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Die gelegentlich geäußerte Theorie einer konzertierten Verschwörung von Investmenthäusern, Zentralbanken, Nachrichtenagenturen halte ich für wenig überzeugend. Marktwirtschaftlich betrachtet liegt der Grund für den fallenden Goldpreis in dem die Nachfrage übersteigenden Angebot. Das scheint paradox klingen, da die Goldproduktion ca. 1000 to p.a. geringer ist, als der Weltgoldverbrauch. Das zusätzliche Angebot läßt sich hauptsächlich auf folgende Quellen zurückführen:
Zentralbankverkäufe, Shortverkäufe von Investbanken und Fonds, Vorwärtsverkäufe der Produzenten und Altgoldrecycling. Vor allem für die Investbanken/Fonds waren die Shortverkäufe bisher ein einträgliches Geschäft. Bei einer Anlage des erlösten Geldes in US-Bonds mit einer Verzinsung von 5-6 % und einem Leihzins von ca. 1 - 2% läßt sich relativ risikolos eine Nettorendite von ca. 4% erwirtschaften. Damit errechnet sich bei einem Leihvolumen von 100 to ein Gewinn von ca. 70 Mio. DM p.a. Die Produzenten haben darüberhinaus ein Interesse ihre Geldzuflüsse langfristig kalkulierbar zu sichern um so die vorgenommen Investitionen zurückzahlen zu können. Zentralbanken und Regierungen treten als Goldverkäufer auf aus Gründen der Haushaltskonsolidierung oder um in ertragreichere Anlagealternativen umzuschichten.
Damit der Goldpreis nachhaltig steigt müßte nun entweder die Nachfrage deutlich zunehmen oder das Angebot signifikant zurückgehen. Kurzfristig betrachtet kann die Nachfrage nur über eine massive Erhöhung der Investmentnachfrage (Gold als Kapitalanlage) gesteigert werden die z.Z. bei schätzungsweise 100-200 to p.a. liegt. Was muß sich ereignen damit es dazu kommt? Ein Crash an den Weltbörsen? Um eine Antwort zu finden ist es hilfreich ähnliche Situationen aus der Vergangenheit als Vergleich heranzuziehen. Beispielhaft sei die Wirtschaftskrise 1998 in Südostasien genannt wo die Lokalbörsen innerhalb kurzer Zeit bis zu 90 % ihres Wertes verloren. Ein Blick auf die Entwicklung der Goldnotierungen ist wenig ermutigend. Der Goldpreis hat im fraglichen Zeitraum vom Herbst 1997 innerhalb eines Jahres von ca. 320 US$ auf 280 US$ nachgegeben. Die Goldnachfrage ging 1998 in den den südostasiatischen Tigerstaaten um ca. 80% zurück In Südkorea wurden durch eine spektakuläre nationale Goldsammelaktion sogar mehrere hundert Tonnen Gold enthortet! Offensichtlich hat die Börsen- und Wirtschaftskrise die dortige Bevölkerung nicht zu einem vermehrten Kauf von Gold veranlaßt sondern genau zum Gegenteil. Dieses Verhalten läßt sich auch relativ einfach nachvollziehen. Wem es wirtschafltich schlecht geht der wird keine langlebigen Konsumgüter und erst recht keinen Schmuck kaufen. Da ca. 85% der Weltgoldproduktion als Schmuck weiterverarbeitet werden erklärt sich der deutliche Nachfragerückgang damit von selbst. Dieses Szenario läßt sich m.E. auch bei einem Kursverfall der westlichen Börsen übertragen. Ein Crash an der Wallstreet würde durch die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften die Schmucknachfrage deutlich sinken lassen. Da diese Kausalität den am Goldmarkt tätigen Teilnehmern hinlänglich bekannt ist, dürfte der Goldpreis durch entsprechende Shortverkäufe schnell neue Tiefs markieren. U.U. haben die großen Minengesellschaften diese Gefahr erkannt und versucht durch eine Ausweitung der Vorwärtsverkäufe entsprechende Vorsorge zu treffen. Ein Verfall der Goldnotierungen wäre für diese Unternehmen nicht unbedingt ein Unglück. Bei einem theoretischen Goldpreisrückgang auf 200 US$ würde nämlich der market-to-market-value der Hedgebooks die Börsenkapitalisierung etlicher Unternehmen deutlich übersteigen und bei Auflösung (Rückkauf) der Vorwärtsverkäufe Gewinne in erheblichem Ausmaß generieren. Auch läßt sich die aktuelle Minenproduktion bei einem solch niedrigen Preis auf Dauer nicht aufrechterhalten. Produktionkürzungen und Stillegungen wären die logische Konsequenz. Etliche Minengesellschaften wären dann sogar gezwungen, zur Erfüllung ihrer vorhandenen Vorwärtsverkäufe, sich am Markt mit Gold zu versorgen. Ein erheblich verringertes Angebot der Produzenten, enorme Shortverkäufe und eine dann einsetzende spekulative Goldnachfrage durch Kapitalanleger bilden dann in einem solchen Umfeld den Zündfunken für explosionsartige steigende Goldpreisnotierungen. Das bedeutet: DAMIT DER GOLDPREIS STEIGEN KANN, MUSS ER ZUNÄCHST STARK FALLEN. Eine Marktkorrektur würde also zunächst über ein geringeres Angebot und erst dann über die zunehmende Nachfrage einsetzen. Eine ausführliche Beschreibung dieses Szenarios liefert die von der BNP durchgeführte Goldpreisstudie aus 1998 bzw. eine kommentierte Kurzfassung wurde von der Firma Siegel Investments veröffentlicht.
Gelegentlich wird von Boardteilnehmern die Ansicht geäußert, daß bei einem Börsencrash bzw. einer Wirtschaftskrise die Kapitalanleger Vermögenswerte in Gold umschichten würden. Dies ist nach den oben beschriebenen Ausführungen nur dann zu erwarten, sofern sich die Wirtschaftskrise in eine Finanz- bzw. Währungskrise ausweiten würde, d.h. das Vertrauen der Bevölkerung in die Geldwährung schwindet. In einem solchen Fall werden die Kapitalanleger Geldanlagen wie Renten, Spareinlagen, Lebensversicherungen etc. in Sachwerte umschichten u.a. auch sicherlich in Gold.
Langfristig betrachtet (Zeitraum von 10 - 20 Jahren) wird Gold eine hervorragende Kapitalanlage dartellen. Dafür sind vor allem zwei Gründe ausschlaggebend. Zum einen die z.Z. einsetzende Konsolidierung der Minenindustie, zum anderen die wirtschaftlichen Entwicklungsaussichten der asiatisch-pazifischen Region. Der schwache Goldpreis zwingt die Produzenten zu Fusionen und Übernahmen. In den nächsten Jahren werden 5-6 große Minengesellschaften mit mindestens 5 Mio. oz. Jahresproduktion und einem Anteil von ungefähr 50% der Weltgoldförderung entstehen. Die derzeitige Marktsituation mit einer Vielzahl an Produzenten und divergierenden Interessen läßt ein abgestimmtes und gleichgerichtetes Verhalten nicht zu. Bei oligopolistischen Strukturen (viele Nachfrager - wenige Anbieter) gilt dies nicht mehr. Ähnliche Verhältnisse gibt es bereits am Markt für Rohöl. Dort gelingt es der OPEC mit einem Anteil von ca. 30% der Gesamtförderung ihre Preisvorstellungen durchzusetzen. Entsprechendes wäre dann auch auf dem Goldmarkt zu erwarten.
In den asiatischen Ländern gilt Gold nach wie vor als beliebte Geldanlage bzw. der Besitz als sichtbares Zeichen des sozialen Aufstiegs. Eine zunehmende wirtschaftliche Prosperität in diesen Ländern wird zu einer vermehrten Goldnachfrage führen. So importieren die asiatischen Länder z.Z. schon ca. 75 % der Weltgoldförderung (davon allein Indien 25%). Selbst in Vietnam lag der Goldverbrauch in 2000 mit 60 to (1994 noch 35 to) höher als in Deutschland (2000 50 to).
 
aus der Diskussion: Einschätzung GOLDPREISENTWICKLUNG
Autor (Datum des Eintrages): Bre-X  (03.04.01 21:33:39)
Beitrag: 1 von 28 (ID:3234486)
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