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"Dummes deutsches Geld"

VDI nachrichten, Dortmund, 10. 11. 06, mav - Immer mehr kaum bekannte oder gänzlich unbekannte ausländische Aktien tauchen auf den Kurslisten deutscher Börsen auf. Darunter auch etliche Erneuerbare-Energie-Unternehmen. Können Anleger darauf vertrauen, dass die Unternehmen kontrolliert werden und transparent sein müssen?

Aktien des kaum bekannten US-amerikanischen Start-ups Ethanex Energy Inc. sind an den Börsen Frankfurt, Stuttgart, München, Berlin-Bremen und im elektronischen Xetra-Handel der Deutschen Börse AG zu kaufen. Ethanex (Sitz: Basehor/US-Bundesstaat Kansas) baut eigenen Angaben zufolge zurzeit drei Fabriken, in denen aus Getreide Bio-Ethanol hergestellt werden soll. 2008 soll die Ethanex- Produktion beginnen. Die Aktie aber läuft an den deutschen Börsen schon jetzt an manchem Tag auf Hochtouren.

Damit eine solche Aktie in den Börsenhandel starten kann, muss ein Maklerunternehmen sie am jeweiligen Börsenplatz betreuen. An der Berliner Börse ist das Maklerunternehmen Tradegate Wertpapierhandelsbank für den Handel mit den Ethanex-Anteilen zuständig. Wie gut sind die Maklerunternehmen über solche Aktien informiert? Holger Timm, Vorstandsmitglied von Tradegate, erklärt dazu: "Wir wissen im Zweifel gar nichts über die Unternehmen, deren Aktien wir handeln. Ob es gute oder schlechte Firmen sind, ist für uns völlig irrelevant."

Tradegate nehme auch keinen Kontakt mit den Unternehmen auf, so Timm. Er sehe seine Aufgabe als Dienstleister darin, dem deutschen Anleger den ordnungsgemäßen Handel mit den ausländischen Aktien zu ermöglichen.

Wieso wählen die Makler manche Aktie aus dem Ausland aus, andere aber nicht? Timm: "Unser Team schaut sich die Umsätze im Heimatmarkt an." Außerdem gäben Börsenbriefe, Boards und Foren im Internet Aufschluss darüber, an welchen Aktien die deutschen Anleger interessiert seien. Timm: "Wir wollen möglichst viel Umsatz mit den Aktien machen und dabei möglichst geringe Bestände aufbauen. Für jeden Titel müssen wir schließlich eine Einführungsgebühr an der Börse zahlen."

Laut Timm kommen für den deutschen Handel nur Aktien von Unternehmen in Frage, die am Heimatmarkt Handelsvorschriften unterlägen, die mit denen in Deutschland vergleichbar seien. Erfüllt seien diese Vorschriften auch bei manchen Unternehmen, die in den USA "Over-The-counter" (OTC) gehandelt würden, also an den so genannten OTC Bulletin Boards. "Die Bulletin Boards unterliegen seit etwa drei Jahren ähnlichen Berichtspflichten wie die Nasdaq. Teilweise sind sie sogar schärfer, es müssen zum Beispiel Quartalsberichte vorgelegt werden", so Timm.

Eva Klose, Pressesprecherin der Berliner Börse, bestätigt die Darstellung: "Die Werte des OTC Bulletin Board erfüllen die Voraussetzungen für den Handel in Berlin. Die Unternehmen haben an ihrer Heimatbörse ein Zulassungsverfahren durchlaufen, sie unterliegen den Folgepflichten ihrer Heimatbörse."

Die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) fordere u. a. Quartalsberichte und Jahresabschlüsse von den Firmen, so Klose. Auch der Insiderhandel werde überwacht.

Die Sprecherin: "Die notwendige Transparenz ist gesichert." Aufgabe der Börse sei nicht die Auswahl einzelner Titel, erklärt Klose. In Berlin würden über 14 000 Aktien aus mehr als 60 Ländern gehandelt, so viel wie an keiner anderen Börse. "Wir entscheiden nicht, welche Aktien in den Handel gelangen, sondern ob der Handel für eine Aktie aufgenommen wird. Wir prüfen formale Kriterien, und wir sorgen anschließend für den ordnungsgemäßen Handel gemäß den Regularien und Börsenvorschriften", so Klose.

Steffen Pörner, Sprecher der Börse Düsseldorf, sieht das kritischer: "Aus unserer Sicht kommen zwar alle Aktien für den Handel in Frage, die an einer anderen ordnungsgemäß geführten Börse der Welt notiert werden. Das OTC Bulletin Board sehen wir aber nicht als ordnungsgemäßen Handel an, dort werden die nötigen Transparenzrichtlinien nicht erfüllt."

Aktien, die nur dort gehandelt würden, kämen demgemäß für die Börse Düsseldorf nicht in Frage. Florian Weber, Sprecher des Skontroführers der Düsseldorfer Börse, der DKM Wertpapierhandelsbank, ergänzt: "Wir sind generell sehr skeptisch gegenüber ausländischen Unternehmen, die sich bei uns um die Aufnahme in den Handel bemühen. Oft haben Firmen mit geringer Qualität so versucht, beim deutschen Kapitalanleger Geld zu kassieren."

In den USA nennt man das laut Weber "stupid german money". Weber warnt: "Vollkommen wertlose Aktien werden von Vertriebsmannschaften in Boards und Foren regelrecht hoch gepuscht. Das ist eine gut verzahnte, in sich organisierte Industrie."

CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN
 
aus der Diskussion: Ventro, Umsätze enorm, unser kl. Zockertreff, Part 183
Autor (Datum des Eintrages): az-maja  (17.04.07 09:47:43)
Beitrag: 594 von 1,004 (ID:28852419)
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