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Wirtschaft
Kurzer Stopp der ,,Freundschaft“
Ölreserve musste angezapft werden

Ungarn hat kürzlich auf seine Ölreserven zurückgegriffen, nachdem Russland wegen eines Streits mit Weißrussland den Hahn der durch Europa verlaufenden Freundschafts-Pipeline abgedreht hatte. Die russischen Öllieferungen nach Ungarn und in andere europäische Länder wurden am vergangenen Montag eingestellt, weil Weißrussland eine Steuer für den Transit erhoben hatte. Die Maßnahme war eine Antwort auf die Verteuerung der russischen Gaslieferungen an den westlichen Nachbarn.
Auch eine Steuer für den Ölexport an Weißrussland wurde eingeführt. Die russische Ölfirma Transneft behauptete, Weißrussland habe einige Tage vor dem Pipeline-Stopp 80.000 Tonnen Öl abgezapft, die für Europa bestimmt waren. Mittwochnacht setzte der Ölstrom wieder ein, nachdem die weißrussische Regierung die Transitsteuer wieder aufgehoben hatte. Täglich werden 218.000 Tonnen russischen Öls über Weißrussland nach Europa geleitet.

Alternativen der Energieversorgung
In Ungarn verursachte der Lieferstopp keine Versorgungsprobleme. Wirtschafts- und Verkehrsminister János Kóka bevollmächtigte am Dienstag dennoch die Energiefirma MOL, die strategische Reserve als Kontingent für eine längere Unterbrechung der Lieferungen zu öffnen. Kóka teilte mit, er habe der täglichen Entnahme von 15.000 Tonnen Rohöl zugestimmt. Wie er hinzufügte, beträgt der tägliche Verbrauch in Ungarn nur 13.000 Tonnen. Ungarn verfügt über eine Rohölreserve von 500.000 Tonnen. Zwischen Mittwochnachmittag und Donnerstag, als wieder Öl in Ungarn eintraf, wurden rund 10.000 Tonnen verbraucht. Die wieder aufgenommenen Lieferungen betrugen täglich 25.000 Tonnen. Nach Angaben von MOL-Sprecher Szabolcs Ferencz wurden vor dem Rückgriff auf die strategischen Reserven technische Reserven im Umfang von 34.000 Tonnen verbraucht. Die Wiederauffüllung werde voraussichtlich noch in diesem Monat abgeschlossen, fügte der Sprecher hinzu. Das Benzin wurde nicht teurer, weil die strategische Reserve mit 3 Ft pro Liter bereits im Preis einberechnet ist.
Zwar bereitete das russisch-weißrussische Scharmützel in Ungarn nur geringe Probleme, aber das Problem der Energiesicherheit rückte wieder einmal in den Mittelpunkt. Die Agentur Standard and Poor’s erklärte, sie wolle das Risikorating der MOL nicht verändern, Ungarn sei aber viel zu abhängig vom Import russischer Energieträger. Dies erwies sich bereits im vergangenen Jahr, als wegen eines Konflikts zwischen Russland und der Ukraine der Gastransport gestoppt wurde. Ungarn, das seinen Erdgasbedarf zu 70% mit Importen aus Russland deckt, erlitt während der Krise eine Verknappung um 40%. Kóka erklärte aber in der vergangenen Woche, die nach der Verunsicherung im vergangenen Jahr entwickelte Strategie bedürfe keiner Änderungen. Bei Erdöl (24% des Energieverbrauchs) sei Ungarn weit weniger importabhängig als bei Gas (44%).
Nach dem zeitweiligen Abgeschnittensein vom russischen Gas schaute sich die ungarische Regierung nach Alternativen um. Wie der Rest von Europa beteiligt sich auch Ungarn an dem 4 bis 6 Mrd. teuren Nabucco-Pipeline-Projekt, das den Gastransport aus Ländern wie Aserbaidschan und dem Iran ermöglichen wird. Interessiert ist Ungarn auch an der Verlängerung der Blue-Stream-Pipeline nach Europa. Bisher führt sie das russische Erdgas nur bis zur Türkei. Vage sind noch die Pläne für die LNG-Pipeline, die von Kroatien aus den Transfer nordafrikanischen Erdgases ermöglichen soll. Unklar ist, wo die Regierung das Geld für all diese Vorhaben aufbringen will. Minister Kóka sagt, man habe zwar noch keine konkreten Vereinbarungen getroffen, doch sei man zur Finanzierung eines jeden dieser Konzepte in der Lage. Ungarn hat starke Ambitionen, einen großen Teil der europäischen Gasreserven zu beherbergen. MOL hat einen Vertrag über die Anlegung einer Reserve von 1,2 Mrd. Kubikmetern erhalten.
Das Land hat Chancen, sich zum Gasexporteur zu entwickeln, wenn die bei der südungarischen Stadt Makó entdeckten Vorkommen wirtschaftlich ausgenutzt werden können. Die kanadische Firma Falcon Oil & Gas Ltd. führt hier Bohrungen durch. Der Geschäftsführer des Unternehmens Marc A. Bruner sagte der Tageszeitung Népszabadság in der vergangenen Woche, ein Bericht über die Menge des wirtschaftlich erschließbaren Gases werde innerhalb von sechs Monaten erstellt. Zuvor hatte Falcon berichtet, es gebe eine 90%ige Chance, aus der Lagerstätte 509 Mrd. Kubikmeter Gas zu gewinnen. Die Wahrscheinlichkeit der Förderung von 1,28 Bio. Kubikmetern liege bei 50%.

Michael Logan

(Quelle: http://www.budapester.hu/?do=article&id=2321&issue=126)
 
aus der Diskussion: FALCON - ALLE DATEN, ALLE FAKTEN
Autor (Datum des Eintrages): dontsushi  (15.01.07 14:01:17)
Beitrag: 16 von 47 (ID:26934440)
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