "Business Week" brachte ihn auf den Titel: "The Cartoon King". Wie im Rausch kaufte seine Medienfirma EM.TV
eine Firma nach der anderen auf, zum Schluss etwa das Hollywood-Studio The Jim Henson Company ("The Muppets Show")
sowie eine Beteiligung an der Formel 1. Doch die Shopping-Exzesse haben die Management-Künste der Gebrüder Haffa
offenbar arg überfordert, wie sich jetzt herausstellt: Geschäftszahlen wurden falsch gemeldet, die Gewinne sind zweifelhaft,
eine hohe Verschuldung lastet auf der Bilanz - und die Zinsen für Kredite drohen die Überschüsse aufzufressen.

Ändert sich nichts, wäre EM.TV möglicherweise schon bald am Ende. "Bisher gab es keine Leistungsstörung", sagt ein
Banker über die Finanzen der Haffas.


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Vom Abteilungsleiter zum Märchenprinzen und wieder zurück - die unternehmerische Kontrolle bei EM.TV ergreift nun ein
Mann, der schon seit langem im Verborgenen hinter dem Erfolg der Bayern-Yuppies stand: der Münchner Film- und
Medienkaufmann Leo Kirch, 74. Dessen Firmengruppe will - vermutlich bis auf einen kleinen Anteil - die EM.TV-Aktien der
Haffa-Familie übernehmen. Damit ist Kirch künftig wahrscheinlich Herr im Haus; eine geplante Übernahme avisierte er bereits
dem Bundeskartellamt. Als Ausgleich soll Thomas Haffa rund drei Prozent an der Holding KirchMedia erhalten, in der
Fernsehsender (Sat.1, ProSieben), TV-Produktionen und Rechtehandel vereint sind. Diese Gesellschaft ist nach einer letzten
Firmenbewertung offenbar rund 30 Milliarden Mark wert.

Vom Übernahmekandidaten Haffa verlangt Kirch hingegen einen deutlichen Abschlag für dessen EM.TV-Paket, das an der
Börse noch immer rund 2,5 Milliarden Mark wert ist. Kirch und seine Banken halten 1,2 Milliarden für einen fairen Wert, wie
sie den deprimierten Haffa-Brüdern bei den Verhandlungen mitteilten. Die EM.TV-Strategen hatten fast acht Prozent an
KirchMedia gefordert.

Im Zuge der Neuordnung, die von Münchner Anwälten und den Investmenthäusern Lehman Brothers und Merrill Lynch
organisiert wird, wird das Geschäft mit der Formel 1 aus EM.TV herausgelöst und als separate Einheit im Kirch-Konzern
fortgeführt werden. Ziel sei es, "eine neue EM.TV ohne Schulden aufzubauen", sagt ein Kirch-Vertrauter. Kirchs Leute
übernehmen die Kontrolle, ob Haffa dem Management angehören wird, ist ungewiss. Die jüngsten Rochaden scheinen all jene
zu bestätigen, die EM.TV schon immer als Satelliten des Münchner Medienhändlers gesehen haben. Tatsache ist: Beide
Firmen sind durch eine Reihe von Geschäften eng miteinander verbandelt. Das trug dazu bei, dass der Börsenkurs von
EM.TV überhaupt erst jene Schwindel erregenden Höhen erreichen konnte, von denen er jetzt so jäh abstürzte. Abgekartetes
Spiel?

Der Verdacht, dass EM.TV eine "Ausgründung des Kirch-Konzerns zur Geldbeschaffung" sei, liege sehr nahe, sagt der
Unternehmensberater und frühere Grimme-Instituts-Chef Lutz Hachmeister. Immerhin hat Kirch auch in der Vergangenheit
Geschäfte über Dritte betrieben. Doch Beweise für diese These gibt es nicht, die Beteiligten dementieren.

Schon in den Achtzigern hatte der ehrgeizige Haffa, als Geschäftsführer bei Kirch für die Vermarktung populärer TV-Figuren
wie Biene Maja zuständig, von einer Partnerschaft mit dem Chef geträumt. "Leo, ich brauch Equity", sagte er damals, Leo, ich
brauch Kapital.

Doch 1989 machte sich der Manager zunächst allein selbständig, mit eher mäßigem Erfolg. Größter Hit war noch die
Vermarktung des singenden Drachen "Tabaluga" von Peter Maffay. Allmählich geriet die Firma in Schieflage. 1996 machte
EM.TV bei einem Umsatz von 16,7 Millionen Mark immerhin 1,4 Millionen Verlust. Interessenten wie Bertelsmann bot Haffa
50 Prozent der Anteile für rund 20 Millionen Mark an - vergeblich.

Doch dann startete im März 1997 der Neue Markt, der bedrängte Firmenchef durfte Mut schöpfen. Ausgestattet mit einem
Kredit der Sparkasse in Pfaffenhofen, dem langjährigen Wohnort der Familie Haffa, ging EM.TV im Oktober 1997 unter
Führung der WestLB an die Börse. Das brachte rund 20 Millionen Mark.

Der Anfang war gemacht. Doch der eigentliche Aufstieg begann erst, als Haffa und Kirch zum beiderseitigen Wohle
zusammenarbeiteten. Es begann die Zeit der wundersamen Geldvermehrung.

Auf einmal half Kirch seinem Ziehsohn im Kampf um attraktive Senderechte. So bekam EM.TV im Oktober 1998 die
TV-Rechte für Faustkämpfe des Boxers Mike Tyson - anschließend durfte Haffa sie mit Gewinn an Kirchs Pay-TV
verkaufen.

Wenige Wochen später der nächste Coup: EM.TV kaufte der chronisch finanzschwachen Kirch-Gruppe, die zu diesem
Zeitpunkt Geld brauchte, für 500 Millionen Mark die Hälfte von deren üppigen Bestand an Kinder- und Jugendfilmen ab.
Dieses Archiv, von "Heidi" bis "Familie Feuerstein", ist in den Büchern von Kirch großteils seit langem auf null abgeschrieben.

Gemeinsam starteten die Partner nun unter dem Namen "Junior.TV" eine Art Vertriebsgemeinschaft mit inzwischen rund 31
000 Halbstunden-Episoden, darunter etwa die Kultserie "Die Simpsons". Kirch räumte seinem Kompagnon dabei alle
Gewinne aus dem Joint Venture ein, "bis EM.TV 500 Millionen Mark zuzüglich der aufgewendeten Fremdkapitalzinsen" erlöst
hat, heißt es in einem Börsenzulassungsprospekt.

Haffa ergriff die Chance. "Zeichentrick altert nie", redete er die Ware schön. Schon sah er in "Junior" eine Weltmarke und sich
selbst als Herausforderer des Disney-Konzerns. Die EM.TV-Story war geboren, eine Geschichte wie im Märchen - Anleger
und Analysten hielten sie für Realität.

Merkwürdig nur: Der beste Kunde des neuen Medienkonzerns war auch gleichzeitig der beste Lieferant. Schon sechs Monate
nach dem Ankauf von "Junior" verkaufte EM.TV viele attraktive Rechte aus dem Kinderpaket an Kirchs Sender Sat.1.

Die Berliner zahlen den stolzen Kaufpreis von rund 200 Millionen Mark über die Laufzeit von fünf Jahren. Haffa jedoch
verrechnete sofort den Großteil des Umsatzes in seiner Bilanz. Damit konnte er eindrucksvolle Wachstumsraten ausweisen.
Schon damals keimte bei Kritikern der Verdacht, die EM.TV-Manager pflegten einen besonders kreativen Umgang mit
Zahlen.

Für Sat.1 war der Deal weniger erfolgreich: Der Marktanteil der "Junior"-Filme bei den 3- bis 13-Jährigen ist seit dem
Sendestart im Januar von 18 Prozent auf 14,7 Prozent im Oktober geschmolzen. "Mir hat niemand erklärt, warum Sat.1 die
Kinderfilme nicht direkt bei Kirch einkaufen konnte", wundert sich TV-Kenner Thoma.

Auch bei der Filmfirma Constantin, die ursprünglich Kirch und seinem Getreuen Bernd Eichinger gehörte, funktionierte das
Zusammenspiel. Wenige Wochen vor dem Börsenstart von Constantin im September 1999 durfte sich EM.TV mit über 25
Prozent beteiligen. Kaufpreis: 125 Millionen Mark.

Haffas damaliges Siegerimage war beim Gang des defizitären Kirch-Ablegers aufs Börsenparkett gefragt. Und auch dem
EM.TV-Kurs kam diese neuerliche Allianz, nach dem alten Schema, zugute.

Viele Medienprofis erinnert das Kirchsche Kreislaufsystem mit den "Junior"-Rechten an die Transaktionen mit dem
Handelsmilliardär Otto Beisheim (Metro) aus dem Jahr 1989. Damals verkaufte Kirch 2000 Filme für rund 530 Millionen
Mark an eine Schweizer Beisheim-Firma - um sie in der Zeit danach von seinen Sendern Sat.1 und ProSieben zurückkaufen
zu lassen. Über diesen Umweg war die Ware auf einmal 1,1 Milliarden Mark wert, und die Banken gaben dafür Kredit.

Das waren die alten Zeiten - Old Economy. In der neuen Wirtschaft kommt das Geld von der Börse, und es lässt sich, wenn
die Anleger mitspielen, scheinbar mühelos vermehren.

Bei den Haffas spielten sie mit: Zwei Kapitalerhöhungen brachten EM.TV seit dem Börsenstart 1,26 Milliarden Mark in die
Kasse, mit einer Wandelanleihe erlösten sie weitere 782 Millionen Mark.

Schnell nach dem "Junior"-Deal beispielsweise nutzte Haffa die aufkommende Hochstimmung für eine kurzfristige
Kapitalerhöhung. Sie spülte fast 300 Millionen Mark in die Kassen. Für die Banken war die Hyperaktivität von Haffa, der die
Niederungen des Alltags endgültig hinter sich zu lassen schien, ein lohnendes Geschäft. Sie verdienten kräftig an Provisionen,
die sie von EM.TV und den Anlegern kassierten. Vor allem die Sparkassen-Organisation mit ihren Spitzeninstituten WestLB
und Bayerische Landesbank war unter den Profiteuren und Animateuren. EM.TV verschieße Erfolgsmeldungen "wie eine
Stalinorgel", ließ sich der Pfaffenhofer Sparkassen-Vorstand und Haffa-Freund Bernhard Seidl noch im Sommer vernehmen.

Noch im Frühjahr schwärmte die WestLB, die EM.TV habe durch die Formel 1 ihr Wachstumspotenzial erhöht, der Preis sei
"günstig" und bereits für das Jahr 2000 seien "positive Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung" zu erwarten.

Dabei brach bereits im ersten Halbjahr das Betriebsergebnis der EM.TV im Stammgeschäft - also ohne die Zukäufe - um 37
Prozent auf rund 59 Millionen Mark ein. Florian Haffa, der Finanzchef des Unternehmens, freilich machte ungetrübt in
Optimismus: Der Kurs werde sich verdoppeln, versprach er noch im Juni. Damals notierte EM.TV bei rund 70 Euro.

Für die großen Fonds hat sich das Spekulieren mit der Zocker-Aktie lange Zeit erst recht gelohnt. So verfügte der
Fondsmanager Kurt Ochner vom Bankhaus Julius Bär, eine bekannte Größe im Neuen Markt, im Jahr 1998 nach eigenen
Angaben zeitweise über jede dritte EM.TV-Aktie, die frei auf dem Markt verfügbar war. Schon kleine Käufe sorgen bei
solchen engen Werten für große Kurssteigerungen.

Auch der Fonds VMR Strategie Quadrat stieg 1998 bei den Haffas ein. Der zuständige Berater Marian von Korff, ein Freund
Florian Haffas, kooperiert seit langem mit Ochner. Während Korffs Zeit als Redakteur des Magazins "Focus" (bis Januar
1999) erschienen positive Artikel über EM.TV auf den Geldmarktseiten der Zeitschrift - für die der damals schon als
Fondsberater und Investor tätige Korff laut Impressum zuständig war.

In diesem Geflecht konnte EM.TV im Rekordtempo wachsen. Gründer Haffa fachte die Euphorie immer wieder mit neuen
Ankündigungen an. "2004 sind wir ein globales Medien- und Entertainmenthaus", versprach er. "Wir können ein
Gegengewicht zu den Amerikanern bilden", behauptete er. "Wir spielen in der Weltliga", versicherte er.

Sogar mit Disney-Chef Michael Eisner verglich er sich öffentlich. Nur ein Scherz? Oder Größenwahn?

Der Erfolg von EM.TV habe "viele besoffen" gemacht, sagt Michael Kölmel, Chef und Hauptaktionär des Konkurrenten
Kinowelt Medien AG. Was jetzt passiere, sei "eine Katastrophe für den Markt". Vergeblich habe er, so Kölmel, bei den
Haffas beizeiten ein "Soft Landing" der überhöhten Kurse angeregt, ein langsames geordnetes Zurückführen - doch dafür habe
es bei EM.TV kein Gespür gegeben.

Opfer sind die Kleinaktionäre. Wer in den ersten Monaten dieses Jahres bei EM.TV eingestiegen ist, erlebt eine massive
Vermögensvernichtung.

"Die Analysten haben immer nur gejubelt, dabei waren die Transaktionen mit Kirch für jeden erkennbar gewesen", sagt Klaus
Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Von Kirch hält er nicht viel, "der will nur das Geld von der Börse,
sich aber nicht reinreden lassen". Möglicherweise sei nicht alles rechtens zugegangen, sagt Schneider: "Wir werden genau
prüfen, inwieweit es Haftungsansprüche gibt."

Streit könnte es um eine Wandelanleihe geben, die die WestLB Panmure im Februar auf den Markt gebracht hatte. Sie
brachte der EM.TV über 750 Millionen Mark, die Firma muss Anlegern dafür jährlich nur vier Prozent Zinsen zahlen.

Die Zinsen sind so niedrig, weil EM.TV den Investoren das Recht einräumt, die Anleihe in Aktien umwandeln zu können -
allerdings lohnt sich das für den Anleger nur bei einem Kurs von mindestens 106 Euro; dieser Preis war bei der Emission der
Wandelanleihe festgelegt worden.

Der Kurs der Wandelanleihe ist deshalb parallel zum EM.TV-Kurs abgestürzt. Im Falle eines Mehrheitswechsels bei EM.TV
können die Anleger indes eine vorzeitige Rückzahlung der Anleihe nebst aufgelaufenen Zinsen verlangen. Das könnte einem
möglichen Mehrheits-Eigentümer Kirch Sorgen bereiten.

In der Vergangenheit fragte selten jemand nach, was aus den Plänen Thomas Haffas wurde. So fehlen bis heute die avisierten
Kinderreisen, Freizeitparks, Joghurtbecher und 400 Spielzeugläden der Marke "Junior". Das Projekt eines TV-Reisekanals
verschwand lautlos, eine angedachte Verbindung mit Microsoft erwies sich als Trugbild.

Was zu Stande kam, passte nicht immer zum Siegerimage, das sich Haffa erfolgreich aufgebaut hatte. So geriet etwa die
Vermarktung der Merchandising-Rechte der Weltausstellung Expo zum Flop. Die hässlichen T-Shirts und Biergläser, die unter
EM.TV-Verantwortung zu horrenden Preisen angeboten wurden, fanden kaum Interessenten. Viele Lieferanten der
Souvenirshops blieben auf ihren Forderungen sitzen, zwischenzeitlich hatte die Expo sogar juristische Schritte gegen EM.TV
erwogen. Auch Haffas Expo-Maskottchen "Twipsy" erwies sich als Publikumsschreck.

Lange Zeit aber übertünchten die immer waghalsigeren Deals des Thomas Haffa seine Probleme im Tagesgeschäft. Immer
phantastischer wurden die Kaufpreise und Konditionen, die Börse störte das nicht. So gab Haffa im September 1999 rund
800 Millionen Mark für 45 Prozent der Tele-München-Gruppe des Filmhändlers Herbert Kloiber aus - ein absurd hoher
Betrag. Kirch-Manager sollen Haffa vor diesem Kauf erstmals gewarnt haben. Im Februar dieses Jahres spendierte er dann
1,3 Milliarden Mark für das "Muppets"-Studio Jim Henson Company, dessen Hauptakteure Miss Piggy und Kermit dringend
einer Frischzellenkur bedürfen.

Und kurz darauf stieg der Münchner auch noch ziemlich naiv in das schwierige Geschäft mit der Formel 1 des
Rennzirkus-Patrons Bernie Ecclestone ein. Für 3,6 Milliarden Mark kaufte EM.TV die Hälfte an Ecclestones Holding SLEC.
Die Verkäufer - eine Deutsche-Bank-Tochter und die Finanzfirma Hellman & Friedman - hatten die Anteile kurz zuvor von
Ecclestone für 1,5 Milliarden Mark weniger gekauft.

Zu seinem Pech aber musste Haffa beim Einstieg in die Formel 1 eine Summe von 712 Millionen Dollar bar zahlen. Das
schaffte er nur mit einem teuren kurzfristigen Kredit, Laufzeit bis zu zwei Jahren. Zurzeit muss er hierfür nach ersten Tilgungen
pro Jahr rund 40 Millionen Dollar für Zinsen aufbringen. Ihren Kredit ließ sich ein Konsortium aus sechs Banken, mit der
Schweizer Investmentbank Credit Suisse First Boston an der Spitze, gut absichern. Als Pfand dienen, allen Haffa-Dementis
zum Trotz, die 50 Prozent der EM.TV an der SLEC.

Doch damit enden die Probleme nicht. Eine komplizierte Regelung sieht zudem vor, dass Haffa bis zum Jahresende für weitere
1,8 Milliarden Mark noch mal 25 Prozent der SLEC kaufen kann. Verzichtet er, kann wiederum Ecclestone ab April 2001
von EM.TV verlangen, dass sie ihm gut 2 Milliarden Mark für 25 Prozent an der SLEC zahlt. Das könnte EM.TV auf
konventionelle Art wohl nicht mehr finanzieren.

Vor allem die Details des Vertrags mit Ecclestone entsetzen die Kirch-Leute. Selbst bei einem Kapitalanteil von 75 Prozent
würde EM.TV nämlich nicht die Kontrolle über die Formel 1 erlangen. In zwei entscheidenden Management-Firmen, die das
operative Geschäft verantworten, sitzen jeweils zwei Ecclestone-Vertreter einem EM.TV-Mann gegenüber. "Haffa hat sich
über den Tisch ziehen lassen", sagt ein Kirch-Angestellter.

Dass sich die kleine EM.TV zu viel zugemutet hat, zeigte sich spätestens bei der Bilanzierung der Milliardendeals. Für das
erste Halbjahr meldete die Firma zunächst falsche Zahlen, später mussten sie korrigiert werden. Nach der peinlichen Aktion
übergab Florian Haffa das Finanzressort an den farblosen Rolf Rickmeyer, 48, der sich seit Januar als selbständiger
Firmenberater durchgeschlagen hatte. Zuvor war er Finanzchef einer RWE-Tochter.

Auch Rickmeyer kann erst im März eine stimmige Gesamtbilanz präsentieren. Er müsse zunächst einmal ein effizientes
Controllingsystem aufbauen, verkündete der studierte Kaufmann Anfang November bei einer Konferenz vor 150 geschockten
Analysten und Investoren. Er könne aber nicht sagen, so Rickmeyer, ob er sich "in drei, sechs oder neun Monaten" einen
Überblick verschafft habe. Danach stellten viele der Anwesenden EM.TV zum Verkauf, der Kurs stürzte weiter ab.

Während EM.TV immer stärker einem Börsendesaster entgegentrudelte, lotete Haffa schon seit dem Spätsommer die
Möglichkeiten neuer Allianzen aus - inklusive eines Verkaufs von Anteilen. In einem Gespräch mit Bertelsmann-Chef Thomas
Middelhoff kam etwa die Übernahme von 25 Prozent an der Formel 1 zur Sprache. Middelhoff ließ den Wert von EM.TV
kalkulieren und erhielt klare Antworten: "Nicht sinnvoll, zu teuer." Insgesamt wurde EM.TV auf gerade mal 2 Milliarden bis
2,5 Milliarden Mark taxiert. Es gebe zu viele Kinderprogramme und Haffa habe seine Akquisitionen total überbezahlt, urteilten
die Bertelsmänner.

Auch mit der Deutschen Telekom und der spanischen Telefónica gab es Kontakte. Am Ende lief alles auf Leo Kirch zu.

Der TV-Unternehmer verbreitert damit seine Geschäftsbasis. Besonders wichtig ist Kirch die Formel 1. Sie soll wieder aus
EM.TV verschwinden und als selbständiges Unternehmen im Kirch-Reich geführt werden, mit der Perspektive eines
Börsengangs. Bezahlt werden soll die Transaktion - erneut ein Gegengeschäft - mit Anteilen an Kirch-Firmen. Geplant ist
etwa, dass die 50 Prozent, die Kirch an dem Joint Venture "Junior TV" noch selbst hält, in Kürze auf EM.TV übertragen
werden.

Die Option auf weitere 25 Prozent an der Formel 1 soll ebenfalls eingelöst werden, ein Bankenkonsortium unter Führung der
Deutschen Bank und der Credit Suisse First Boston steht bereit. Gleichzeitig aber will Kirch die Verträge mit der Formel 1
unbedingt nachbessern. Vergangenen Dienstag redete sein Stellvertreter Dieter Hahn beim Mittagessen in London mit
PS-Patron Ecclestone über mögliche Neuregelungen.

Hahns Plan: Er will die Liveübertragungen der Autorennen möglichst schnell exklusiv dem konzerneigenen Pay-TV übertragen.
Wenn es nach ihm geht, dreht Michael Schumacher schon bald nur bei Premiere World seine Runden - so könnte er die
stagnierenden TV-Abonnentenzahlen von Premiere liften. Über die Konditionen freilich wurden sich Hahn und Ecclestone
nicht einig.

Die Kirch-Leute gehen offenbar davon aus, dass es in den Verträgen der Formel 1 mit dem Free-TV-Sender RTL (Laufzeit:
bis Ende 2003) noch Lücken gibt. "Der Vertrag ist wasserdicht, wir werden darum kämpfen", kündigt dagegen ein
RTL-Manager an.

Für EM.TV ist die Zeit der großen Pläne erst mal vorbei: Jetzt muss saniert werden. In der Bilanz sollen jetzt - endlich - alle
Lasten ausgekehrt werden, auch wenn dies zu Lasten des Gewinns geht. Allein für Abschreibungen auf die hohen Werte der
gekauften Firmen erwartet das Bankhaus UBS Warburg eine Last von 160 Millionen Mark. Und das Finanzergebnis sei,
wegen der hohen Kreditzinsen, mit 245 Millionen Mark im Minus. Inhaltlich soll sich EM.TV wieder auf das Stammgeschäft
besinnen, das Vermarkten von Fernsehfilmen und Lizenzfiguren.

Nur Haffa selbst mochte vergangene Woche nicht einsehen, dass sein Traum vorbei ist. Intern sprach er von irrationalen
Übertreibungen der Börse und kündigte personelle Konsequenzen an. Im Kinosaal der Firmenzentrale gab er sich
Freitagabend vor 200 Mitarbeitern kämpferisch.

Es gebe nicht nur Gespräche mit Kirch, "sondern auch mit zwei anderen Interessenten", sagte Haffa. Und dann erklärte er
noch: "Ich bleibe Vorstandsvorsitzender." Einige sollen applaudiert haben.

HANS-JÜRGEN JAKOBS, CHRISTOPH PAULY



HIER KANN MAN GENAU ABLESEN DAS ALLES LANGE VORBEREITET WAR UND DAS ES KIRCH NUR UM DIE F1 GEHT! KIRCH WILL DIE ALLEINIGEN
ÜBERTRAGUNGSRECHTE FÜR SEIN "PREMIERE" KANAL, DAMIT DIE ZUSCHAUER DAFÜR BEZAHLEN!
IN DIESEM SEGMENT STECKT SO VIEL KOHLE, WIE ES SICH KAUM EINER VORSTELLEN KANN!
 
aus der Diskussion: EM.TV: Die Analyse - Bestandsaufnahme und Aussichten!
Autor (Datum des Eintrages): DerWOLFhetztdieKurse  (13.12.00 02:46:58)
Beitrag: 131 von 864 (ID:2519489)
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