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Saisonalität an den Aktienmärkten «Buy in December - a rule to remember» An den Aktienmärkten spielen sich in den meisten Jahren ähnliche Kursmuster ab: Im Winterhalbjahr zeigen sich die Kurse stärker als im Sommerhalbjahr. Das Phänomen lässt sich empirisch gut belegen, ist aber rational nicht ausreichend begründbar. Investoren nutzen es am besten aus, indem sie gegen Jahresende Aktien kaufen, die ohnehin gemessen am Gewinnwachstum günstig bewertet sind. (Red.)

Von Hans-Peter Huber* In Anbetracht der Börsenturbulenzen vom vergangenen Herbst mögen sich manche Investoren gesagt haben «alle Jahre wieder». Einmal mehr haben die Märkte deutliche Einbussen von den Niveaus im Frühsommer erlitten. Die Frage stellt sich, ob der Eindruck eines jährlich wiederkehrenden Musters in den Börsenbewegungen lediglichdas Resultat selektiver Wahrnehmung der Investoren ist oder ob über einen längeren Zeitraumbetrachtet tatsächlich solche regelmässigen saisonalen Effekte beobachtet werden können. Saisonale Effekte sollten gemäss der aus der Finanzmarkttheorie bekannten Hypothese effizienter Märkte nicht auftreten. Doch haben verschiedene Untersuchungen die Effizienzhypothese generell ins Wanken gebracht. Phänomene wie der «Weekend-Effekt», der «Januar-Effekt» oder der «Grössen-Effekt» sind belegbar, aber es gibt dafür keine stichhaltigen theoretischen Erklärungen.Sie werden deshalb kurzerhand als «Marktanomalien» bezeichnet. Ähnlich belegbar sind auch die Saisoneffekte. Die Analytiker als Schuldige? Warum sollten sich die Aktienmärkte im Frühling und Frühsommer signifikant besser entwickeln als im Spätsommer und Herbst? Überzeugende Erklärungen sind nur schwer zu finden.Eine oft gehörte Begründung erklärt den negativen Börsenverlauf in der zweiten Jahreshälfte mitGewinnrevisionen durch die Analytiker. Sie neigen dazu, zu Beginn des Jahres das Wachstum der Unternehmensgewinne über die nächsten zwölf Monate zu überschätzen. Allerdings ist auch diese Erklärung unbefriedigend, weil nicht einzusehen ist, warum solche regelmässigen Muster vom Markt nicht antizipiert und folglich im Kurs vorweggenommen werden sollen. Die Frage stellt sich, welche Anlagestrategien die Saisonanomalien profitabel ausnützen. Zum Zweck einer Untersuchung wurden Saison-Strategien explizit formuliert. Dafür wurde das Jahr inzwei Teile aufgeteilt. Die eine Hälfte umfasst dabei diejenige Periode, die als überdurchschnittlich rentabel vermutet wird. Dieser Zeitraum ist auf die Periode von Anfang Dezember bis Ende Mai festgelegt worden; gemäss der «Marktregel», dass in den meisten Jahren ein Jahresendrally und der Januar-Effekt mit einer positiven Kurswirkung auftreten. Die entsprechende Börsenhandlungsregel lautet «Sell in May and go away» (verkaufe im Mai und bleibe der Börse fern). Die andere Periode umfasst den Zeitraum von Anfang Juni bis Ende November und deckt damit die für die Aktienmärkte als schwierig betrachteten Herbstmonate ab. Im Folgenden wird die auf den ersten Zeitraum bezogene Strategie («Sell in May») zwei anderen Strategien gegenübergestellt, nämlich der genau gegenteiligen Strategie («Buy in May»; kaufe im Mai) sowie einer passiven «Buy and Hold»-Strategie. Bei «Sell in May» wird über den Zeitraumvon Ende November bis Ende Mai in Aktien investiert. Von Ende Mai bis Ende November werden Geldmarktanlagen gehalten. Im Rahmen der Strategie «Buy in May» wird zwischen Ende November und Ende Mai eine Geldmarktanlage gehalten. Von Ende Mai bis Ende November wird in Aktien investiert. Die «Buy and Hold»- Strategie bedingt Investitionen in Aktien über das ganze Jahr hinweg. Die drei Strategien sind über den Zeitraum der letzten 30 Jahre für ein internationales Aktienportfolio aus der Sicht eines Schweizer Investors getestet worden. Grundlage für die Berechnungen bildete dabei der MSCI- Aktienweltindex mit Basiswährung Franken. Zusätzlich durchgeführte Tests haben gezeigt, dassdie Währungseinflüsse im MSCI im Zusammenhang mit der Fragestellung vernachlässigbar sind. Für die Geldmarktanlagen wurden 6-Monats- Depositzinsen in Franken verwendet. Die Ergebnisse dieser Simulation sind in der Tabelle zusammengefasst, die kumulierten Renditen der drei Strategien in der Grafik dargestellt. Die Ergebnisse lassen tatsächlich eine deutliche Überlegenheit der «Sell in May»-Strategie erkennen. So liegt die durchschnittliche Jahresrenditefür die Strategie «Sell in May» bei 10,2%, während die «Buy and Hold»-Strategie (MSCI-Index) lediglich 5,7% und die «Buy in May»-Strategie gar nur magere 0,3% per annum erzielte.Aus dem Vergleich der beiden Komplementärstrategien («Sell in May» und «Buy in May») kann gefolgert werden, dass die Aktienhausse der letzten zwanzig Jahre per saldo fast ausschliesslich in der Halbjahresperiode Dezember bis Mai stattgefunden hat. In Anbetracht der Einfachheit der aufgezeigten Strategie (im «richtigen» Halbjahresrhythmus investiert sein) sind die Ergebnisse zweifellos erstaunlich. Führt man dieselbe Untersuchung für einzelne lokale Aktienmärkte durch, ergeben sich qualitativ dieselben Schlussfolgerungen. Am ausgeprägtesten sind sie aberauf der Ebene des hier verwendeten Aktienweltindexes zu erkennen. Dies könnte darauf hinweisen,dass die beobachtete Saisonalität letztlich ein globaler Einflussfaktor ist, der durch internationale Diversifikation über die Märkte hinweg deutlicher erkennbar wird. Dilemma für die Anleger Die Ergebnisse stellen den seriösen Analytiker vor ein Dilemma: Soll man der Theorie glauben, die den empirischen Fakten widerspricht, oder soll man den Daten glauben, welche jeder rationalen Begründung entbehren? In Situationen, wo der Kopf und der Bauch im Widerspruch stehen, hilft oft die Erfahrung. Eine optimale Strategie muss sowohl mit den Fakten als auch mit der Ratio im Einklang stehen. Gemäss diesem Rezept empfiehlt sich, im Dezember Aktien zu kaufen, wenn diese auch aus rationalen Gründen (Bewertung, Gewinnerwartungen usw.) als interessant erscheinen. Zurzeit erscheinen uns beispielsweise ausgewählte New-Economy-Aktien (Branchen Technologie, Telekom, Medien und Biotech), speziell in den USA, dank dem gesunkenen Kursniveau und den ansprechenden Gewinnerwartungen wieder als attraktiv. Zudem ergeben unsereAnalysen, dass diverse europäische Old-Economy-Aktien (Titel aus traditionellen Branchen) als günstig einzustufen sind. Das Weihnachts- bzw. Jahresendrally an den Börsen ist dieses Jahr ausgeblieben. Es ist deshalb noch nicht zu spät, in solche Werte, die man als rational attraktiv betrachtet, zu investieren und zusätzlich auf den Saisoneffekt zu setzen. Eine derartige Strategie steht im Einklang mit den Fakten und ist gleichzeitig rational gut begründbar. * Dr. Hans-Peter Huber ist Chief Investment Officer der Partner-Bank.





Artikel Börsen und Märkte
 
aus der Diskussion: Börsenguru`s
Autor (Datum des Eintrages): Riddick  (04.01.01 22:47:49)
Beitrag: 85 von 150 (ID:2632403)
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