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Multimedia Home Plattform

Technisch wird der Multimediamarkt von morgen neben den Computern in erster Linie durch digitale Settop-Boxen bestimmt. Für diese gibt es jetzt durch die Vereinbarung eines verbindlichen Standards einen Durchbruch hin zu kompatiblen Geräten. Das Projekt läuft unter dem Namen Multimedia Home Plattform (MHP).

Was ist MHP?
Das European Telecommunications Standards Institute ETSI hat am 17. Juli 2000 die Spezifikation der Multimedia Home Plattform (MHP) zur offiziellen Norm erhoben. MHP beruht auf offenen Standards und unterliegt selbst keiner Lizensierung. Es werden Funktionen einer Settop Box definiert, die digitale Fernseh- und Radioprogramme präsentiert, multimediale Zusatzdienste managt und auch als Internet-Terminal dienen kann. Die multimedialen Zusatzdienste reichen von einem Videotext-Pendant über weiterführende Inhalte, Weiterleitung auf Internet-Seiten, Angebote von Werbeträgern bis hin zum eCommerce. Bei MHP ist der Dekodierer als Java Virtual Machine ausgebildet. Das soll die Offenheit garantieren.

Das Digital Video Braodcasting Forum DVB erarbeitet mit seinen mittlerweile über 250 Mitgliedern (Programmanbieter, Hersteller von Übertragungstechnik und Endgeräten, sowie CATV-Betreiber) Vorschläge zur Normierung durch das ETSI. An der Entwicklung waren z.B. Grundig, Hitachi, Matsushita, Philips, Sharp, Sony, Thomson und Toshiba beteiligt.

Der DVB-Standard fußt auf der MPEG-2-Kompression. Teilvorschläge betreffen die unterschiedlichen Transport-Layer. DVB-S beschreibt den Satellitenweg, DVB-C den durch das Kabel und DVB-T den per terrestrischem Funk. Darüber hinaus regelt DVB auch das Zusammenspiel zwischen den Datenströmen und der Settop Box für zusätzliche Funktionen. Hierunter fällt auch die Handhabung von SmartCards für Pay-TV. Beim Internet-Betrieb regeln unterschiedliche DVB-Vorschläge den Rückkanal, der alternativ über Breitbandkabel, (GSM)-Mobilfunk oder Telefonnetz gehen kann.

Die F.U.N.-Allianz (Free Universe Network) bietet u.a. der Kirch/Telekom-Gruppe die Stirn. Hier sind über 40 Mitglieder versammelt. Hersteller wie Infineon, Panasonic und Sun Microsystems sitzen mit Sendern wie ARD und Eurosport und Medien-Technikern wie Magic media Service und OpenTV an einem Tisch. F.U.N. strebt eine unabhängige digitale Fernsehplattform durch offene Standards an. Nicht ganz vergeblich - sieht doch das neue Mediengesetz ab dem 1. November 2000 vor, dass alle Settop Boxen künftig mit einer offenen Technologie, dem DVB Common Interface (DVB-CI), ausgestattet sein müssen. Damit ist es nun nicht länger nötig, Settop Boxen unterschiedlicher Content-Anbieter neben seinem Fernseher bis zur Zimmerdecke aufzustapeln. Eine einzige DVB-kompatible Box soll alle (zahlungspflichtigen) Angebote handhaben.
Die F.U.N. sieht damit das Ende der Kirch-Box und des Gerätemonopols der Deutschen Telekom gekommen und jubelt: "Jetzt kann das Potenzial des digitalen Marktes endlich erschlossen werden. ... der jungen Multimediaindustrie bieten sich nun völlig neue Vermarktungsmöglichkeiten."

Die ersten offenen Settop Boxen


Es gibt bereits erste Produkte auf Basis von MHP. So hat Nokia vor kurzem eine Settop-Box auf Basis von Linux vorgestellt (Artikel dazu hier!). Durch eine eingebaute Festplatte kann sie auch als digitaler Videorekorder benutzt werden. Der Bildschirm ist zur gleichzeitigen Nutzung von Internet und Fernsehprogramm teilbar. Nokia soll bereits eine Million Geräte produziert haben. Das war im Rahmen der International Broadcasting Convention (IBC) zu hören.
Philips und Panasonic haben ebenfalls MHP-kompatible Geräte entwickelt. In der ersten Jahreshälfte 2001 soll Canal+ Technologies mit der Auslieferung der Net-Top Box beginnen, die auf einer Philips-Entwicklung und beruht und MHP-kompatibel ist. In diesem Fall sitzt Windriver mit im Boot. Der amerikanische Hersteller für embedded Software steuert das Betriebssystem bei.
Sony Europe, Philips, Panasonic und Nokia haben angekündigt, bei der Realisierung der Multimedia Home Plattform (MHP) eng zusammen arbeiten zu wollen. Ziel der Bemühungen sei es, durch die Erarbeitung von Tests und Spezifikationen eine umfangreiche Kompatibilität sämtlicher Digital-Empfänger zu gewährleisten. Definitive Aussagen von Marktteilnehmern zum Einführungszeitpunkt oder zum Preis gibt es noch nicht.

Sender wie ARD, RTL und ZDF strahlen zunächst weiter OpenTV-kompatible Zusatzdienste über Satellit aus. Die Programmanbieter wollen den neuen Standard erst einmal im Alltag testen. OpenTV scheint sich jedoch in Richtung MHP zu bewegen, so dass durch die de facto Konvergenz eine Unterstützung der neuen offenen Konzepte eher früher als später zum Tragen kommen könnte.

Quelle: Klaus Singer, Wallstreet online

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Von Rainer Bücken (aus der FUNKSCHAU Heft 21/98 vom 2. Oktober 1998)
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Multimedia Home Plattform

Derzeit sind die Set-Top-Boxen noch relativ einfache Geräte. Sie demultiplexen das MPEG-2-Signal, decodieren den Datenstrom und geben Bild- und Tonsignale sowie die Zusatzinformationen wieder aus. Mit Multimedia hat das noch nicht viel zu tun. Das wird sich jetzt mit der Multimedia Home Plattform ändern. Auf der CEBIT Home gab es bereits einen kleinen Vorgeschmack.

Die MHP ist eine technische Plattform, die auf der Programmiersprache Java basiert und viele Vorteile bietet:

Alle Diensteanbieter können mit ihren Applikationen auf jeder MHP-Box arbeiten.
Der offene Standard erlaubt unabhängige Applikationen.
Es gibt eine Produkt-Palette von Low-End bis High-End. Die Gerätekosten richten sich nach dem Ausstattungsgrad.
Es werden verschiedene CA-Systeme unterstützt:

Eine Box reicht für die Nutzung unterschiedlicher CA-Systeme (CA = Conditional Access).
Es gibt einen direkten Internet-Zugang durch die Verwendung von Java.
MHP-fähige PCs können ebenfalls die MHP-Applikationen nutzen.
Es gibt drei Bereiche, in denen MHP dem Zuschauer neue Dienste eröffnet:

Enhanced Broadcasting
Interactive Broadcasting sowie
Internet-Dienste.
Bei Enhanced Broadcasting geht es um einen fortgeschrittenen Videotext - möglichst auf HTML-Basis. Bei diesem Super-Teletext werden mehr Informationen in einer schöneren Aufmachung übertragen. Ausserdem gibt es zusätzliche Programme zu kulturellen oder politischen Themen. Die Informationen müssen nur abgerufen werden. Es ist dabei von "lokaler Interaktvität" die Rede. Ein Rückkanal steht hier nicht zur Verfügung.

Umfanggreicher EPG

Der EPG (Electronic Program Guide) durchsucht hunderte von Programmen. Egal, ob der Zuseher nach Western oder Nachrichten forscht - der EPG ist schneller und zuverlässiger als das Zappen durch das Angebot. Außerdem ist der Zugriff zu einem kompletten MPEG-2-Bild nur nach einem sogenannten I-Frame möglich - und darauf muß man schon mal eine halbe Sekunde warten. Deshalb wird das Zappen in der digitalen Welt der DVB-Programme nie so schnell gehen wie beim analogen Fernsehen.

Bei Interactive Broadcasting geht es um Mitwirkungsmöglichkeiten wie Televoting. Dazu ist freilich ein Rückkanal erforderlich. Man braucht ein Telefonmodem, ein Kabelmodem oder einen Rückkanal im Kabel.

Bei den Internet-Diensten handelt es sich um die Verbindung des Fernsehers mit dem World Wide Web. Mittlerweile gibt es auch hier ganz interessante Techniken, um mit den Beschränkungen der Bildröhre fertig zu werden. Trotzdem wird mit der MHP eine Lösung gesucht, um die Set-Top-Boxen allein durch das API internet-fähig zu machen, ohne daß ein Computer untergeschnallt werden muss. Künftige MHP-Fernseher gehen direkt ins Internet und stellen alle Inhalte dar. Es geht nicht nur darum, bestimmte Seiten zu präsentieren, sondern den vollen Internet-Zugang mit HTML (Hypertext Markup Language) zu gewährleisten. Das wird nicht ohne Übersetzer zu realisieren sein, denn die Fernsehgeräte - zumindest die europäischen - werden vermutlich selbst noch in 20 Jahren nicht über die selbst auferlegte 625-Zeilen-Beschränkung hinauskommen, und so lassen sich "normale" Web-Seiten zwar wunderbar auf einer PC-, nicht jedoch auf einer TV-Bildröhre darstellen.

Alle Informationen müssen jede Set-Top-Box erreichen. Angebote, die beispielsweise nur Boxen von Nokia oder Panasonic nutzen können, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine einheitliche Hardwaretechnik wäre zwar machbar gewesen, doch so etwas ist industriepolitisch nicht durchzusetzen. Es musste ein plattformunabhängiger Weg gefunden werden - und da hat sich Java angeboten.

Java für Set-Top-Boxen

Als Programmiersprache für die künftigen Set-Top-Boxen, Fernsehgeräte und Videorecorder kommt Java zum Einsatz. Darauf hat sich die DVB-Gruppe geeinigt. Entwickelt wurde Java von Sun Microsystems. Und nichts spricht natürlich dagegen, auch PCs Java-kompatibel zu machen, auch wenn das einem Bill Gates womöglich nicht gefällt. Java läuft auf Windows-, OS/2-, Solaris- und Linux-Rechnern sowie auch auf Alpha-Workstations. Voraussetzung indes ist eine Virtual Machine, die gewissermaßen dieses Java-Programm ausführt. Die Virtual Machine bietet dem Programm immer das gleiche Umfeld an und übersetzt es dann quasi ins jeweilige Betriebssystem. Daher kommt auch der Name: Virtual Machine - wird dem Programm doch immer der gleiche Rechner vorgegaukelt.

Diese Virtual Machines selbst sind jedoch plattformabhängig und müssen einmal für eine bestimmte Hardware- und Softwareplattform übersetzt werden. Dann "sehen" die Programme gewissermaßen immer die gleiche Maschine. Zudem sind in Java schon viele Komponenten enthalten, die anderen Programmiersprachen erst zugesetzt werden müßten, beispielsweise die TCP/IP- und HTTP-Protokolle (Transmission Control Protocol/Internet Protocol und HyperText Transport Protocol).

Die Lösung Java ist nun allgemein akzeptiert. Die proprietären Lösungen, heissen sie nun OpenTV, Mediahighway, Mediahighway+ (Canal+) oder BetaResearch-System (DF1), sind damit aus der Diskussion - zumindest was das System für MHP angeht. OpenTV hat bereits am 30. März 1998 in Palo Alto angekündigt, die Personal-Java-(pJava)-Plattform von Sun Microsystems zu lizensieren und in OpenTV zu integrieren. Und pünktlich zur CEBIT Home kündigte OpenTV an, daß es seine pJava-Lizenz "bei der Weiterentwicklung seines DVB-Standardkompatiblen Produktes einsetzen wird".
 
aus der Diskussion: Deutsches Konsortium
Autor (Datum des Eintrages): junkstro  (19.02.01 16:34:25)
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