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IPO von Alibaba.com: Ein chinesisches Herbstmärchen
JOURNALISTEN Die Begeisterung um chinesische Internetaktien erreicht einen neuen Höhepunkt: Die hoch gehandelte Business-to-Business-Plattform Alibaba.com strebt am kommenden Dienstag in Hongkong an die Börse. Die Hysterie erinnert an den Dot.com-Hype von 1999: Die Aktie war schnell 100-fach überzeichnet.
Betrifft: Aktien BAIDU.COM China GOOGLE Internet Internet Suche & Verzeichnis Vereinigte Staaten von Amerika YAHOO
von Nils Jacobsen
Chefredakteur von Yeald.de und Freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg.


Wie gut, dass es Märchen gibt: Ohne die Legenden aus 1001 Nacht würden der mitunter nicht weniger bizarren Börsenwelt nämlich so manche Parabeln fehlen. Etwa die von "Ali Baba und den 40 Räubern", in der der Holzhändler Ali Baba plötzlich zu unverhofftem Reichtum gelangt: Er flüchtet vor einer 40 Mann starken Räuberbande unerkannt auf einen Baum und wird Zeuge, wie sich auf einen Befehl des Räuberhauptmanns eine Felstür öffnet: "Sesam, öffne Dich", sprach der stattlichste unter den Räubern.

Stunden später, als die Räuber das Weite gesucht hatten, versuchte sich auch Ali Baba mit dem Türöffner – und siehe da, ihm wurde Einlass gewährt. Im Inneren der Höhle angelangt, traute Ali Baba seinen Augen nicht: "Er erblickte hier große Mundvorräte, Ballen von köstlichen Kaufmannswaren, Seidenstoffen und Brokat, besonders auch wertvolle Teppiche, haufenweise aufgetürmt; was ihn aber am meisten anzog, war eine Masse geprägtes Gold und Silber, das teils in Haufen aufgeschüttet, teils in ledernen Säcken oder Beuteln immer einer nach dem anderen dalag", heißt es in der 270. Geschichte der Saga aus 1001 Nacht, die im heutigen Irak spielt. Dann schlägt Ali Baba zu: "Mit dem Silbergelde gab er sich nicht lange ab, sondern machte sich nur an das gemünzte Gold und besonders an das, was in den Säcken war. Von diesem nahm er zu wiederholten Malen so viel, als er tragen und seinen drei Eseln, die sich indes zerstreut hatten, aufladen konnte".

>> Stolze Bewertung: 9 Milliarden Dollar aus dem Stand


Kaum anders dürfte sich in diesen Tagen Jack Ma fühlen, Gründer und CEO des chinesischen Internetunternehmens, das – kein Scherz – tatsächlich auf den Namen Alibaba getauft wurde – und das auch noch im Goldgräberjahr 1999. Die Übereinstimmungen kommen vermutlich nicht von ungefähr: Ma dürfte bei seiner Firmengründung die glorreiche Zukunft durchaus bereits im Sinne gehabt haben – schließlich fiel der Gründer in den vergangenen Jahren schon mit der markigen Prognose auf, Alibaba im nächsten Jahrzehnt zu den drei weltweit führenden Internetkonzernen machen zu wollen.

Und so geschieht es jetzt, dass sich Ma mit Alibaba nun wie Ali Baba fühlen kann: Die Internet-Handelsplattform des gleichnamigen Internetkonglomerats wird nämlich am kommenden Montag an der Hongkonger Börse gelistet – und aus dem Stand mit fast 9 Milliarden Dollar bewertet! 1,5 Milliarden Dollar fließen dabei direkt in die Kassen des in Hangzhou, der Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Zhejiang, ansässigen Unternehmens – für 17 Prozent der Firmenanteile.

>> Alibaba.com-IPO 100-fach überzeichnet


Ginge es nach der Nachfrage, hätten es auch mehr als 150 Milliarden Dollar sein können – um mehr als 100-fach war die von Goldman Sachs und Morgan Stanley begleitete Emissionen nämlich überzeichnet und musste daher deutlich eher als geplant geschlossen werden. Wegen der hohen Nachfrage hat das chinesische Internetunternehmen gleich die Gunst der Stunde genutzt und die Preisspanne um Vorfeld der Zeichnung signifikant um rund 15 Prozent auf bis zu 13,50 Hongkong Dollar angehoben.

Kleinaktionäre dürften beim Börsengang, der am kommenden Dienstag, den 6. November über die Bühne gehen soll, indes zum Großteil leer ausgehen – lediglich eine Tranche von 15 Prozent ist für Kleinanleger vorgesehen, 85 Prozent gehen an institutionelle Investoren wie die AIG, die Industrial & Commercial Bank of China (Asia) oder sogar Cisco Systems.

>> Yahoo stockt Alibaba-Anteile auf

Freuen über die rege Nachfrage dürfte sich nicht zuletzt das Internetportal Yahoo, das bereits 39 Prozent an der Alibaba-Gruppe hält. 2005 hatte Alibaba das China-Geschäft von Yahoo gegen jene 39-Prozenbeteiligung zuzüglich eines 1-Milliarde-Dollar-Investments von Yahoo übernommen.

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Yahoos Hunger damit noch nicht gestillt ist. Statt, wie bei vielen westlichen Firmen üblich, Kasse zu machen, stockt der amerikanische Internetpionier seine Anteile auf: Im Rahmen der beim IPO zugeteilten Aktienpakete gehen weitere 10 Prozent der emittierten Alibaba.com-Anteile an Yahoo. Der Internetpionier ist damit nun auch direkt an Alibaba.com beteiligt.

>> Bedeutendstes eCommerce-Unternehmen Chinas: Alibaba mit Auktions- und Bezahldiensttöchtern

Die Alibaba-Gruppe gilt als größtes eCommerce-Unternehmen Chinas. Flaggschiff des Unternehmens ist die Business-to-Business-Plattform Alibaba.com, die den Handel zwischen kleinen bzw. mittleren Unternehmen und Großkonzernen ermöglicht. Mit 24,6 Millionen registrierten



Benutzern gilt Alibaba.com als eines der meistbesuchten und genutzten Internetportale weltweit.


Doch auch die anderen Tochtergesellschaften Alibabas können sich sehen lassen: So verfügt Konzernchef Jack Ma ebenfalls über den Online-Bezahldienst AliPay – das chinesische Synonym zu Yahoos PayPal – und über die Auktionsseite Taobao, die als Chinas Antwort auf eBay gilt.

>> Bewertung bereits zur Erstnotiz sehr ambitioniert

Keine Frage: Alibabas markbreite Aufstellung macht das eCommerce-Unternehmen zum Platzhirsch im chinesischen Internet-Business, der bei Anlegern verständlicherweise Begehrlichkeiten weckt. Entsprechend der aktuellen Begeisterung um seit Jahren börsengelistete chinesische Dot.coms wie Baidu.com, Sina.com oder Sohu.com ist es nicht schwer, den Erfolg des Börsendebüts von Alibaba.com vorherzusagen – für den chinesischen Markt hat es schließlich eine ähnliche Bedeutung für das IPO von Google 2004 für die westliche Internetwirtschaft.

Dass die Erstnotiz um einiges über dem Ausgabekurs bei 13,50 Hongkong Dollar liegen dürfte, macht es für Anleger nicht leichter, zumal das KGV auf Basis des höchsten Ausgabekurses bereits dem 55-fachen erwarteten Jahresgewinn entspricht – das nächsten Jahres, wohl gemerkt. Damit ist Alibaba.com auf Basis des Ausgabekurses aber immer noch um einiges günstiger bewertet als etwa Baidu.com, die aktuell mit einem erwarteten 2008er-KGV von 90 den Besitzer wechselt.

Interessierte Anleger, die am nächsten Dienstag versuchen, die in Hongkong notierten Papiere zu ergattern, sollten jedoch auch in einem ruhigen Augenblick Fundamentaldaten nicht außer Acht lassen. Erzielte Alibaba.com im vergangenen Jahr noch Umsätze von 1,36 Milliarden Yuan (126 Millionen Euro), könnten es im nächsten Jahr 3,13 Milliarden Yuan (290 Millionen Euro) werden, mutmaßt Goldman Sachs. Im ersten Halbjahr 2007 verdiente das chinesische Portal mit dem verlockenden Namen indes erst 295,2 Millionen Yuan (27,5 Millionen Euro), 622 Millionen Yuan (58 Millionen Euro) könnten es im Gesamtjahr 2007 werden: Für eine vermeintliche Schatzkammer indes keine wirkliche pralle Ausbeute – zumindest noch nicht.

Disclosure: Der Autor hält Positionen in Baidu.com
 
aus der Diskussion: ALIBABA.COM neuer Wert ab 6.11. in Hongkong zu kaufen
Autor (Datum des Eintrages): dekaffm  (01.11.07 09:21:42)
Beitrag: 1 von 9 (ID:32227368)
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