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Italiens Politiker wollen Lufthansa aus Italien verdrängen

Von Tobias Piller, Rom


Alitalia sucht Partner
06. Dezember 2006
Italiens Schatzminister Tommaso Padoa-Schioppa will Ernst machen mit der Privatisierung von Alitalia. Andere italienische Politiker wollen dagegen ein unter italienischer Flagge marktbeherrschendes Unternehmen schaffen. Das Schatzministerium teilte am Dienstag mit, daß vom staatlichen Aktienpaket der Alitalia-Aktien - 49,9 Prozent - in einer Ausschreibung mindestens 30,1 Prozent veräußert werden sollen.

Abfindungsangebot für alle Aktionäre

Der Erwerber ist damit gezwungen, allen weiteren Aktionären ein Abfindungsangebot zu machen, kann damit aber auch die Aktienmehrheit an der bisher staatlich kontrollierten italienischen Fluglinie erwerben. Die Börse bewertet Alitalia derzeit mit 1,35 Milliarden Euro. Allerdings ist nicht klar, ob das Schatzministerium und damit Italiens Regierung mit bis zu 19,8 Prozent im Aktionärskreis bleiben wollen. Die Ausschreibung für den Aktienverkauf folgt auf einen überraschenden Beschluß des Ministerrats. Damit wollten Italiens Ministerpräsident Romano Prodi und sein Schatzminister dem politischen Gezerre um die Zukunft der bisher staatlich kontrollierten Alitalia ein Ende machen.


Für eine Reihe von linksdemokratischen Politikern ist aber gerade eine Erweiterung des Aktionärskreises bei Alitalia wiederum ein Vehikel für staatliche Intervention. Nach italienischen Medienberichten zielen Politiker derzeit besonders darauf, die deutsche Lufthansa aus dem italienischen Markt zu vertreiben. Dazu soll der bisherige Verbündete der Lufthansa in Italien, die Fluglinie Air One, mit Alitalia vereint werden. Ausländische Interessenten scheinen somit nicht zum Zuge zu kommen.


Air France gerät ins Hintertreffen


Vor allem für Air France-KLM, derzeit schon mit 2 Prozent an Alitalia beteiligt, bedeutet das eine Erschwernis auf dem Weg zu einer Kooperation. Nachdem Alitalia in der Vergangenheit ein Bündnis mit KLM aufgegeben hatte, stand jahrelang Air France (inzwischen verbunden mit KLM) als künftiger Bündnispartner für die italienische Linie fest. Allerdings scheuten sich die Franzosen davor, die italienische Fluglinie in ihrem gegenwärtigen, verlustträchtigen Zustand zu übernehmen. Daher wurde verlangt, daß Alitalia zuerst saniert werden müsse. Dies setzt vor allem eine Einigung mit den etwa zehn verschiedenen Gewerkschaften voraus, die bisher auf historischen Errungenschaften beharren. Diese Forderungen haben zuletzt die Widerstände in Italien gegen eine Verbindung mit Air France wachsen lassen. Nur der Alitalia-Chef Giancarlo Cimoli setzt sich derzeit noch öffentlich für eine Verbindung mit der französischen Linie ein.


Italiens Ministerpräsident Romano Prodi hat dagegen in wenigen Tagen einen Schwenk vollzogen. Noch kurz vor einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac präsentierte sich Prodi als derjenige, der das leidige Problem Alitalia durch ein Bündnis mit Air France lösen könne. Noch während des Treffens gab Prodi dann gegenüber den Verbündeten nach, die ein Bündnis mit Air France als "Kolonisierung" geißelten. Dabei hieß es, Frankreich wolle sich nur den italienischen Markt einschließlich wertvoller Start- und Landerechte ("Slots") einverleiben, aber dabei Alitalia langfristig abwickeln.

Eifersucht zwischen Mailand und Rom

Besondere Befürchtungen hegen dabei die Bürgermeister der Städte Mailand und Rom, die jeweils in ihrer Stadt ein Flugdrehkreuz ("Hub") von Alitalia wünschen und jetzt schon eifersüchtig über die Verlagerung von internationalen Flügen zwischen beiden Städten wachen. Die Unternehmensspitze von Alitalia hat dagegen seit Jahren klargemacht, daß beide Flughäfen nicht als "Hub" ausgelastet werden könnten und daß der Betrieb von Interkontinentalflügen von Mailand aus besonders kostspielig sei, weil der Großteil der Piloten und Flugbegleiter in Rom wohne. Nun haben die Bürgermeister der Städte Mailand und Rom einen gemeinsamen Aufruf gegen einen Verkauf von Alitalia ins Ausland veröffentlicht. Auch Industrieminister Pierluigi Bersani favorisiert für die Zukunft von Alitalia eine rein italienische Lösung. Vor allem von der größten Regierungspartei, den Linksdemokraten, soll dabei die Idee eines Zusammengehens von Alitalia mit Air One befürwortet werden. Die privat betriebene Fluglinie Air One des Bauunternehmers Carlo Toto hatte 1995 begonnen, der Alitalia auf wichtigen inneritalienischen Routen Konkurrenz zu machen.

Air One: Nach zehn Jahren Italiens Nummer Zwei

Geholfen hat Air One dabei ein Bündnis und Code-Sharing mit Lufthansa auf Flügen innerhalb Italiens und auf deutsch-italienischen Routen. Air One, mit 38 Flugzeugen, einem Umsatz von 500 Millionen Euro und 2000 Beschäftigten, hat 2005, nur zehn Jahre nach dem Start als nationale Fluglinie, rund 5,6 Millionen Passagiere transportiert. Mit der Lufthansa ist die Linie auf vielerlei Weise verbunden. Die deutsche Linie ist für den Service der Flugzeuge von Air One zuständig. Über die Kooperation mit Lufthansa gelang es Air One auch, in das Netz der Star-Alliance mit deren Rabattprogramm "Miles and More" aufgenommen zu werden. Die Lufthansa war offenbar in der Vergangenheit immer wieder daran interessiert, eine Beteiligung an Air One zu erwerben oder die Linie ganz zu kaufen. Der Besitzer Carlo Toto pochte jedoch immer auf seine Eigenständigkeit. Für die Lufthansa war das Bündnis mit Air One dennoch wichtig, um Alitalia in Italien Marktanteile abzujagen.


Wertvolles Bündnis für die Lufthansa


Denn zum einen bietet Air One Verbindungsflüge innerhalb Italiens für ankommende Fluggäste der Lufthansa an. Zum anderen hilft Air One, Geschäftsreisende auf Umsteigeflüge der Lufthansa über deutsche Flughäfen umzuleiten. Für Alitalia ist andererseits der Verlust von Marktanteilen im internationalen und interkontinentalen Flugverkehr für Geschäftsreisende einer der wichtigsten Gründe für den Niedergang. Air One ist seit Jahren Italiens zweitgrößter Anbieter von Flugverbindungen.


Nachdem Air One in den vergangenen Jahren alle Erlöse in das Wachstum des Unternehmens gesteckt hat, ist die Kapitaldecke der Linie allerdings zu dünn, um aus eigenen Mitteln eine Beteiligung an Alitalia zu erwerben. Um die Finanzierungslücke zu schließen, soll allerdings schon Italiens größtes Kreditinstitut Banca Intesa bereitstehen, das Romano Prodi auch politisch wohlgesinnt ist.


Streben nach einem neuen Monopol


Mit einer Fusion zwischen Alitalia und Air One würde nicht nur der ungeliebte Konkurrent Lufthansa Passagiere verlieren. Ein weiterer Vorteil aus Sicht der Regierung und der Gewerkschaften wäre, daß auf vielen Linien dann wieder ein Monopol einer einzigen nationalen Fluggesellschaft erstehen würde. Auf der ertragreichen Route zwischen Rom und Mailand - der am meisten beflogenen in Europa - ist derzeit Air One der einzige ernst zu nehmende Konkurrent von Alitalia. Die bisher staatliche Linie verlangt für die 600 Kilometer lange Verbindung von Mailand nach Rom bis zu 600 Euro für einen Hin- und Rückflug. Auch auf anderen Inlandsstrecken steht Alitalia nur mit Air One in Konkurrenz.


Daher hat nun Italiens oberster Wettbewerbshüter Antonio Catricalà Alarm geschlagen. Die italienische Nationalität eines Unternehmens sei „nicht nur eine Flagge, die verteidigt werden muß“, sagte er. „Dahinter muß auch Effizienz stehen.“ Catricalà wendet sich gegen die Auffassung, daß Italien unbedingt von einer nationalen Fluglinie beherrscht weden müsse: „Die Italianität ist ein Wert, den man sich verdienen muß, nicht ein Ausgangspunkt, den es zu verteidigen gilt.“

Text: F.A.Z., 06.12.2006, Nr. 284 / Seite 20
Bildmaterial: AP
 
aus der Diskussion: Alitalia
Autor (Datum des Eintrages): _Corleone_  (06.12.06 14:58:21)
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