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[posting]25631860[/posting]Die jüngste Einbürgerungsaktion in Spanien ist aber gerade das Gegenteil von einer Maurenvertreibung.





Ausgabe 47/06

Magazin
Pöbeln, kiffen, ficken
Alex Baur

Hinter der mutmasslichen Vielfachvergewaltigung einer Schülerin in Zürich Seebach steckt ein Balkan-Problem. Statt sich zu integrieren, lassen albanische Jugendliche ihre Faszination des Verruchten hochleben und terrorisieren das Quartier.

Es passierte auf dem Fussgängerweg beim Sportplatz Eichrain, gleich neben der Autobahn am Rand des Zürcher Aussenquartiers Seebach. Anna* kam mit ihrer Freundin Dragiza* eben von einer Geburtstagsparty, als die Burschen sie erstmals anrempelten. Das war vor einem Jahr, Anna war eben 14 Jahre alt geworden. Ohne jede Vorwarnung, sagt sie, «wie ein Blitz aus dem heiteren Himmel» seien ein halbes Dutzend Burschen aufgetaucht und hätten die beiden Mädchen umringt. Diese beschleunigten ihren Gang, doch die Burschen liefen mit und schubsten Anna. «Deine Mutter ist eine Hure», sagte Eldar*, die andern grölten, Dragan* stiess sie in den Rücken. Die Burschen hatten es offenbar nur auf sie abgesehen, Dragiza liessen sie links liegen. Schliesslich baute sich Eldar vor Anna auf und versperrte ihr den Weg: «Ich will, dass du mit mir kommst.» Er wolle Sex. Anna versuchte den Burschen wegzustossen, Eldar verpasste ihr eine Ohrfeige, spuckte ihr ins Gesicht. Erst als sie zu heulen anfing, liessen die Burschen Anna wieder ziehen.

Vor einer Woche sind Eldar, Dragan & Co. nun von der Stadtpolizei Zürich verhaftet worden. Insgesamt dreizehn Burschen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren aus der Seebacher Hänger-Szene werden verdächtigt, in verschiedenen Zusammensetzungen die 13-jährige Michelle mehrfach vergewaltigt zu haben. Es waren teilweise dieselben Jungen, die zuvor schon Anna während Monaten drangsaliert hatten. Doch das Mädchen erstattete nie eine Strafanzeige. Mit gutem Grund. Ihre Geschichte macht klar, warum die Burschen, die man im Quartier bestens kannte, lange ungestraft wüten konnten.


Rechtsbrüche steigern das Prestige

Auch Anna kannte ihre Peiniger allesamt. Die meisten waren mit ihr aufgewachsen, einige gingen mit ihr im Buhnrain zur Schule. Einzelne hatten die Schule abgebrochen, andere waren bereits in der Lehre. In ihrem Fall war der 15-jährige Eldar, ein Roma-Junge, der Leithammel. Er ist in der Schweiz geboren, sein Vater arbeitet als Musiker und soll oft unterwegs sein. Eldar lümmelte jeweils mit seinen Kumpels – die meisten von ihnen stammten ebenfalls aus dem Balkan – in den eintönigen Blocksiedlungen aus den 1960er Jahren entlang der Glattalstrasse herum, zwischen der Shell-Tankstelle und der Autobahnbrücke, hin und her. Manchmal versammelten sie sich vor dem Gemeinschaftszentrum. Ein wenig herumpöbeln und kiffen, das sind ihre Lieblingsbeschäftigungen.

Es konnte auch mal vorkommen, dass sie einem Gleichaltrigen ein Handy oder eine Jacke «abnahmen». Eldar wurde angeblich einmal bei einer Messerstecherei verletzt, was ihm einen besonderen Respekt bei seinen Kumpels verschaffte. Die meisten Burschen hatten polizeiliche Vorakten, wegen Körperverletzung, Raubes und dergleichen. Doch das wird gemäss Anna von vielen Jugendlichen im Quartier keineswegs als Makel wahrgenommen. Im Gegenteil, die Burschen zelebrieren ihren miserablen Ruf geradezu. Selbst bei der Einbürgerung ist das offenbar kein Hinderungsgrund. Das rüpelhafte Gehabe war eine Art Markenzeichen der Jungs, das ihnen überdies bei ihren systematischen Einschüchterungen dienlich war. Anna wehrte sich während Monaten nur passiv und bat keine Erwachsenen um Hilfe. Denn sie wusste: Wenn sie Eldar anzeigte, würde er sich rächen. Und wenn er es selber nicht tun konnte, dann hatte er immer noch «Kollegen», die das für ihn erledigen würden.

Jungs wie Eldar wissen genau, mit wem sie sich anlegen. Mädchen aus dem Balkan lassen sie normalerweise in Ruhe. Bei Anna war das insofern anders, als sie höchstens eine halbe Albanerin ist. Ihre Mutter stammt zwar aus dem Kosovo, ihr gegenüber traten die Burschen auch immer respektvoll auf. Doch Anna selber ist grösstenteils in der Schweiz aufgewachsen und beherrscht nicht einmal die Sprache ihrer Mutter. Obwohl sie noch keinen Pass habe, fühle sie sich längst als Schweizerin, sagt sie. Und einen älteren Bruder, der sie hätte beschützen können, hatte Anna nicht. So läuft das in Zürich Seebach.

Die Attacken wiederholten sich, Anna fühlte sich nirgends mehr sicher vor Eldar, der zusehends dreister wurde. Einmal drangsalierte er die 14-Jährige in der Badi und wollte sie «auf der Toilette ficken». Als das Mädchen sich wehrte, spuckte er ihr ins Gesicht. Anna rief den Bademeister zu Hilfe. Sie sei seine Schwester, log Eldar dem Mann eiskalt vor, sie habe sich mit ihm zerstritten und veranstalte bloss ein Theater. Erst als Enzo* – ein Kollege von Eldar, der mittlerweile auch in Haft sitzt – auf dem Pausenplatz eine Fotomontage herumzeigte, auf der Anna (angeblich) nackt zu sehen war, vertraute sich das Mädchen endlich seiner Mutter an. Diese intervenierte bei der Schule Buhnrain.

Was in der Folge passierte, ist umstritten: Laut Angaben des Zürcher Schuldepartements sei «mehrfach aktenkundig», dass die Schulleiterin der Mutter zu einer Strafanzeige geraten habe, obwohl zu jenem Zeitpunkt von sexuell motivierten Übergriffen noch nicht die Rede gewesen sei. Die Lehrerin habe sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie ohne Anzeige nichts unternehmen könne. Gemäss der Darstellung der Mutter war es genau umgekehrt: die Schulleiterin habe ihr von einer Anzeige abgeraten und Anna nahegelegt, sich etwas dezenter zu kleiden. Tatsache ist, dass es nie zu einer Strafanzeige wegen sexueller Nötigung kam. Und dass Anna im letzten Februar auf eigenen Wunsch hin in eine andere Schule versetzt wurde. Ihre Peiniger blieben im Quartier. Ein Onkel habe einem von Eldars Freunden eine Abreibung verpasst, sagt ihre Mutter, seither habe das Mädchen Ruhe.

So werden in Zürich Seebach Probleme bereinigt. Und, so zynisch das klingen mag: Für Anna war es in diesem Fall wahrscheinlich das Beste. Doch davon später.


Angst vor der Verallgemeinerung

Jetzt, wo der 15-jährige Eldar im Untersuchungsgefängnis sitzt, glaubt jedenfalls niemand mehr, dass Anna übertrieben habe. Der mutmassliche Haupttäter im aktuellen Fall, der 15-jährige Mazedonier Petar*, war allerdings immer anständig zu Anna. Er lebt erst seit zwei Jahren in der Schweiz. Auch er ging im Buhnrain zur Schule, bis er aus disziplinarischen Gründen rausgeschmissen wurde. Seither lümmelte er herum. Die 13-jährige Michelle soll seine Freundin gewesen sein. Eine gute Kollegin des Mädchens will davon allerdings nichts bemerkt haben. Michelle habe sich zwar öfters im Umfeld der Gang aufgehalten, sagt sie, doch mit ihren Pluderhosen und Schlabberpullis habe sie rein stilmässig überhaupt nicht in diese Szene gepasst. Typen wie Petar und Eldar stünden nämlich eher auf «Vamp-Frauen». Gemeint sind damit Schülerinnen, die sich mit knappen Minis und bauchnabelfreien Glitzer-Shirts bekleiden und die Brüste mit Push-up-BHs zur Geltung bringen.

Der gravierendste Vorfall dürfte sich am 11. November zugetragen haben, am Samstag vor der Verhaftungsaktion. Da die Täter einzelne Szenen mit dem Handy gefilmt und unter Kollegen herumgezeigt hatten, machte die Geschichte bereits am Sonntagabend unter den Jugendlichen, die sich auf der Glattalstrasse herumtreiben, die Runde – allerdings nicht im Sinne eines Verbrechens. Die mutmasslichen Vergewaltiger stellten die 13-Jährige vielmehr voller Verachtung als «billige Schlampe» dar, und ein Mädchen aus der Runde behauptete sogar, sie würde es «für 20 Franken mit jedem treiben».

Sogar im Polizeigewahrsam hielten die Jugendlichen offenbar an dieser Darstellung fest. Bei der Lektüre der Einvernahmen seien ihm ob ihrer Kaltschnäuzigkeit «die Haare zu Berge gestanden», erklärte Fahndungschef Peter Rüegger. Entsprechend gross waren die Empörung und natürlich das Bedürfnis nach einer Erklärung. Das Zürcher Schuldepartement setzte sofort ein Heer von Fachleuten Richtung Buhnrain in Marsch, die Fachstellen für Gewaltprävention und der Schulpsychologische Dienst wurden aktiviert. Die Schulleitung erliess umgehend ein Abwehrdispositiv gegen Journalisten und liess präventiv verlauten, dass die Schule mit den Vorfällen nichts zu tun habe.

Das Fehlen harter Fakten liess viel Raum fürs Schwadronieren. «Was läuft schief, wenn Kinder Kinder quälen», werweisste Chefredaktor De Schepper im Blick (der Begriff «Kinder» für 15- bis 18-jährige Vergewaltiger setzte sich dann allerdings doch nicht durch), «Fragen, nur Fragen», rätselte der Tages-Anzeiger. Die Experten waren gefragt, und sie sagten fast unisono, was sie in solchen Fällen schon immer sagten: nämlich dass man jetzt nur nicht verallgemeinern dürfe. Und wenn dann einer das unaussprechbare Thema ansprach, das nicht verallgemeinert werden darf, dann meist nur, um zu relativieren. Fast erleichtert wies man darauf hin, dass immerhin fast die Hälfte der Verdächtigen einen Schweizer Pass hätte.


«Krass-Mann-Slang» dominiert

Mittlerweile wissen wir, dass auch die sechs Schweizer unter den dreizehn Tatverdächtigen erst kürzlich eingebürgert wurden. Immerhin räumen dieselben Experten, die vor gut drei Monaten im «Fall Rhäzüns» – dort ging es um die mutmassliche Vergewaltigung einer 5-Jährigen durch zwei Teenager aus dem Kosovo – noch jeden Zusammenhang mit der Herkunft der Täter weit von sich wiesen (siehe Weltwoche Nr. 36), jetzt ein, dass hinter der Sache vielleicht doch mehr als rassistische Vorurteile steckte. Nachdem kürzlich bekannt wurde, dass es in Steffisburg ebenfalls zu einer Massenvergewaltigung einer 14-Jährigen durch fünf Jugendliche gekommen war, wurde es allmählich schwierig, das Evidente wegzureden. Und doch wagten einmal mehr nur ganz wenige, dem diffusen «Ausländerproblem» einen Namen zu geben: Ob in Rhäzüns, Steffisburg oder Seebach – die Haupttäter stammten fast alle aus dem Balkan und sprechen zu einem grossen Teil Albanisch.

Nun wäre zwar denkbar, dass in einer Art medialer Rückkopplung nur jene Fälle bekannt wurden, an denen Albaner beteiligt waren. Doch die – freilich dürftigen – Statistiken weisen eher in eine andere Richtung (siehe Kasten). Vielmehr verschwiegen die Medien bis anhin bei Gewaltdelikten unter Kindern in einer Art Selbstzensur die Herkunft der Täter meistens. So auch im Fall, der die Region Biel Anfang Jahr bewegte und der Parallelen zum «Fall Seebach» aufweist. Im Oberstufenzentrum Mett-Bözingen hatten vier Achtklässler ein Mädchen monatelang drangsaliert und mutmasslich sexuell genötigt, das Opfer schwieg aus Scham und Angst vor Repressalien. Tatsächlich stammten auch in jenem Fall die mutmasslichen Haupttäter aus dem ehemaligen Jugoslawien. Das ist kein Zufall. Wie in Seebach fanden auch in Biel die sexuellen Übergriffe in einem besonderen sozialen Umfeld statt, das in weiten Teilen der Schweiz allerdings längst zum Alltag gehört.

Ein gepflegter Neubau in einem beschaulichen Park: Das Oberstufenzentrum (OSZ) Mett-Bözingen im traditionellen «Büezer-Quartier» Biels ist durchaus repräsentativ für eine moderne Schule in der sogenannt urbanen Schweiz. Rund die Hälfte der Kinder stammt aus Migranten-Familien, zwanzig Sprachgruppen sind vertreten. Auf dem Sekundarschul-Niveau sind die Schweizer in der Mehrheit, bei der Realschule ist es umgekehrt. Zum Beispiel in der Klasse von Co-Schulleiterin Ruth Wiederkehr: Auf acht Schweizer(innen) kommen eine Thailänderin, eine Kroatin, eine Polin sowie zehn (ethnische) Albaner(innen). Die ungleiche Verteilung zwischen Sekundarschul- und Realschul-Niveau hat gemäss Ruth Wiederkehr nur indirekt mit der Nationalität zu tun, entscheidend ist nach ihrer Erfahrung das Bildungsniveau im Elternhaus. Gebildete Eltern erleichtern ihren Kindern nicht nur den Zugang zum Wissen, sie lehren sie vor allem auch, strittige Fragen zu reflektieren und auszudiskutieren. Andersherum ist es tendenziell schwierig, mit Eltern, die kaum Deutsch sprechen, schulische Probleme im Gespräch zu lösen. Gerade die Albaner, die in der Regel aus den untersten sozialen Schichten stammen, haben hier naturgemäss ganz schlechte Karten.

Ohne strikte Ordnung funktioniert hier überhaupt nichts. «Eine militärische Karriere wird heute bei der Lehrerwahl sehr positiv gewertet», sagt Wiederkehr mit ironischem Unterton. Obwohl auch die meisten Ausländerkinder hier aufgewachsen sind, müssen viele von ihnen ständig an das Abc des zivilisierten Benehmens erinnert werden: Grüssen, nicht auf den Boden spucken, reden statt zuschlagen. «Erst wenn die Basics einmal sitzen, können wir uns überhaupt richtig an den Lernstoff heranmachen», erklärt Wiederkehr. Dadurch geht viel Zeit verloren. Wenn sie die Grundregeln aber nicht durchsetzen, verlieren die Lehrer innert kürzester Zeit die Kontrolle. Dazu braucht es neben einem starken Charakter volle Präsenz. Entsprechend gross ist der Verschleiss an Lehrkräften. Anfänger ohne praktische Erfahrung werfen oft nach wenigen Monaten schon entnervt das Handtuch, Ersatz ist häufig nur mit grossem Aufwand zu finden.

Als grösste ethnische Gruppe haben die Albaner nicht nur ihre geschlossenen Gruppen gebildet, sondern auch eine Art Leaderrolle übernommen. Das zeigt sich vor allem an der Sprache: Viele lernen nie ein korrektes Deutsch, es dominiert der «Krass-Mann-Slang», ein Mix von Basis-Deutsch und Rudimentär-Mundart mit einem minimalen Wortschatz, den auch Schweizer Kinder zusehends übernehmen. Im Kochunterricht steht schon lange kein Schweinefleisch mehr auf dem Menü, und auch auf den Ramadan ist Rücksicht zu nehmen. Religion wird wieder zum Thema, Mädchen mit Tschador sind keine Seltenheit mehr. Jene, die sich etwas freizügiger kleiden, werden schnell einmal als «Schlampen» tituliert – und von ihren Gschpändli entsprechend verächtlich bis aggressiv behandelt.

Als im vergangenen Winter die massiven sexuellen Übergriffe gegen eine Achtklässlerin bekannt wurden, griff die Schulleitung radikal durch und wies den Hauptverdächtigen definitiv von der Schule. Weil keine andere Schule den Missetäter übernehmen wollte, schickte man den Burschen schliesslich in den Privatunterricht – auf Kosten der Öffentlichkeit, was zu harschen Protesten in der Bevölkerung führte.


Aufkommende Getto-Stimmung

«Unsere Schule ist viel besser als ihr Ruf», versichert Co-Schulleiterin Ursula Pfister, «unsere Lehrkräfte leisten einen enormen Einsatz.» Vor allem eines zeichnet die Lehrerschaft am OSZ Mett-Bözingen aus: Sie legt die Probleme mit den Immigrantenkindern offen auf den Tisch, Diskussionen über Nationalitäten sind kein Tabu. Das ist nicht selbstverständlich in einer Branche, die lieber davon redet, wie die Dinge sein sollten. Doch es ist schwierig, der Getto-Stimmung etwas entgegenzusetzen, die von zahlreichen Jugendlichen geradezu kultiviert wird: Nach dem Vorbild der amerikanischen Rapper pfeifen sie auf Political Correctness und lassen die Faszination des Verruchten hochleben. Dagegen sind die Lehrer machtlos.

Viele Familien – Schweizer wie Ausländer –, die es sich leisten können, sind weggezogen aus der Gegend. Andere haben ihre Kinder in Privatschulen geschickt oder mit allen erdenklichen Tricks an eine andere Schule versetzen lassen. Dadurch verstärkt sich der «Getto-Effekt». Genau hier liegt auch das Problem bei der Schule Buhnrain in Zürich Seebach. «Als ich vor zwölf Jahren hierherzog, war das ein schönes Quartier», sagt die Mutter der mittlerweile 15-jährigen Anna, «doch vor ein paar Jahren ist die Stimmung gekippt.» Da hilft auch das Heer von Psychologen, Sonderpädagogen und Sozialarbeitern nicht weiter.

Als ihre schulischen Leistungen vor einem Jahr plötzlich abfielen, wurde Anna zur Schulpsychiaterin geschickt. Nach eigener Darstellung brach sie die Therapie nach einigen netten Gesprächen ab, die nichts gebracht hätten. Die Übergriffe von Kollegen seien dabei wohl thematisiert worden. Doch mit Gesprächen liess sich das Problem nicht lösen, zumal der Schlüssel dazu gar nicht bei Anna lag. Erst nach der Versetzung in einen anderen Schulkreis und der Intervention ihres Onkels, so versichert sie, sei es mit ihr wieder aufwärtsgegangen. Jetzt fühle sie sich wohl, damit sei für sie die Sache erledigt.

Die mangelnde Integration von Immigrantenkindern ist seit Jahren ein Dauerbrenner an den Schulen. Zahllose Fachstellen wurden ins Leben gerufen, allein in Biel hat der Lehrer Alain Pichard (siehe Weltwoche Nr. 38) über zwanzig externe Institutionen gezählt, die den Lehrern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Von einer positiven Trendwende kann trotzdem keine Rede sein. Zwar ist im aktuellen «Fall Seebach» noch vieles unklar, wir wissen nicht, was sich die Jugendlichen effektiv zuschulden kommen liessen (und wir werden es wohl auch nie erfahren, da bei Jugendstrafverfahren ein striktes Geheimhalteprinzip gilt). Allein schon die äusseren Umstände werfen indes ein grelles Licht auf Zustände und Sitten, die für sich sprechen.


Veraltetes Integrationskonzept

Doch statt offensiv über neue Lösungsansätze nachzudenken und die bisherige Integrationspolitik zumindest in Frage zu stellen, verschanzen sich die Verantwortlichen hinter ihren alten, erfolglosen und verideologisierten Rezepten: noch mehr Experten und Fachstellen. Das Einzige, was die Schulleiterinnen und -leiter im betroffenen Kreis Glattal bis anhin offiziell zum aktuellen Fall der Öffentlichkeit mitzuteilen hatten, ist ein schäumendes Communiqué, in dem sie ihrer «absoluten Abscheu» gegenüber der SVP freien Lauf lassen, die «in absolut verwerflicher Ausnutzung der Situation» mit ihren Postulaten Wahlkampf betreibe und mithin als Partei «der Demokratie unwürdig» sei.

Statt eine Assimilation der Kinder voranzutreiben, hält man an einem veralteten Integrationsprinzip fest, das Ausländer als vorübergehende Gäste im Land sieht. Statt dass Kindern von Immigranten möglichst im Vorschulalter zu einer soliden Sprachbasis verholfen wird, sollen die Kleinen nun bereits im Kindergarten Schriftdeutsch lernen – eine Fremdsprache, die ausser Lehrern hierzulande im Alltag nur Ausländer sprechen. Doch die Assimilation findet statt, so oder so: Wenn es den Schweizern nicht gelingt, den Einwanderern ihre Regeln und Werte beizubringen, dann läuft es halt umgekehrt. Dann bestimmen die Zuwanderer die Regeln und Sitten – so wie in Zürich Seebach, Mett-Bözingen oder Steffisburg.


* Namen geändert


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Frage: Jugendgewalt: Wo sehen Sie das Hauptproblem?
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aus der Diskussion: Neues aus Multikultistan
Autor (Datum des Eintrages): redbulll  (23.11.06 21:49:43)
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