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Islamisten in Deutschland

Sie sind gekommen, um zu töten



"Das muss uns alarmieren"

Die deutsche Gesellschaft hasst er wie die Pest. Alles, was nichtislamisch ist, betrachtet Tolga D. als schmutzig, als Dreck, als verkommen. So hat man es bei Gesprächen von ihm gehört. Im bayerischen Neu-Ulm verkehrte der Deutschtürke in islamistischen Kreisen, etwa in der Moschee im Multi-Kultur-Haus, das Ende 2005 von den bayerischen Behörden nach einem Verbot geschlossen wurde. Tolga D. gehörte zu den „wiedererweckten“ Muslimen, die sich ähnlich wie die Konvertiten aus nichtislamischen Religionen durch besonderen Glaubenseifer hervortun.

„Da glimmt ein ähnliches Feuer, nur dass die Konversion sich innerislamisch vollzieht“, sagt Herbert Landolin Müller, Leiter der Abteilung Islamismus beim Landesamt für Verfassungsschutz in Stuttgart. So engagierte sich Tolga D., der zeitweilig bei einer Firma für Solartechnik gearbeitet hatte, auch im benachbarten Ulm im Islamischen Informationszentrum (IIZ), das bis heute existiert.

„Denk mal islamisch!“

In dessen Zeitung „Denk mal islamisch!“ schrieb er einen Artikel gegen den bayerischen Innenminister Günther Beckstein, den er in die Nähe von Nazis rückte. Das Landeskriminalamt in Stuttgart stufte den heute 29 Jahre alten deutschen Staatsbürger Ende 2005 als „Gefährder“ ein, als jemanden, der „politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung“ ausführen kann, etwa einen Anschlag.

Doch Tolga D., den Behörden in Baden-Württemberg zufolge „sicher nicht einer der Dümmsten“ in der virulenten islamistischen Szene in und um Ulm, fühlte sich noch nicht reif für den Dschihad, den heiligen Krieg. Im Frühjahr des Jahres 2006 ging er nach Ägypten, um sich weiterzubilden, Arabisch zu lernen, den reinen Islam zu studieren. Für die deutschen Sicherheitsbehörden verschwand er von der Bildfläche. Welche Kontakte er hatte, ob er sich zum Dschihad entschloss, bleibt im Dunkeln.

Sicher ist: Tolga D. reiste später auf dem Landweg über Iran nach Pakistan. Dort wurde er am 10. Juni an der Grenze verhaftet – mit falschem Pass, einigen tausend Euro und einem Satellitentelefon. In seiner Begleitung war der staatenlose Libanese Hussain al-M. aus Neunkirchen im Saarland. Die pakistanischen Behörden vermuten, dass die Reisenden aus Deutschland Lager von Al Qaida besuchen wollten. Bald wird Tolga D. wieder in Deutschland sein. In wenigen Wochen will die pakistanische Regierung ihn abschieben. Die deutschen Behörden werden dann Fragen haben.

„Das muss uns alarmieren“

Tolga D. wird nicht allein kommen. Denn er ist nur einer von mindestens sieben Islamisten aus Deutschland, die in den vergangenen Monaten in Pakistan verhaftet wurden. In den Grenzgebieten zu Afghanistan hat Al Qaida seine Strukturen in enger Symbiose mit den Taliban wiederaufgebaut. Pakistan ist zum Trainings-Mekka islamistischer Kämpfer aus aller Herren Länder geworden. Und Deutschland ist mehr denn je ein Ziel für das Netz des Terrors. Davon zeugen die Angriffe auf Bundeswehrsoldaten und die Ermordung von Mitarbeitern der Welthungerhilfe in Afghanistan, die Entführungen Deutscher am Hindukusch oder im Irak und Videobotschaften mit Drohungen an die Bundesrepublik.

Die laufende Entführung zweier deutscher Geiseln durch die Taliban in Afghanistan setzt diese Gewalteskalation gegen Deutschland fort. „Wir haben eine ganze Reihe von Anzeichen dafür, dass Al Qaida Deutschland und deutsche Einrichtungen, etwa Botschaften, im Visier hat. Es gibt für Deutschland eine neue Qualität der Bedrohung“, warnt deshalb Wolfgang Schäubles Staatssekretär August Hanning.

Neu ist, dass die Islamisten aus Deutschland mit dem ausdrücklichen Ziel in pakistanischen Lagern ausgebildet werden, in die Bundesrepublik zurückzukehren. Die Innenbehörden kennen schon 14 Islamisten aus Deutschland, die in den vergangenen Monaten meist über Ägypten oder die Türkei nach Pakistan gereist sind. Man geht davon aus, dass ihre Zahl noch höher liegt. „Dass diese Fälle sich häufen, muss uns alarmieren“, sagt Hanning. „Wir müssen alles dafür tun, um herauszufinden, wer nach Pakistan gegangen ist und dort ausgebildet wird.“

In der Kernforschungsanlage

Einer der Festgenommenen aus Deutschland, der mit Tolga D. abgeschoben werden soll, ist Aleem N. Der 45 Jahre alte Pakistaner mit deutschem Pass, zuletzt wohnhaft in Germersheim, hatte vor Jahren über eine Arbeits-Leasing-Firma eine Stelle bei einer Kernforschungsanlage in Karlsruhe bekommen. Nur weil er so unvorsichtig war, dort die Anschläge vom 11. September 2001 mit wüsten Drohungen gegen Deutschland zu kommentieren, verlor er seinen Job.

In Karlsruhe verkehrte Aleem N. in einer Moschee, die zur Islamischen Gemeinschaft Deutschland (IDG) gerechnet wird. Die gilt als deutscher Arm der ägyptischen Muslimbruderschaft, der ideologischen Mutterorganisation vieler Islamisten. Später tauchte Aleem N. in Freiburg just in jener Moschee auf, in der in den neunziger Jahren der Ägypter Dr. Yehia Yousif verkehrt hatte. Yousif machte damals als Wissenschaftler an der Universität Freiburg Karriere, siedelte im Herbst des Jahres 2000 nach Neu-Ulm über und wurde dort zum Kopf der islamistischen Szene. Der baden-württembergische Verfassungsschutz nutzte ihn als Quelle, bis er erkannte, dass Yousif ein Doppelspiel betrieb. Als der Boden für ihn zu heiß wurde, setzte sich der Hassprediger aus Deutschland ab.

Aleem N. wurde am 18. Juni in Pakistan festgenommen. Der pakistanische Geheimdienst wirft ihm vor, in einem Lager den Umgang mit Sprengstoffen geübt zu haben. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind froh, dass sie ihn, Tolga D. und Hussain al-M. nicht in Pakistan befragen müssen. Sie hätten sich sonst in Deutschland auf schwierige Debatten einzustellen: Nach Befragungen anderer Terrorverdächtiger in islamischen Ländern hatte man sie gerügt, weil der dortige Umgang mit Gefangenen mit deutschen Vorstellungen vom Rechtsstaat nicht vereinbar sei.

Einige Islamisten sind schon zurück

Rückkehren könnten auch zwei türkische Brüder kurdischer Volkszugehörigkeit aus Deutschland, die den Behörden als Islamisten bekannt sind und die unlängst in Pakistan festgenommen wurden. Da sie einen Aufenthaltstitel in Deutschland haben, würde Berlin sie aufnehmen, falls Pakistan sie abschiebt. Einen weiteren Fall Murat Kurnaz, dem man die Einreise aus dem amerikanischen Gefangenenlager Guantánamo wegen seiner türkischen Staatsbürgerschaft verweigerte, will sich Berlin nicht leisten. Manche Verfassungsschützer stöhnen schon, dass sie es bald wieder mit einer ganzen Gruppe Altbekannter zu tun haben werden.

Besonders brisant: Anders als bisher behauptet, sind einige Islamisten aus Deutschland, die in Pakistan ausgebildet worden sind, schon wieder nach Deutschland eingereist. Den Innenbehörden sind drei Personen bekannt, die Anfang Juni aus Pakistan zurückgekehrt sind. Über ihre Identität schweigt man bisher aus Sicherheitsgründen. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Leute, die aus Pakistan zurückgekehrt sind, Anschläge planen“, sagt Staatassekretär Hanning und spricht von einer „neuen konkreten Gefahr“.

Das Strafrecht hält nicht Schritt

Doch um die Islamisten als Straftäter zu überführen, braucht es Beweise. In Deutschland kann nach bisheriger Rechtslage ein Einzeltäter straflos terroristische Straftaten vorbereiten – erst wenn drei zusammenkommen, können sie als terroristische Vereinigung nach § 129 a und b belangt werden – ein Umstand, den Innenminister Schäuble unbedingt ändern will. Ein entsprechender Gesetzentwurf, den das Innenministerium erstellt hat, liegt schon seit September 2005 im Justizministerium, ohne dass etwas passiert ist.

Auch eine Wohnraumüberwachung ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kaum mehr möglich, weil sofort abgeschaltet werden müsste, sobald der Bereich der „persönlichen Lebensgestaltung“ beim Abhören berührt ist. Die Behörden verzichten daher aus praktischen Gründen weitgehend darauf. Und auch wenn die Islamisten immer mehr über den Computer kommunizieren, ist eine Online-Überwachung noch nicht geregelt. Zwar haben Bund und Länder immer wieder Islamisten aus Deutschland abgeschoben, doch in zahlreichen Fällen stehen dem Abschiebungshindernisse wie ein Asylverfahren entgegen. „Gefährder“, die oft nach Scheinehen eingebürgert wurden, lassen sich ohnehin nicht abschieben – denn Deutschland kann seine Staatsbürgerschaft nicht aberkennen.

Das alles ist gut für die Krieger des Dschihads in Deutschland – auch für jene mit Ausbildung in Pakistan. Bisher könne man nichts tun, heißt es bei den Innenbehörden, als zu versuchen, sie zu überwachen.

http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc…
 
aus der Diskussion: Ein mutiger Kommentar zu islamistischem Terror in der 'Welt'
Autor (Datum des Eintrages): CaptainFutures  (24.07.07 13:16:32)
Beitrag: 57 von 62 (ID:30826055)
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