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Am schnellsten wird in Singapur, Kopenhagen und Madrid gelebt
Florian Rötzer 02.05.2007

Nach einer Studie, die die Gehgeschwindigkeit von Passanten als Maßstab für städtisches Leben gemessen hat, leben die Menschen heute deutlich schneller als noch vor 10 Jahren


Das Leben in Großstädten hat einen schnelleren Rhythmus als der gemächlichere Alltag in Dörfern oder Kleinstädten. Diese Dynamik, die Städte seit ihrem Entstehen von 10.000 Jahren kennzeichnet, hat die Gesellschaften mitgerissen und umgekrempelt. Kürzlich konnte eine Studie belegen, dass neben der Innovationsrate und anderen sozialen Phänomenen die Beschleunigung auch Auswirkung auf da Tempo der Fußgänger hat. Je größer die Stadt, desto eiliger haben es die Menschen (Gehgeschwindigkeit, Innovation und Kriminalität).


Richard Wiseman, ein Psychologieprofessor an der University of Hertfordshire, der sich geschäftstüchtig und aufmerksamkeitsökonomisch (urban?) in Szene setzt, hat für sein neues Buch Quirkology untersucht, wie die Fußgänger in unterschiedlichen Ländern laufen. Der beschleunigte Rhythmus ist nicht nur abhängig von der Größe der Städte, in denen die Menschen wohnen, sondern auch kulturbedingt. Allerdings wurden hier nur Gehgeschwindigkeiten in 32 Städten untersucht, so dass sich von dieser Studie keine Rückschlüsse auf den Unterschied zwischen Stadt und Land ziehen lassen.

Fest steht nach der Studie, dass wir schneller gehen als noch in den 90er Jahren, also dass das Alltagsleben sich beschleunigt hat. Das ist zwar angesichts der immer schnelleren technischen Innovationsraten nicht weiter erstaunlich, da der Zwang oder der Wunsch, sich neuen Bedingungen anzupassen, in allen Bereichen des Lebens zunimmt. Die neuen Zahlen konnten mit einer Studie von 1994 verglichen werden, in der, so Wiseman, die Gehgeschwindigkeit von Fußgängern als guter Maßstab für den Lebensrhythmus einer Stadt beschrieben wurde. Menschen, die in Städten mit hoher Gehgeschwindigkeit leben, helfen nach dieser Studie ihren Mitmenschen weniger und leiden eher an Herzerkrankungen.

Wiseman ließ für sein Buch die Gehgeschwindigkeit mit denselben Methoden erfassen, wie sie 1994 angewendet wurden. Es wird die Zeit gestoppt, die Fußgänger brauchen, um 20 Meter zurückzulegen. Gemessen wurden zu selben Zeit am selben Wochentag. Wissenschaftler vom British Council nahmen die Messungen vor und wählten dafür jeweils eine belebte Straße mit einem breiten Bürgersteig, auf dem es keine Hindernisse gab und auf dem die Menschen mit maximaler Geschwindigkeit gehen konnten. Erfasst wurden jeweils 35 Männer und Frauen, die alleine unterwegs waren. Sie telefonierten nicht mit dem Handy und hatten auch keine großen Einkaufstaschen bei sich.

Heute brauchen die Menschen dazu nur noch 12,49 Sekunden, 1994 waren es noch 13,76. Danach hat die Gehgeschwindigkeit durchschnittlich um 10 Prozent zugelegt, was der Psychologe auch auf technische Erneuerungen wie Internet oder Handys zurückführt. Sie erlauben neben schnelleren Informationsweitergabe und –rezeption eine bessere Planung und Koordinierung, wodurch der Druck wächst, mehr in derselben Zeit machen zu müssen oder zu sollen.

Am größten scheint der Druck auf den sich schnell entwickelnden asiatischen Metropolen zu lasten. Singapur ist die Stadt, in der die Menschen mit 10,55 Sekunden für 20 Meter nicht nur am schnellsten gehen, sondern ihre Gehgeschwindigkeit auch in 10 Jahren um 30 Prozent beschleunigt haben. In Guangzhou (China) haben die Menschen immerhin 20 Prozent zugelegt. Erstaunlich ist vielleicht, dass sich die zweitschnellsten Fußgänger in Kopenhagen finden, gefolgt von den Madridern. Nach Guangzhou (10.94) sind unter den ersten 10 noch Dublin (11.03), Curitiba (11.13), Berlin (11.16), New York (12.00), Utrecht (12.04) und Wien (12.06). In arabischen Ländern geht man schon langsamer. Zu den gemütlichsten Fußgängern gehören die Menschen in Bern (17.37) oder in Bahrainischen Manama (17.69). Am langsamsten bewegen sich die Fußgänger mit 31,60 Sekunden in Blantyre (Malawi).


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Diese einfache Messung bietet einen wichtigen Einblick in die körperliche und soziale Gesundheit einer Stadt. Die Lebensgeschwindigkeit in unseren großen Städdten ist heute sehr viel schneller als früher. Diese Beschleunigung betrifft mehr Menschen als früher, weil jetzt da erste Mal in der Geschichte die Mehrzahl der Menschen in Städten lebt.
Richard Wiseman

Wiseman bietet auf seiner Website auch einen Test an, mit dem man angeblich selbst feststellen kann, ob man auf der Überholspur lebt oder es lieber gemächlich angeht.

Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25189/1.html
 
aus der Diskussion: Es bestätigt sich: Gehe langsam, wenn Du es eilig hast...
Autor (Datum des Eintrages): F 50  (03.05.07 10:06:37)
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