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Ok jetzt `professordeluxe`, das reicht mit der Kindersprache oder?

Dienstag, 27. Februar 2001

«Big John» will Kontrolle über deutsche Breitbandnetze
Verkauf der Mehrheit des Telekom-Kabels an die US-amerikanische Liberty Media - ein neuer Mediengigant stößt nach Europa vor
Von Volker S. Stahr

Für Telekom-Chef Ron Sommer war es die beste Nachricht seit Wochen: Für rund zehn Milliarden Mark hat er den Großteil des bundesweiten Kabelnetzes an die britisch-amerikanische Investorengruppe Klesch/Liberty Media verkauft. Insgesamt geht es dabei um die gesamten Breitbandkabel des ehemaligen Monopolisten. Zu dem Paket gehören auch die Anschlüsse in Berlin/Brandenburg, an denen 1,64 der 2,29 Millionen Haushalte angeschlossen sind.

Doch neben Sommer dürfte sich auch John C. Malone freuen. Er ist Chef des künftig wohl als Hauptgesellschafter auftretenden US-Unternehmens Liberty Media. Der 59-Jährige ist einer der einflussreichsten Medienmanager der USA. Groß geworden ist er bereits durch ein Kabelunternehmen: durch TCI, das er über Jahrzehnte hinweg zu einem der führenden Anbieter von Kabelfernsehen in den Staaten ausgebaut hat. 1999 verkaufte Malone TCI für stolze 48 Mrd. Dollar an den US-Telekomriesen AT&T. An diesem besitzt er nun auch Anteile. Behalten hat er damals aber die in Liberty Media gebündelten Beteiligungen an mehreren Medien- und Produktionsfirmen, darunter acht Prozent am weltweiten TV- und Zeitungsreich News Corp. des US-Australiers Rupert Murdoch und 21 Prozent an USA Networks, einem bekannten Unterhaltungs- und Shoppingkanal in den USA.

Der mächtige John C. Malone - Beiname «Big John» - erhält nun auch noch Zugriff auf zehn Millionen Kabelhaushalte in Deutschland, rund die Hälfte des Bestandes der Republik. Hinzu könnten noch gut eine Million in Hessen kommen, deren Mehrheit Partner Gary Klesch bereits zuvor der Telekom abgekauft hatte. Für Malone könnte dies der Grundstein für einen europäischen Medienkonzern sein, der weit mehr wäre als ein reiner TV-Anbieter. «Kabel», so Manfred Lang von der Frankfurter System- und Unternehmensberatung Diebold, «sind fundamentale Träger von Kommunikation, vor allem wegen ihrer hohen Bandbreite.» Während manch multimediale Verheißung dieser Tage von den zahllos versprochenen Unterhaltungs- und Einkaufsmöglichkeiten bis hin zum schnellen Internetzugang im herkömmlichen Telefonnetz oft noch an Kapazität und Geschwindigkeit scheitert, könnten die voluminösen Kabel schon bald das selbstverständliche Rückgrat dieser Verschmelzung von Fernseh-, Daten- und Sprachverkehr sein. Niemand weiß dies besser als Malone. «Mit unseren Kabelnetzen können wir dem Kunden in Zukunft TV, Telefonie und Internet aus einer Hand anbieten», beschrieben er und AT&T-Chef Michael Armstrong das Ziel des Deals zwischen AT&T und TCI.

Schon jetzt sind Kabelnetze rund 30-mal schneller als Telefonleitungen, und sie sind die wichtigsten Transporteure der Fernsehprogramme in den USA. Doch in den nicht von ungefähr «Breitband» genannten Leitungen ist genügend Platz, um sie beispielsweise parallel für Video auf Abruf (das Bestellen eines Filmes per Knopfdruck zu jedem beliebigen Zeitpunkt), Internetsurfen und Telefonate nutzen zu können. Hinzu kommen interaktive Möglichkeiten. So könnte man etwa in Zukunft auf der linken Bildschirmhälfte einer Modenschau folgen - und rechts in einer virtuellen Schneiderei selbst Maß nehmen lassen.

Lediglich ein Hindernis muss vor der multimedialen Zukunft unter der Erde noch überwunden werden: die Aufrüstung der Kabel. Zur interaktiven Nutzung muss nämlich in der «Einbahnstraße» Kabel via Rückkanal eine «Gegenfahrbahn» installiert werden, über die Videos, Internetseiten oder Bestellungen angefordert werden können. «Das deutsche Kabel», so Mark Schneider von der holländischen UPC, einer der größten europäischen Netzfirmen, «ist völlig veraltet.» Experten schätzen die Kosten für eine Modernisierung der gut 20 Millionen Anschlüsse auf bis zu zehn Milliarden Mark. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde der Verkauf an Liberty Media von Marktbeobachtern als Erfolg für die Telekom gewertet. Ein Plus für Sommer ist auch der hohe Kaufpreis, der in dem Abkommen bereits vorgesehene spätere Verkauf weiterer knapp 20 Prozent der Anteile und die womöglich noch recht lukrative Rolle als stiller Teilhaber mit den übrigen 25 Prozent. Da die Aufrüstung zudem Zeit kostet und die neuen Eigentümer keine Erfahrung auf dem deutschen Markt haben, vermindert dies die Gefahr eines baldigen Konkurrenten für die eigenen ISDN- und TDSL-Angebote der Telekom.

Doch vielleicht ist diese Einschätzung allzu optimistisch. Erstens bringt Malone als ehemaliger TCI-Chef viel Know-how mit und hat als AT&T-Miteigner Zugriff auf einen führenden Spezialisten für schnelle Internetzugänge via Kabel, die AT&T-Tochter At Home. Zweitens will Malone vermutlich nicht nur mit Kabelgebühren, sondern vor allem mit Inhalten Geld verdienen.

Und davon hat er reichlich: So kann er sowohl auf den News Corp.-Fundus (Sportrechte oder Filme wie «Titanic»), auf das Know-how von USA Networks, aber auch auf weitere attraktive Kanäle wie den Discovery Channel (Dokumentationen) oder den Kaufhauskanal QVC zurückgreifen. Ganz abgesehen von guten Kontakten zu Medienriese AOL Time Warner und dessen Miteigner Ted Turner. Auch an diesem Giganten hält die übrigens selbst nur aus rund drei Dutzend Mitarbeitern bestehende Liberty Media Anteile. Über At Home hat er zudem Zugriff auf den Onlinedienst Excite. Und noch eines: AT&T und Liberty Media sind Anteilseigner an UPC. Möglicherweise könnten die zehn Milliarden doch ein Spottpreis gewesen sein. Vielleicht hat sich Ron Sommer ein wenig zu früh gefreut.
 
aus der Diskussion: Primacom Thread 91
Autor (Datum des Eintrages): kabelmedia  (27.02.01 17:24:02)
Beitrag: 111 von 166 (ID:2992812)
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