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03.05.2007

Subventionsbetrug

Steinbrück-Vertrauter verhaftet

In der Affäre um den Subventionsbetrug an der Fachhochschule Gelsenkirchen hat die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum am Donnerstagmorgen einen hohen Beamten der Düsseldorfer Landesregierung verhaftet.

Ministerialdirigent Rainer D. hatte wohl schon lange damit gerechnet, dass er ins Visier der ermittelnden Staatsanwälte rücken würde. In den letzten Wochen soll er nach Beobachtungen mehrerer Mitarbeiter fleißig Akten kopiert und deponiert haben.

Am Donnerstagmorgen war es soweit: Kurz bevor der 53-Jährige zum Dienst ins Düsseldorfer Gesundheitsministerium fahren wollte, präsentierten ihm die Bochumer Ermittler zu Hause einen Haftbefehl und nahmen ihn gleich mit zu Vernehmungen. Rainer D. soll tief in den Subventionsbetrug an der Fachhochschule Gelsenkirchen verstrickt sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Subventionsbetrug und Bestechlichkeit vor.

Nachdem die Staatsanwälte in den vergangenen Wochen mehrere Professoren verhaftet hatten, die seit 2002 mehrere Millionen Euro Steuergelder von der nordrhein-westfälischen Landesregierung kassierten, sie über Scheinfirmen aber auf eigene Konten umleiteten, hat nun der Subventionsskandal auch Düsseldorf selbst erreicht. Die alte rot-grüne Regierung hatte das so genannte Inkubatorszentrum an der Fachhochschule eingerichtet, um jungen Wissenschaftlern den Weg in die Selbstständigkeit zu ermöglichen und Innovationen im kränkelnden Ruhrgebiet zu halten.

Das war eine Einladung zur Selbstbedienung. Nach den bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gründeten vor allem die unterrichtenden Professoren Firmen, um die Subventionen abzugreifen. Aber auch leitende Beamte machten offensichtlich mit und wirtschafteten in die eigene Tasche.

Ausgetüftelter Finanzierungsplan

Der jetzt im Gesundheitsministerium arbeitende Ministerialdirigent ist nach Informationen von FOCUS Online eine der Schlüsselfiguren in der Affäre. Rainer D. wurde erst kürzlich ins Arbeits- und Gesundheitsministerium von Karl-Josef Laumann (CDU) versetzt, zuvor arbeitete er im Finanzressort. Dort war er 2002 als enger Mitarbeiter des damaligen NRW-Finanzministers und heutigen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) zuständig für die Finanzierung des Gelsenkirchener Inkubators.

Rainer D. soll für Steinbrück maßgeblich den Finanzierungsplan des Inkubators ausgearbeitet haben. Wie FOCUS Online erfuhr, hat Rainer D. einen Weg gefunden, das Zentrum zu 100 Prozent aus öffentlichen Mitteln (EU, Bund, Land) zu finanzieren – üblich sind 80 Prozent.

Nervosität im Finanzministerium

Doch Rainer D. bekam offenbar Wind davon, wo die Förder-Millionen verschwanden, und soll nach unbestätigten Informationen auch selbst davon profitiert haben. Danach waren Familienangehörige des Ministerialdirigenten an der Fachhochschule beschäftigt und sollen Gelder erhalten haben. Dieser Verdacht hat sich offenbar bei den Ermittlungen erhärtet. Im NRW-Finanzministerium reagiert man seit einigen Wochen in der Angelegenheit hoch nervös und verschlossen.

Wie FOCUS Online aus Kreisen der Landesregierung erfuhr, soll sich die Staatssekretärin im Finanzministerium, Angelika Marienfeld (SPD), über einen Abteilungsleiter ihres Hauses bereits wichtige Unterlagen beschafft haben, die Rainer D. damals erstellte und noch im Besitz hatte. Marienfeld war lange Jahre eine enge Vertraute Steinbrücks.

Ein anderer Förderer des Inkubators Gelsenkirchen war der frühere Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, Hartmut Krebs. Nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb im Sommer 2005 wechselte auch der SPD-Mann das Metier. Krebs ließ sich mit einer Consulting-Firma im geförderten Inkubator nieder. Ende Dezember letzten Jahres, als erste Anzeichen für den Skandal sichtbar wurden, schloss Krebs aber wieder die Bürotüren seiner Firma.

http://www.focus.de/finanzen/news/subventionsbetrug_aid_5161…

24.03.2007

Subventionsbetrug

Millionengrab in Gelsenkirchen

Im Umfeld der Fachhochschule Gelsenkirchen, wo Millionen Fördergelder verschwunden sein sollen, bestehen abenteuerliche Firmenverflechtungen. Die Aufsichtsbehörden sollen bei der Überwachung komplett versagt haben.

Um aus Studenten der Fachhochschule Gelsenkirchen Unternehmer zu machen, kooperiert das eigens dafür gegründete „Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe“ (ZE) gleich mit mehreren Dutzend „Geburtshelfern“ aus unterschiedlichen Branchen. Seitdem Bochumer Staatsanwälte vor eineinhalb Wochen vier Professoren und Wissenschaftler aus den Schnittstellen von Hochschule und „Brutkasten“ ins Gefängnis beförderten, bangen nicht wenige der Gelsenkirchener Existenzgründungsberater nun um ihre eigene Existenz.

Die Ermittler vermuten „gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetrug“. Den gleichen Verdacht legt ein parallel dazu aufgesetzter Prüfbericht des Landesrechnungshofes (LRH) in Düsseldorf an den nordrhein-westfälischen Landtag nahe. Das Papier dokumentiert eine beispiellose Kette des Versagens. Staatliche Fördermittel von mehr als zwölf Millionen Euro sind nach Überzeugung der Kassenprüfer in einem hochschulnahen Firmengeflecht über Scheinrechnungen und Luftgeschäfte weitgehend zweckentfremdet worden, während die Überwachungsbehörden laut LRH schliefen.

Lausiger Job der Aufsichtsbehörden

So rügen die Kontrolleure, dass sich die zuständigen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerien seit 2001 nicht miteinander abgestimmt und deshalb den Überblick verloren hätten, ob bei der Finanzierung alles mit rechten Dingen zugehe. Klartext: Im fraglichen Zeitraum hätten die Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold und dessen Nachfolger Harald Schartau (beide SPD) sowie die beiden früheren Wissenschaftsministerinnen Gabriele Behler (SPD) und ihre Nachfolgerin, die heutige SPD-Fraktions- und Parteichefin Hannelore Kraft, einen lausigen Job gemacht. Versagt haben nach Ansicht von LRH-Chefin Ute Scholle (SPD) auch der zuständige Regierungspräsident in Münster, Jörg Twenhöfen (CDU), sowie der vergangene Woche abgelöste Hochschulrektor Peter Schulte.

Rückblende: Im Dezember 2003 eröffnete der damalige NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) auf dem stillgelegten Bergwerk Hugo das Hauptquartier des Inkubator-Zentrums. Zu der Zeit quälte sich die alte Zechenstadt mit einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent und brauchte dringend ein Zeichen des Neuanfangs. Das Projekt eines kanadischen Investors, auf der toten Mine ein Besucherbergwerk zu betreiben, war gerade gescheitert. Vielleicht wurde deshalb auch nicht mehr so genau hingesehen, wer sich fortan darum bemühte, die Strukturförderung aus Düsseldorf, Berlin und Brüssel in praktische Überlebenshilfe für die Region zu kanalisieren.

Sicher ist jedoch, dass das Gründerfieber rund um den mit Fördermillionen ausgestatteten Inkubator seltsame Blüten trieb. So hatte der Münsterländer Kaufmann Dietrich-Karl Seeger, seit Anfang dieses Jahres Geschäftsführer des Zentrums, erst zwei Wochen vor der Eröffnungsfeier 2003 im Handelsregister Coesfeld die nach ihm benannte „Dietrich K. Seeger AG“ angemeldet. Der Ein-Personen-Betrieb schoss sich sofort in den Beraterkreis des Inkubatorzentrums. 715 690 Euro Honorar kassierte Seeger fortan für Beratungsleistungen seiner Aktiengesellschaft, deren Aufsichtsrat er bis heute mit seinen Töchtern Juliette, Jacqueline und Jennifer besetzt.

Kein Einzelfall. Wie freiwillige Selbstkontrolle mutet auch die Berufung des Aufsichtsrates der Schupke Consulting AG an. Dort überprüfen die Rentner Marietta und Helmut Schupke die Geschäfte ihres Sohnes, des Vorstandsvorsitzenden. Mit im Kontrollgremium sitzt laut Handelsregister die junge Ärztin Stefanie Reich – auch nicht vom Fach zwar, aber eine gute Freundin immerhin. Satte 2,3 Millionen Euro Honorar kassierte der Student Schupke vom Inkubatorzentrum, was die Prüfer des LRH vor allem deshalb irritiert, „weil Herr Schupke selbst als Existenzgründer anzusehen ist“. Eine „Qualifikation, die eine Beauftragung in so erheblichem Umfang rechtfertigt, wurde vom ZE bisher nicht nachgewiesen“, kritisierten die Prüfer im Dezember vergangenen Jahres die opulente Geldvergabe an den zum Zeitpunkt seiner Firmengründung 26-Jährigen.

Subventioniertes Millionengrab

Undurchsichtig – selbst für eigene Mitarbeiter – ist offenbar das Netzwerk, das Schupke gesponnen hat. Als PR-Instrument bietet er etwa die Dienste der Agentur „MEX media exclusive“ an – als Chefredakteur tritt er selber auf, den „Beirat“ der Agentur führt Stefanie Reich. Seltsam nur: Wer vergangene Woche Mex media anrief, landete bei Schupke Consulting. Vorsichtig deutete die Telefonkraft an, dass sie dafür „gar keine Erklärung“ habe. Auch eine Dr. Stefanie Reich sei im Unternehmen völlig unbekannt. Bei anders lautenden Angaben im Handelsregister des Amtsgerichts müsse es sich „um einen Druckfehler handeln“. Die Verwirrung komplett macht das Versprechen, ein Mitarbeiter namens Stefan Reich würde die Irritation aufklären. Doch öffentliche Stellungnahmen will der nicht abgeben.

Was bleibt? Die „finanzielle Tragfähigkeit“ des Zentrums über den Förderzeitraum hinaus halten die Landes-Kassenprüfer für „unwahrscheinlich“. Das bisher mit Steuergeldern am Leben gehaltene Inkubator-Zentrum betrachten die Kontrolleure längst als Millionengrab.
 
aus der Diskussion: Vertrauter von Steinbrück(SPD) wegen Subventionsbetrug in Millionenhöhe verhaftet
Autor (Datum des Eintrages): Blue Max  (03.05.07 14:37:59)
Beitrag: 1 von 13 (ID:29112613)
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